Innovation - die wichtigste IT-Aufgabe

08.06.2005 von Karin Quack
Das erste "Executive Forum" dieses Jahres widmete sich dem Thema Innovations-Management.

Hier lesen Sie …

  • was die Innovation vorantreibt;

  • wie sie konkret aussehen kann;

  • welchen Beitrag die IT dazu leistet;

  • unter welchen Voraussetzungen sie das tut.

Ein intensive Arbeitsatmosphäre kennzeichnete auch in diesem Jahr das Executive Forum der COMPUTERWOCHE. Diskussionsgrundlage waren wiederum zwei "Dialoge", deren CIO-Teil von Andreas Resch (links) beziehungsweise Karl Pomschar bestritten wurde.


Der Begriff Innovation ist etwas aus der Mode gekommen", sagte COMPUTERWOCHE-Chefredakteur Christoph Witte in seiner thematischen Einführung zum diesjährigen "Frühlings-Executive-Forum" im oberbayerischen Rottach-Egern. Die Unternehmen redeten mehr davon, wie sie Systeme konsolidieren und IT-Budgets eindampfen können, als davon, wie sie die Informationstechnik nutzen können, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen.

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COMPUTERWOCHE Executive Forum in Rottach Egern, Mai 2005

Auf diese Weise lässt sich die IT degradieren - vom viel beschworenen Partner und "Enabler" zum reinen Erfüllungsgehilfen des Business. Deshalb muss jedem IT-Verantwortlichen daran gelegen sein, die innovative Kraft seines Zuständigkeitsbereichs unter Beweis zu stellen. Und folgerichtig stand das von der COMPUTERWOCHE veranstaltete CIO-Treffen diesmal unter dem Motto "Innovations-Management". Es ging um die Frage, welche Voraussetzungen innerhalb und gemeinsam mit der IT zu schaffen sind, um Innovationen zum Erfolg zu verhelfen.

Funktionsübergreifende Teams und vernetzte Beziehungen

Eine treffende Umschreibung des Themas gelang Stefan Stroh, Vice President bei Booz Allen Hamilton, mit einem Zitat, dessen Ursprung im Allgemeinen Thomas Alva Edison zugeschrieben wird: "Innovation ist zu zehn Prozent Inspiration und zu 90 Prozent Transpiration." Auf ungeteilte Zustimmung stieß der Unternehmensberater mit seiner Feststellung, dass unternehmerische Innovation immer vom Kunden ausgehen muss. Entwickelt und vorangetrieben werde sie sinnvollerweise in funktionsübergreifenden Teams, häufig auch durch vernetzte Beziehungen mit Kunden und/ oder Lieferanten. Damit sich am Ende die tragfähigen Ideen durchsetzen, sei ein Innovations-Management-Prozess mit "digitalen" Entscheidungspunkten notwendig.

Dem "Innovationsbündnis zwischen CEO und CIO" widmete Hubert Österle, Direktor des Instituts für Wirschaftsinformatik an der Hochschule St. Gallen und Präsident des Verwaltungsrats der Unternehmensberatung The Information Management Group (IMG), seinen Vortrag. "Viele Unternehmen sind durch den Konsolidierungsprozess im Prinzip hindurch", stellte der Wirtschaftsinformatiker fest, "unseren Studienergebnissen zufolge treten sie jetzt wieder in eine Phase der Innovation ein."

Wie IT Innovation voranbringt

• Neue Technik ermöglicht neue Geschäftslösungen: Aus Sicht der Unternehmensleitung kommt jede Innovation aus dem Geschäft, aber ohne IT wären viele bahnbrechende Neuerungen (Mobility, Portale, Online-Börsen) nicht möglich gewesen.

• Innovation beginnt beim Geschäftsmodell: IT kann Veränderungen des Modells anstoßen und Komplexität beherrschbar machen. Sie sollte ihre Potenziale offensiv vermarkten und der reinen Kostendenke entgegen treten.

