Infrastruktur-Offshoring: Osteuropa hat die Nase vorn

13.08.2007
Beim Verlagern von Infrastruktur-Aufgaben in Niedriglohnländer gilt nicht Indien, sondern Osteuropa als Offshore-Region Nummer eins.

Nicht nur die Anwendungsentwicklung, auch IT-Infrastrukturaufgaben werden zunehmend in Offshore-Regionen erbracht. Einer Umfrage von Datamonitor zufolge wollen 33 Prozent der Anwender entspechende Tätigkeiten in den nächsten zwei Jahren in Niedriglohnländer verlagern. Befragt wurden die CIOs und IT-Manager von 150 Unternehmen aus acht Branchen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den Benelux-Ländern sowie den USA. Drei Viertel der befragten Firmen erzielen einen Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Dollar, ein Drittel verfügt über ein IT-Budget von mehr als zehn Millionen Dollar.

Knapp drei Viertel der Offshore-willigen Unternehmen haben dabei Regionen in Osteuropa im Visier. Erst in weitem Abstand folgt Indien mit 38 Prozent, China und Lateinamerika kommen auf 15 beziehungsweise neun Prozent der Nennungen. Etwa 21 Prozent der IT-Entscheider, die über ein Infrastruktur-Offshoring nachdenken, wollen die Aktivitäten über mehrere Standorte hinweg verteilen, um die Risiken zu minimieren.

Bei der Frage, welche Infrastrukturservices der Offshore-Anbieter konkret erbringen soll, entfielen die meisten Nennungen auf die Bereiche Helpdesk und Netz-Management: Zwölf Prozent der Befragten erklärten, beide Funktionen auslagern zu wollen. Weitere Bereiche sind das Server- und das Desktop-Management (elf beziehungsweise zehn Prozent der Nennungen) sowie Rechenzentrumsservices (acht Prozent). Das sind relativ kleine Prozentsätze, doch das Offshoring von Infrastruktur-Bereichen ist den Datamonitor-Analysten zufolge auch noch ein unreifer Markt. Und selbst wenn nur zehn Prozent der Desktop-Management-Investitionen in Offshore-Aktivitäten flössen, entspräche dies Einnahmen von jährlich mehr als vier Milliarden Dollar auf der Anbieterseite, rechnen die Experten vor.

Beim Offshoring von Security-Aufgaben sind die Anwender zurückhaltender. Verbreitete Sicherheitstechniken wie Firewalls und Intrusion-Detections-Systeme sind zwar mittlerweile in vielen Infrastruktur-Offshoring-Verträgen enthalten. Zu weiter reichenden Auslagerungsentscheidungen lassen sich die Anwender aber meist nicht hinreißen.

Sicherheitsbedenken sind denn auch der Hauptgrund dafür, dass zwei Drittel der Unternehmen in naher Zukunft kein IT-Infrastruktur-Offshoring planen: 32 Prozent der Befragten gaben an, das Security-Thema halte sie vorrangig vom Verlagern in Niedriglohnländer ab. An zweiter Stelle stehen Bedenken hinsichtlich der Servicequalität. Obwohl alle größeren indischen IT-Dienstleister inzwischen über eine Itil- und SEI/CMM-Zertizifierung verfügen, bereiten die kulturellen und sprachlichen Unterschiede in solchen Regionen nach wie vor große Probleme.

Der drittwichtigste Grund für die Offshoring-Verweigerung der Anwender sind die Kosten. Einerseits gilt Kostensenkung nach wie vor als wichtigstes Motiv für das Auslagern ins Ausland. So glauben 47 Prozent der Befragten, durch ein Offshoring Einsparungen zwischen zehn und 20 Prozent gegenüber einem vergleichbaren Onshore-Projekt erzielen zu können. 41 Prozent rechnen sogar mit Einsparungen von 20 bis 40 Prozent. Andererseits stellen die steigenden Löhne vor allem in Indien und die Abwertung der Rupie die Kostenvorteile zunehmend in Frage. Auch die Management-Kosten beim Offshoring sind nicht zu unterschätzen.

Indien, traditionell stark im Offshore-Geschäft mit Anwendungsservices, versucht schon seit geraumer Zeit, im IT-Infrastruktur-Outsourcing Fuß zu fassen und konnten hier schon ein paar größere Deals gewinnen. Auch die vergangene Woche angekündigte Übernahme des US-amerikanischen Infrastruktur-Serviceanbieters Infocrossing durch Wipro geht in diese Richtung.

Die multinationalen IT-Dienstleister versuchen ebenfalls, ihre indischen Standorte für das Thema Infrastruktur-Management fit zu machen. Diese Player könnten davon profitieren, dass die Hälfte der Offhore-willigen Anwender die Zusammenarbeit mit einem westlichen IT-Dienstleister wünscht, der über umfangreiche Offshore-Kapazitäten verfügt. 35 Prozent geben IT-Ausgründungen großer Unternehmen in Offshore-Regionen den Vorzug, und nur zwölf Prozent wollen direkt mit einem im jeweiligen Land ansässigen Offshorer zusammenarbeiten. Vor diesem Hintergrund müssen sich die indischen Anbieter anstrengen, wenn sie im Geschäft mit Infrastruktur-Services genauso erfolgreich sein wollen wie im Anwendungsbereich. (sp)