Jedes Unternehmen erstellt, bearbeitet und speichert Informationen über seine Kunden, Produkte und Dienstleistungen. Neben solchen Bestandsdaten werden auch zunehmend Informationen über die Prozesse erfasst, welche Kunden, Produkte und Dienstleistungen miteinander verbinden. Dazu zählen beispielsweise Bestellungen und Produktnutzungsdaten.
Die Gesamtheit der Informationen zu überblicken gelingt jedoch heute kaum. Im alltäglichen Geschäft ergeben sich vielfach Reibungsverluste, wegen derer ein Unternehmen keinen Überblick mehr über alle vorhandenen Informationen hat. Zum Beispiel wenn Abteilung A nicht über die Interaktion eines Kunden mit Abteilung B informiert ist. Dieser Überblick ist aber entscheidend, um Geschäfte, Unternehmen und Geschäftsmodelle als Ganzes verstehen und bewerten zu können. Fehlt der Überblick über die vorhandenen Informationen, müssen sich Entscheidungen verstärkt auf Intuition oder abgeleitete Informationen stützen - Verkaufszahlen beispielsweise. Letztere beantworten zwar, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung mehr oder weniger häufig verkauft wurde, sagen aber nicht aus, warum. Sie sind daher nützlich, um getroffene Entscheidungen zu überprüfen, aber nur bedingt tauglich, um neue Entscheidungen zu treffen. Zum besseren Verständnis kann nur der Überblick über operative Information beitragen.
Etablierte Umgangsformen scheitern
Trotz des Potenzials eines überblickenden Information Managements sind die wenigsten Unternehmen heute in der Lage, ihre Informationen als Ganzes zu überblicken. Denn das ist keine einfache Aufgabe. Viele Unternehmen betreiben hunderte - größere Unternehmen oft tausende - von IT-Anwendungen. Informationen sind also in zahlreichen Datenbanken, Logfiles, oft auch in Tabellenkalkulationen zersplittert und dort isoliert. Nicht nur technologische, auch organisatorische Hürden - wie vielfältige Informationshoheiten oder die Kompetenzen der Mitarbeiter im Umgang mit Informationen - erschweren den Austausch und den Überblick.
Die im Unternehmen vorhandenen Informationen als Ganzes zu überblicken, bedeutet einen Paradigmenwechsel. Dieser stellt neue Anforderungen an Unternehmensorganisation und -kultur, die verwendete Methodik und Technologie sowie an die notwendigen Kompetenzen der Mitarbeiter als Informationsnutzer und an die IT-Entwicklung.
Einflussfaktoren Organisation und Kultur
Im alltäglichen Geschäft ergeben sich Reibungsverluste, wenn Informationen über Abteilungsgrenzen hinweg angefordert und übermittelt werden. Sie haben meist drei Ursachen:
Compliance: Rechtliche Anforderungen können die Einsicht über Abteilungsgrenzen hinweg verwehren, beispielsweise bei der Trennung von Lebensversicherungs- und Krankenversicherungsinformationen innerhalb einer Versicherung.
Wertschätzung: Die Mitarbeiter einer Abteilung sind verantwortlich für die Qualität der Informationen, die sie verwalten. Sie investieren in ihrer täglichen Arbeit in die Qualität und Verfügbarkeit von Information und profitieren davon. Information ist ein Gut, welches verteidigt und gewürdigt werden will. So kann es sein, dass Abteilungen oder Mitarbeiter ihre Informationen nur ungern mit anderen Abteilungen oder Mitarbeitern teilen ("Wieso soll Abteilung X von unseren Investitionen in die Information profitieren, ohne dass dafür ein Nutzen für uns entsteht?"). Die Management-Herausforderung dahinter: Belohnung für Beiträge zum Information Management, wie die Pflege und Bereitstellung von Information.
Querschnittlichkeit: Einen Informationsüberblick zu schaffen, ist eine querschnittliche Aufgabe, die typischerweise in der primären Unternehmensorganisation nicht erfasst ist. Dadurch stellen sich weitere Fragen nach Kompetenzen (Rechten) im Unternehmen und nach Möglichkeiten der Unterstützung für Querschnittsfunktionen.
Sowohl der Austausch als auch der Zugriff auf Informationen müssen gefördert und belohnt werden. Stakeholder für Informationsqualität und Zugänglichkeit von Information sind zu identifizieren und zu etablieren. Informationsarbeit muss als Wert für das Unternehmen nicht nur anerkannt werden, sondern sich in der Arbeitsauffassung und Selbstwahrnehmung der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter wiederfinden.
Einflussfaktoren Methodik und Technologie
Die Methodik für die Sammlung und Bündelung von Informationen ist oft stark durch die eingesetzte Technologie bestimmt. In der Regel werden Informationen in relationalen Datenbanksystemen gespeichert. Unabhängig von Hersteller und Lizenzmodell implementieren diese Datenbanken prinzipiell dieselbe Umgangsform, die sich wie folgt skizzieren lässt:
Daten modellieren (in der Form von Relationen, Konsistenz- und Integritätsbedingungen)
Daten erfassen, beispielsweise eingeben oder importieren (laden)
Daten anfragen (per standardisierter Anfragesprache wie SQL)
Diese Umgangsform und die dazu entwickelte Technologie sind insbesondere geeignet, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Sämtliche Daten sind vollständig bekannt und können daher vorab detailliert beschrieben werden.
