Technologie in der Mode

In Zukunft retten T-Shirts Leben

05.11.2010
T-Shirts melden Herzprobleme, Jacken stoppen Fischerboote, Rucksäcke erzeugen Strom: Sensoren, Chips und Bluetooth gehören bald zu Kleidungsstücken wie Knöpfe und Reißverschlüsse.
Technologie in der Mode

Das Display hinter der Scheibe erinnert an das Cockpit eines Düsenjägers: Ein Viertelkreis zeigt in den Farben grün bis rot die aktuelle Geschwindigkeit an, daneben steht die Außentemperatur, die Höhenmeter und die heute zurückgelegte Strecke. Wenn der Pilot einen Knopf drückt, erscheinen Kompass oder Tagesstatistiken wie Höchst- oder Durchschnittsgeschwindigkeit. Dabei sitzt der Pilot weder in einem Auto noch in einem Flugzeug. Er steht auf einem Snowboard oder Skiern. Denn der Bildschirm steckt in seiner Skibrille.

Wearable Technologies (WT) ist der Fachbegriff für die Liaison von Kleidungsstücken und Technik. Eine Liaison, die im Jahr 2000 beginnt – mit eingenähten Handy-Fernbedienungen am Jackenunterarm. In den Jahren danach folgen Solaranlagen auf Rucksackrücken, die das Handy aufladen, beheizte Neoprenanzüge für Südpol-Wellenreiter oder Helme mit integrierten Kameras und SD-Karten-Slot.

Trend: Wearable Technologies „in heißer Phase“

Interessante Anwendungen – für kleine Zielgruppen. Denn bislang fristet Technik-Mode ein Nischendasein unter Sportlern, Reichen und Abenteurern. Für die nahe Zukunft aber erwarten Textilproduzenten und Chiphersteller einen Boom in der breiten Öffentlichkeit. Grund: Nach Jahren aufwändiger Produktion und komplizierten technischen Lösungen „sind wir aufgrund der Miniaturisierung und des geringen Stromverbrauchs der Sensoren in einer heißen Phase“, wie Marktexperte Christian Stammel den Trend formuliert. Er ist Geschäftsführer der Navispace AG, die seit 2006 die Plattform für Wearable Technologies auf der Sportmesse ispo organisiert.

Es herrscht also Aufbruchstimmung. Denn Sensoren und Chips sind so klein und ökonomisch, dass sie unter anderem unauffällig in eine Skibrille passen. Ein Standard, den Experten für baldige Massenverbreitung identifizieren ist „Bluetooth Low Energy“, eine Drahtlostechnologie, die dank Sleepingfunktion mit einer einzigen Ionen-Knopfzellenbatterie über ein Jahr lang Daten an das Mobiltelefon des Nutzers sendet. „In zwei Jahren besitzt jedes Handy Bluetooth Low Energy. Dann explodieren die Anwendungsmöglichkeiten“, sagt Stammel.

Überwachendes Shirt, rettende Jacke, mitdenkende Ski

Hightech-Kleidung

Denkbare Anwendung: die Überwachung von Vitalzeichen dank eines Netzwerks, das den Körper umspannt – ein Body Area Network. Kleinste Sensoren in T-Shirts, Hosen, Anzügen kontrollieren Herzfrequenz, Körpertemperatur, Lungenkapazität oder Blutdruck – und schicken diese Daten via Smartphone und mobiles Internet bei Bedarf zum Arzt. Oder im Notfall direkt zum Rettungsdienst, dann inklusive Geodaten und erster Diagnose.

Weiteres Beispiel im Arbeitsschutz: Ein norwegisches Forschungsteam arbeitet derzeit an einer intelligenten Jacke für Fischer. Das Kleidungsstück merkt, wenn der Träger über Bord gegangen ist – und schickt ein Signal an das Boot, sofort die Motoren zu stoppen. Zudem pumpt sich die Jacke zur Schwimmweste auf und aktiviert ein Licht- und Funksignal. So finden Rettungskräfte den Mann auch dann, wenn er bewusstlos im Wasser treibt.

Und natürlich im Sport und Lifestyle, dem Urmarkt der Wearable Technologies. Ein Zukunftstrend sind hier adaptive Materialien, die zum Beispiel durch Strom ihre Form verändern. Schon heute gibt es Hersteller, die intelligente Sportprodukte anbieten – wie den Tennisschläger oder das Paar Ski, die durch Schwingung Energie erzeugen. Und diesen Strom umgehend einsetzen, um die Schwingung zu absorbieren. Folge: Tennisspieler schlagen stabiler, Skifahrer gleiten sicherer.

Und in ferner Zukunft? Christian Stammels Vision: In jedem Kleidungsstück ist dann ein RFID-Chip eingenäht. „Schmeiße ich dann meine Jeans in die Waschmaschine – und wähle das falsche Programm, warnt mich die Hose.“ Und passt das Programm selbst an.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation PC-Welt.