• Die IT muss ihre eigene Komplexität reduzieren. Die Anwendungen und Plattformen harmonisieren, den Datenbestand zentralisieren und eine Service-Architektur aufbauen - damit lässt sich die Basis für Innovationen schaffen.

• Der Schlüssel ist das Alignment von Geschäftsmodell und Architektur: Das Business erwartet von der IT rasche Anpassung. Die IT fordert, dass sie rechtzeitig in absehbare Veränderungen eingebunden werden muss.

• Zukünftige Prozesse basieren auf Standardisierung und Integration: Die Vereinheitlichung der Prozesse ist Sache des Business, wird jedoch gern an die IT abgeschoben. In deren Wirkungskreis fällt hingegen die Systemintegration.

• Kritisch sind Sicherheit, Schutz geistigen Eigentums und Compliance: Der Business-Case für die Projekte fehlt meist. Die IT muss aber den Zusammenhang zwischen Budget und Security betonen.

• Die Architektur muss Innovation ermöglichen: Das Geschäft ändert sich permanent. Die Antworten der IT heißen Portal- und Servicearchitektur, Data-Warehouse, EAI, etc.

• Das Innovations-Management findet auch in der IT statt: Durch ein adäquates Projektportfolio-Management trägt sie dazu bei, dass die knappen Ressourcen für innovative Vorhaben verwendet werden.

Nicht nur in Produkten, sondern auch in Prozessen

Typisch für die Executive-Foren der COMPUTERWOCHE ist die Vortragsform des "Dialogs" zwischen je einem Wissenschaftler und einem IT-Chef. Österle und sein Pendant Andreas Resch, Geschäftsführer der Bayer Business Services und CIO der Bayer AG, hatten darüber nachgedacht, welchen Innovationsbeitrag die IT eigentlich leisten kann oder vielmehr muss (siehe Kasten "Innovationsbeitrag").

Wie die IT zu beschleunigen ist

• Inwieweit sind die CIOs mit ausreichender Befugnis ausgestattet, um Unternehmensentscheidungen zu beeinflussen? Die Unterschiede zum EDV-Leiter alter Prägung sind immer noch ungenügend herausgearbeitet. Eigentlich ist der CIO doch "Chef der Unternehmensentwicklung"!

• Wieso wird ständig von Einsparungen und RZ-Standardisierung gesprochen, wo das Thema doch der Geschäftsbeitrag ist? Die CIOs müssen mehr Geschäfts- und Prozesskompetenz sowie ein Gespür für die Unternehmensbedürfnisse zeigen.

• Wäre es nicht logisch, wenn die IT die Prozess-Governance übernähme? Schließlich ist sie als einziger Unternehmensbereich von Anfang bis Ende in alle Prozesse involviert. Relevante Geschäftsentscheidungen sollten jedenfalls mit der IT auf ihre Realisierbarkeit ab- gestimmt werden.

• Die Standardisierung der IT-Infrastruktur ist beinahe umgesetzt, der größere Hebel aber ist die Standardisierung des Geschäftsmodells. So lassen sich Komplexitätstreiber wie Breite und Tiefe des Sortiments oder unterschiedliche Regionen, Segmente und Kanäle bewältigen.

• Standardisierung heißt keineswegs Nachahmung von Mitbewerbern. Der Begriff zielt vielmehr auf eine interne Vereinheitlichung. Er bedeutet also, sich auf ein Geschäftsmodell festzulegen und es konsequent (!) im Unternehmen umzusetzen.

• Kann die Standardisierung und Effizienzsteigerung in der IT alle organisatorischen Nachteile eines Unternehmens kompensieren? - Wohl kaum! Schnelles Wachstum und permanente Veränderung stellen die IT vor kaum lösbare Aufgaben. Mitgestaltung ist unter diesen Umständen schwierig.