Veränderungen des hintergründigen Geschäftsprozesses sind selten, so dass aufwendige Neumodellierungen selten erforderlich sind.
Das Datenvolumen ist gut abschätzbar, so dass die benötigten Kapazitäten für die Informationsverarbeitung einmalig eingekauft werden können.
Bezüglich eines überblickenden Information Management gelangt diese Verfahrensweise jedoch an ihre Grenzen. Sie sorgt häufig dafür, dass viele Unternehmen ihre Information-Management-Ziele nicht erreichen. Sie ist teilweise auch ein Grund für Zielverfehlungen von Data-Warehouse- und Business-Intelligence-Projekten, die typischerweise auf der gleichen technologischen Basis aufsetzen.
Stellen wir diese Umgangsform einem unternehmensweiten Information Management gegenüber, sehen wir einen offensichtlichen Widerspruch.
Einflussfaktor Kompetenz
Um alle vorliegenden Informationen im Unternehmen zu verwerten, braucht es auch neue Kompetenzen im Umgang. Nicht ohne Grund gibt es Schulungen dazu, wie Suchmaschinen am besten zu verwenden sind. Schließlich lehrt uns das Internet den Umgang mit unvollständiger, fehlerhafter und massenhafter Information. Diese Kompetenz ist auch unbedingt notwendig, da Unternehmensinformationen ganzheitlich betrachtet einen hohen Grad an Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit in sich bergen.
Nicht nur die Nutzung der Information, auch die technologische Unterstützung eines überblickenden Information Management fordert andere IT-Kompetenzen als beispielweise die Entwicklung von Bestandsführungssystemen. Das nötige Know-how ist aber heute typischerweise nicht Teil des Standard-Curriculums einer IT-Ausbildung.
Die Gestaltung von IT-Anwendungen, sodass sie für das Suchen und Stöbern in der gesamten Informationsvielfalt ausgelegt sind, ist eine weitere Herausforderung. Die Anwendungen sollten so transparent sein, dass die Anwender die gefundenen Informationen persönlich einschätzen können: Welcher IT-Anwendung entstammt die Information? Welche Organisationseinheit hat die Informationshoheit? Wie aktuell respektive gültig ist die Information?
Eine neue und alltägliche Umgangsform?
Eine neue Umgangsform für Informationen geht auch mit neuen Anforderungen an die verwendete Informationstechnologie einher, insbesondere an die Datenbanktechnologie. Um ein stabiles Information Management einrichten zu können, wäre ein dreistufiges Vorgehen denkbar:
Information sammeln - ohne hohen Vorabmodellierungsaufwand - trotz fehlerhafter, fehlender und variierender Informationen und unterschiedlicher Strukturierung dieser.
Information verwalten und analysieren um aus den gesammelten Informationen zu lernen - kontinuierlich.
Information bereitstellen, beispielsweise in der Form grafischer Darstellungen, aber auch mittels einfach zu nutzender, generischer Explorationswerkzeuge. Diese müssen robust gegenüber Veränderungen der Information sein (beispielsweise bei neuen Attributen, variierenden Repräsentationen).
Anwender müssen alle drei Schritte gehen können - auch bei Fehlerhaftigkeit, fehlender oder unterschiedlicher Information. Obwohl diese Umgangsform im Unternehmenskontext noch neu ist, kennen wir sie aus der täglichen Verwendung von Internetsuchmaschinen.
Um die aufgeführten Eigenschaften erfüllen zu können, müssen die eigensetzten Datenbanktechnologien insbesondere zwei Eigenschaften aufweisen:
Flexibilität, damit die Sammlung von Informationen trotz Unterschiedlichkeit, fehlender oder variierender Detailinformationen (Attribute) nicht den Information-Management-Prozess stoppt und insbesondere Vorabmodellierung nicht den Prozess langfristig verzögert.
Horizontale Skalierbarkeit, um auf wachsende Informationsmengen oder wechselnde Performance-Anforderungen reagieren zu können.
Solche Technologien finden sich aktuell im Bereich der Big-Data-Technologien - insbesondere die sogenannten "Not only SQL-Lösungen" (NoSQL) bieten hier neue Umgangsformen an. Auch bei den etablierten Datenbanken zeichnet sich ein Trend in Richtung Flexibilität und horizontale Skalierbarkeit ab - das Stichwort hier lautet "New SQL".
Fazit
Ohne Überblick wird es schwierig, geschäftliche Entscheidungen zu treffen - denn auf welchen Fakten (Daten) sollen sie basieren, wollen wir uns nicht auf das Bauchgefühl alleine verlassen? Übersicht bedeutet, Daten aus mehreren Quellen einfach anfragen und überblicken (beispielsweise durchstöbern) zu können.
Überblickendendes, unternehmensweites Information Management geht weit über die Verwaltung von Bestandsdaten hinaus. Es bedarf einer zusätzlichen, unsicherheitsbehafteten, aber auch gesamten Sicht, um einen Überblick über sämtliche Informationen zu erlangen. Erst dann werden ein tieferes Geschäftsverständnis und Effizienzgewinne möglich.
Wer den neuen Weg gehen möchte, sollte mit kleinen überschaubaren Projekten starten. Es ist am Management, die Voraussetzungen für ein gelungenes Information Management zu schaffen. Schließlich betrifft es das gesamte Unternehmen. (sh)
Die wichtigsten Eckpfeiler für die Umsetzung des Ansatzes sind abschließend noch einmal übersichtlich skizziert: