IT-Know-how allein genügt nicht

Informatiker im Vertrieb - das klappt selten

03.01.2011 von Bernhard Kuntz
Nur wenige Techniker kommunizieren so einfühlsam, wie es gute Verkäufer brauchen.
Foto: morinoshin/Fotolia.com

Unsere Vertriebler müssen die Geschäftsprozesse der Kunden verstehen", sagt Christian Schneider. "Ohne dieses Know-how können sie keine passgenauen Lösungen entwerfen." Ähnlich wie der Geschäftsführer der Schneider & Wulf EDV-Beratung, Babenhausen, äußern sich viele Manager von IT-Unternehmen, wenn es um die Frage nach den Skills der Vertriebsmitarbeiter geht, unabhängig davon, ob es sich um mittelständische Systemhäuser oder Konzerne handelt.

Christian Herlan, Dr. Kraus & Partner: "Informatiker denken kaum darüber nach, wie es beim Kunden weitergeht und wie man ihm zusätzlichen Nutzen bietet."

Die Führungskräfte betonen übereinstimmend: IT-Know-how allein genügt nicht. Den simplen Grund erläutert Christian Herlan, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner aus Bruchsal: "Kein Vorstand entscheidet aus dem Bauch heraus, ein neues IT-System einzuführen. Wenn das Management in neue IT investiert, dann verfolgt es damit konkrete Ziele." Zum Beispiel, dass die Arbeitsprozesse anschließend fehlerfrei ablaufen, die Kunden besser betreut werden oder die Durchlaufzeiten sinken. Verkäufer müssen den Entscheidern das Gefühl vermitteln: "Mit unserer Hilfe erreichen Sie Ihr Ziel."

Wenn der Chef sich um den Vertrieb kümmert

Genau das gelingt IT-Profis anscheinend nicht immer. Deshalb arbeiten in den Vertriebsbereichen der IT-Unternehmen deutlich mehr Betriebswirte und Kaufleute als Informatiker. "Zumindest wenn es um das Türöffnen und Interessewecken geht, setzen die meisten Firmen eher auf Betriebswirte", betont Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte beim Branchenverband Bitkom in Berlin. Und in Klein- und Mittelbetrieben? Dort nehmen oft, wie bei der 28 Mitarbeiter starken Schneider & Wulf EDV-Beratung, die Geschäftsführer selbst die Vertriebsaufgaben wahr. Anders sieht es aus, wenn ein Kunde sich bereits für einen Kauf entschieden hat oder kurz davor steht. Dann werden oft Techniker und Informatiker hinzugezogen. Gemeinsam mit den Experten beim Kunden sollen sie definieren, welche technischen Anforderungen die IT-Lösung erfüllen oder wie das IT-System konzipiert sein muss, damit es in die bestehende IT-Landschaft passt.

Oliver Grün, BITMi: "Kommunikative Typen entscheiden sich nicht für ein Informatikstudium. Das Bild vom Informatiker prägt immer noch der Nerd."
Foto: Grün Oliver, Bundesverband IT-Mittelstand

Dass viele Unternehmen im Vertrieb primär auf Nicht-ITler oder bestenfalls Wirtschaftsinformatiker setzen, hat viele Gründe. Eine Ursache nennt Oliver Grün, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi) und Vorstand der Grün Software AG, Aachen: "Das Informatikerbild in der Öffentlichkeit ist noch stark vom Nerd geprägt - also vom blässlichen Sonderling, der tagein, tagaus am PC sitzt, über irgendwelchen technischen Problemen grübelt und sich mit seiner Umwelt, wenn überhaupt, per Computer austauscht." Deshalb entschieden sich kommunikative Typen in der Vergangenheit meist für andere Studiengänge. Der Öffentlichkeit sei zudem noch nicht bewusst, dass es sich bei der Informatik weitgehend um eine Ingenieurdisziplin handle, beklagt Grün. "Nur langsam" begriffen Arbeitgeber, was Absolventen von Studiengängen wie Software Engineering leisten können.

Stehaufmännchen gesucht

Auch wegen der in der Vergangenheit häufig einseitigen Ausrichtung der Informatikstudiengänge auf die Programmiertätigkeit fehlen vielen IT-Experten Fähigkeiten, die Vertriebler brauchen. Dazu zählt nicht nur die Kenntnis der Geschäftsprozesse in Unternehmen. "Dieses Know-how hat sich mancher Computerfachmann, der heute zum Beispiel als Projekt-Manager an der Schnittstelle zwischen dem IT-Bereich und den Fachabteilungen arbeitet, im Verlauf seines Berufslebens angeeignet", betont Rosemarie Clarner, Senior Vice President Global Human Resources bei der Software AG, Darmstadt. "Dasselbe gilt für ein gewisses betriebswirtschaftliches Know-how."

Elisabeth Heinemann, Informatikprofessorin: "Vertriebler brauchen einen langen Atem und müssen Niederlagen gut wegstecken können."
Foto: Heinemann Elisabeth

Das genüge aber nicht, um im Vertrieb erfolgreich zu sein. "Ein technisches Fachgespräch unter Kollegen ist etwas anderes als ein Verkaufsgespräch", erklärt Bitkom-Mann Pfisterer. Unternehmensberater Herlan ergänzt: "Um ein Vertriebsprojekt zum Erfolg zu führen, braucht man andere Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale, als um ein firmeninternes Projekt erfolgreich zu gestalten." Welche Skills das sind, beschreibt Elisabeth Heinemann, die am Fachbereich Informatik der Fachhochschule Worms einen Lehrstuhl für Schlüsselqualifikationen innehat. Laut der Diplominformatikerin, die für ITler gerade den Karriereratgeber "Jenseits der Programmierung" herausgebracht hat, muss ein Vertriebsmitarbeiter zum Beispiel Niederlagen gut wegstecken können. Er müsse eine Art Stehaufmännchen sein. Nicht umsonst laute ein alter Spruch im Vertrieb: "Ein guter Verkäufer ist, wer durch die Vordertür rausgeschmissen wurde und durch die Hintertür wieder hereinkommt." Dahinter stehe die Erkenntnis: Gerade wer im Projektverkauf tätig ist, und hierzu zählt der Verkauf von IT-Lösungen meist, braucht einen langen Atem. Der Kunde hat in der Regel bereits technische Partner und benötigt deshalb auf den ersten Blick keine anderen Angebote. Ändert sich jedoch etwas an seinem Bedarf, dann gilt es für den Vertriebler, Präsenz zu zeigen.

Gespür für Konstellationen

Das ist oft nicht einfach. Denn für den Verkauf von Industriegütern und -dienstleistungen gilt: Die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden sind vielfältig. Zuweilen widersprechen sich die Interessen der Personen, die dem Buying Center angehören, also an der Kaufentscheidung beteiligt sind. Entsprechend feine Antennen benötigt ein Vertriebler. Peter Schreiber, Inhaber einer Vertriebsberatung in Ihlsfeld, empfiehlt, sich folgende Fragen zu stellen: Was ist dem Kunden wichtig? Was sind seine Kaufentscheidungskriterien? Wie laufen die Entscheidungsprozesse bei ihm ab? Wer hat was zu sagen? Entsprechend flexibel muss ein Vertriebler in seinem Denken und Verhalten sein. Auch eine (gesprächs-)taktische Schulung ist empfehlenswert.

Jungen Informatikern, die sich als Entwickler wohlfühlen, empfiehlt Pfisterer darum keine Karriere im Vertrieb, selbst wenn dort, die variablen Vergütungsanteile mitgerechnet, oft eine bessere Bezahlung locke. Eher sollten sie darauf hinarbeiten, eine Teamleiter- oder Projekt-Management-Funktion zu übernehmen. "Die meisten Informatiker betrachten es primär als ihren Job, ein bereits definiertes Problem logisch zu lösen", so Herlan. Sie denken kaum dar- über nach, wie es beim Kunden weitergeht oder wie man ihm zusätzlichen Nutzen bieten kann, um Anschlussaufträge an Land zu ziehen.

Auch weil es an qualifizierten Informatikern fehlt, werden die meisten IT-Unternehmen in den kommenden Jahren ihre IT-Profis kaum zu Vertriebskräften entwickeln. Vor allem die kleineren Anbieter, die anders als Branchengrößen wie Software AG oder SAP nicht jeder Hochschulabsolvent kennt, sind oft froh, wenn sie genug Mitarbeiter mit dem benötigten IT-Wissen finden.

So geht Verkaufen

Eines der besten Bücher für Verkäufer und solche, die es werden wollen, ist Werner Katzengrubers "Die neuen Verkäufer". Mittlerweile in vierter Auflage erschienen, bringt es das aktuelle Wissen auf den Punkt - und zwar immer aus der Sicht des Verkäufers. Katzengruber beschreibt, wie sich die Kunden und die Anforderungen der Kunden in den letzten Jahren verändert haben. Er zeigt, worauf Verkäufer sich heute einstellen müssen - auf gesättigte Märkte und knallharten Wettbewerb nämlich. Und er geht auf den Wandel der Position des Verkäufers ein, der zum "Beziehungsexperten" mutiere. Das Buch steckt voller Praxiserfahrung, die Ansprache ist direkt und ungekünstelt. Katzengruber ist keiner, der das Blaue vom Himmel verspricht, aber auch keiner, der die Ziele so hoch steckt, dass sie sich niemand mehr zutraut.

"Die neuen Verkäufer" unterscheidet sich von anderen Büchern zum Thema durch die vielen unterschiedlichen Perspektiven, die Katzengruber beleuchtet. Und es besticht besonders durch die im siebten Kapitel dargestellten Verhandlungsstrategien. Einfache Schritt-für-Schritt-Anleitungen, die sofort ausprobiert und in die Praxis umgesetzt werden können. Und als Bonbon liegt dem Buch ein guter Auszug des gleichnamigen Hörbuches bei. Perfekt, um sich auf dem Weg zum Kunden in Form zu bringen. Das Buch eignet sich für Profis, weil sie hier ihr Wissen auffrischen und Neues dazulernen können. Und für Einsteiger, weil sie dadurch mit dem Erfahrungsschatz eines Profis an den Start gehen.

Wolfgang Hanfstein, www.Managementbuch.de