• Ist die IT in der Lage, das, was in der Zeitung steht, zu liefern? Die Medien und die Hersteller wecken bei den Unternehmensführungen falsche Erwartungen, denen die IT nicht gerecht werden kann. Deshalb steht sie in den Augen des Managements häufig als Loser da.

"Konsolidierung und Innovation sind keine Gegensätze und laufen nicht in aufeinander folgenden Phasen ab", stellte Resch zunächst einmal klar. Aus seiner Sicht sei es notwendig, "beides mit derselben Agressivität voranzutreiben". Zudem grenzte der Bayer-CIO zwei Innovations- aspekte gegeneinander ab: Im landläufigen Sinn werde der Begriff immer auf das von der IT unterstützte Business bezogen. Resch wollte den Blick jedoch auch auf die Erneuerung der IT-Prozesse gerichtet sehen: "Wenn Sie über Innovation nachdenken, müssen Sie auch die Potenziale in der eigenen Produktion erkennen und nutzen", mahnte der IT-Manager. Österle ergänzte: "Innovation findet nicht nur in Produkten, sondern auch in Prozessen statt."

Manchmal findet Innovation sogar dort statt, wo sie niemand suchen würde. Der Homeshopping Sender "HSE 24" ist eher das Gegenteil von hip, cool und trendy. Das stört den Chief Executive Officer, Konrad Hilbers, wenig; er schätzt die 50jährige Hausfrau als zuverlässige und profitable Kundin. Hinter der biederen Oberfläche liegt eine anspruchsvolle und innovative IT-Architektur, die der COMPUTERWOCHE bereits einen Bericht wert war (siehe "Mehr zum Thema"). Trotzdem mag Hilbers nicht auf jeden neuen Technologiezug aufspringen: "Innovation ist nur sinnvoll, wenn sie dem Kunden nutzt."

Vom reaktiven zum kreativen Ansatz

Dass bisweilen weder ein nachgewiesener Kundennutzen noch ein tragfähiges Business-Modell ausreichen, um einer Innovation zum Erfolg zu helfen, musste Hilbers allerdings in seinem früheren Leben als Bertelsmann-Manager lernen: Seinerzeit integrierte er die Musikbörse "Napster" in den Medienkonzern; der geplante "Pay-per-Song"-Service scheiterte schließlich aber am erbitterten Widerstand der Musikindustrie.

Den zweiten Dialog bestritten Karl Pomschar, Senior Vice President und CIO bei der Infineon Technologies AG, sowie Österles Kollege Thomas Gutzwiller, Titelprofessor an der Universität St. Gallen und hauptberuflicher CEO der IMG. Sie hatten sich mit dem Thema "Die beschleunigte IT" beschäftigt - unter besonderer Berücksichtigung der Zusammenarbeit von Business und IT (siehe Kasten "Beschleunigte IT").

"Die IT weiß am besten, wie die Supply-Chain aussieht oder wie die Finanzsysteme miteinander verbunden sind. Aber sie bietet dem Unternehmen dieses Wissen nicht ausreichend an." Mit dieser These provozierte der Infineon-CIO die anwesenden Kollegen - und regte sie an, über eine neue Positionierung des CIO nachzudenken. Die Diskrepanz zwischen den wachsenden Ansprüchen der Nutzer und der Umsetzungsgeschwindigkeit der IT werde immer breiter. Trotzdem führe die Entwicklung der IT vom reaktiven über den agierenden zum kreativen Ansatz, also von der reinen Perfomance-Orientierung über die Effizienz hin zum Business Value.

Doch wie lässt sich dieser Weg konkret beschreiten? - Die Antwort der beiden Experten auf diese Frage lautete: Der CIO sollte das Geschäftsmodell proaktiv mitgestalten - und gleichzeitig die IT konsolidieren. Rigides Cost-Cutting hingegen sei der falsche Ansatz. Dazu Gutzwiller: "IT-Einsparungen generieren keinen Umsatz."