Informatiker sind vom Aussterben bedroht

28.11.2006
Die Zahl der Informatik-Studienanfänger ist laut Branchenverband Bitkom in diesem Jahr wieder um fünf bis zehn Prozent auf nur noch 27.000 gesunken.

Eine Umfrage des Bitkom beim Fakultätentag und beim Fachbereichstag Informatik ergab ein besorgniserregendes Bild: Nur noch rund 27.000 Studenten haben zum laufenden Semester ein Informatik-Studium aufgenommen. Bei der bislang üblichen Abbrecherquote von 50 Prozent verlassen in wenigen Jahren weniger als 14.000 Informatiker die Hochschulen. Den Bedarf schätzt der Verband aber auf rund 20.000 Abgänger pro Jahr. Erst vor gut einem Monat hatte der Bitkom darauf hingewiesen, dass sich 43 Prozent der Unternehmen wegen IT-Fachkräftemangels in ihrer Geschäftstätigkeit eingeschränkt sähen.

Informatiker haben offenbar die Entlassungswelle nach der Boomphase im Jahr 2000 nicht vergessen.

Seit dem Boomjahr 2000 ist die Zahl der Studienanfänger in der Informatik insgesamt um rund 30 Prozent eingebrochen. "Die Wirtschaft sucht händeringend nach gut ausgebildeten Informatikerinnen und Informatikern", sagt Bitkom-Präsident Willi Berchtold. "Diese Botschaft ist bei den Schulabgängern offenbar noch nicht angekommen."

Einen Grund für die niedrigen Anfängerzahlen sieht der Branchenverband im geringen Anteil an Frauen, die Informatik studieren wollen. Im vergangenen Jahr lag der Frauenanteil unter den Studienanfängern bei 17 Prozent - mit sinkender Tendenz. Zum Vergleich: Länder wie Frankreich, Spanien oder Italien kommen auf einen Frauenanteil von über 30 Prozent (siehe auch: Das ungenutzte Potenzial der Frauen).

"Junge Männer und Frauen haben beste Kar-rierechancen, wenn sie sich für ein Informatikstudium entscheiden", behauptet Berchtold. Um mehr junge Menschen für den Studiengang zu begeistern, müsse dieser attraktiver gemacht werden. "Ein modernes Informatikstudium bietet viel Praxisbezug, eine intensive Förderung persönlicher Kompetenzen und eine gute Betreuung, die zu kürzeren Studienzeiten führt", so der Verbandssprecher. Die im Juli gestellte Forderung nach einer "aktiv gemanagten Zuwanderung gut ausgebilderter, junger Menschen" wiederholte der Bitkom indes nicht.

Der Umfrage zufolge betrifft der Rückgang der Anfängerzahlen vor allem die Informatik-fakultäten der Universitäten, weniger die der Fachhochschulen. Rund die Hälfte der Nachwuchsinformatiker studiert inzwischen an Fachhochschulen.

Der Fachkräftemangel ist aus Sicht des Bitkom schon heute ein erhebliches Wachstumshemmnis sowohl für die ITK-Wirtschaft als auch für viele Anwenderbranchen. "In der Fahrzeugindustrie, im Maschinenbau oder der Medizintechnik kommt ein Großteil der Innovationen aus der Informations- und Kommunikationstechnologie", sagt Berchtold. "Künftig fehlen uns die Spezialisten, die neue Produkte und Dienste entwickeln." Das Thema Fachkräftemangel sollte daher bei der Umsetzung der "Hightech-Strategie" der Bundesregierung mit im Zentrum stehen und beim IT-Gipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. Dezember in Berlin thematisiert werden. (hv)