In zehn Schritten zur erfolgreichen Virtualisierung

05.07.2007
Die Heilsversprechen der Virtualisierung sind gewaltig, doch ohne eigene Leistung wird ein solches Projekt nicht zum Erfolg führen. Vorab müssen IT-Verantwortliche einige entscheidende Punkte klären.

Mit weniger Einsatz mehr erreichen, das Optimum aus den Systemen herausholen, brachliegende Ressourcen nutzen – Virtualisierung verspricht viel. Doch leider haben bekanntlich die Götter von den Lohn den Schweiß gesetzt. Die US-Beratung Enterprise Management Associates (EMA) hat eine Liste mit zehn Fragen zusammengestellt, die sich IT-Verantwortliche vor einem Virtualisierungsprojekt stellen müssen, denn: "Virtualisierung darf nicht über das Knie gebrochen werden", warnt EMA-Analyst Andi Mann. Seiner Einschätzung nach sollten Unternehmen das Vorhaben nicht als isoliertes Projekt, sondern vielmehr als Strategie begreifen. Nur wer den langfristigen Nutzen suche, könne auch langfristig Vorteile erlangen.

Vor einem unternehmensweiten Vorhaben zur Virtualisierung empfiehlt der EMA-Analyst die Beantwortung folgender zehn Fragen:

1. Verfügen Sie über die nötigen Fähigkeiten, um die Virtualisierung zu leisten?

Die adäquaten Skills im Team bilden im Regelfall die größte Herausforderung für die erfolgreiche Einführung der Virtualisierung, so Mann. Nach seinen Untersuchungen gehen drei Viertel der Unternehmen, die noch nicht virtualisiert haben, davon aus, dass ihnen die für den Einsatz der Technologie benötigten Kompetenzen fehlen. Die Beratung empfiehlt dringend, vor dem Projektstart mit dem Training der Mitarbeiter zu beginnen, die Anforderungen festzulegen, absehbare Veränderungen zu dokumentieren und mit begrenzten Pilotversuchen zu starten.

2. Sind Sie bereit, die "politischen" Folgen der Virtualisierung zu verkraften?

Auch der zweite Punkt betrifft den menschlichen Faktor. Wenn eine IT-Abteilung bislang ihr Dasein im technischen Silo gefristet hat, könnte sich dies bei der Virtualisierung als Hemmschuh erweisen, wenn es darum geht, die allgemeine Akzeptanz der "betroffenen" Fachabteilungen zu erlangen. Sollten sich gewisse Interessengruppen im Unternehmen weigern, ihre Server mit anderen zu teilen, bleiben der IT nur zwei Möglichkeiten, um das Eis zu brechen: Entweder müssen die Widerständler von der verbesserten Performance durch die Virtualisierung überzeugt werden, oder ihnen muss die Angst genommen werden, dass ihnen die Teilung von Ressourcen Nachteile verschafft.

3. Kennen und akzeptieren Sie die Risiken?

Durch die Virtualisierung sinkt im Idealfall der Verbrauch physikalischer Ressourcen für den Betrieb verschiedener Systeme und Anwendungen. Gleichzeitig werden mehr Nutzer und Applikationen auf weniger virtuelle Umgebungen konzentriert, die zudem komplexer in der Verwaltung sind. Der Ausfall von Hardware, menschliche Fehler, Sicherheitslücken, Planungsprobleme und Supportfragen erhalten dadurch ein größeres Gewicht. Die EMA warnt vor einer Virtualisierung, ohne dass zuvor detaillierte Pläne für Business Continuity und Disaster Recovery entwickelt wurden – und zwar für alle Phasen des Projekts.

4. Wie robust sind Ihre Sicherheitssysteme?

Durch die Virtualisierung öffnen sich neue Sicherheitslücken, die Systeme werden anfälliger für andersartige Malware, und nur die wenigsten Unternehmen sind in der Lage, die Schwachstellen zu schützen. Dies liegt auch daran, dass sich die aktuelle Technologie schwer tut, mit den neuen Bedrohungen umzugehen. Hypervisor-Infektionen, Rootkit-Viren und bösartige virtuelle Maschinen "können an den heutigen Tools praktisch unerkannt vorbeischlüpfen", berichtet EMA-Analyst Mann. IT-Verantwortliche müssen virtuelle Maschinen genau so wie physikalische Rechner schützen und zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um die virtuellen Umgebungen abzuriegeln.

5. Haben Sie kompatible Systeme und Applikationen?

Einige Anwendungen und Systeme harmonieren nicht reibungslos mit der Virtualisierung. Die Berater nennen hierfür beispielsweise Anwendungen mit einer großen Effizienz im Einsatz, gravierenden Spitzen in den Anforderungen oder einer anhaltend hohen Auslastung. Auch Applikationen, die direkt mit der Hardware interagieren, können ein Virtualisierungsvorhaben stoppen.

6. Beherrschen Sie die Kapazitätsplanung?

Der Wildwuchs virtueller Server ist ein bekanntes Phänomen, wobei häufig die vorhandene Kapazität durch die Einführung der Virtualisierung übertroffen wird. Die Berater empfehlen, dass IT-Abteilungen eine detaillierte Kapazitätsplanung unternehmen, damit Hardware- und Software-Ressourcen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, kann die Virtualisierung schnell außer Kontrolle geraten.

7. Lassen sich Ihre Installationen virtualisieren?

Viele populäre Applikationen aus der Box unterstützen die Virtualisierung, aber es gibt auch diverse Anwendungen, die sich der Technologie verweigern. IT-Abteilungen müssen im Vorfeld klären, welche Programme und Hardware-Plattformen funktionieren und welche Systeme vor einem Rollout aufgerüstet werden müssen.

8. Unterstützt ihr Netz die Virtualisierung?

Netze und Speicher sind potenzielle Flaschenhälse für die Virtualisierung im Rechenzentrum. So funktionieren Virtualisierungstechnologien, die auf den Nutzer ausgerichtet sind (Anwendungs- und Desktop-Virtualisierung beziehungsweise Application Streaming), in Netzen mit einer geringen Transferrate nicht zufriedenstellend. IT-Verantwortliche sollten Beschränkungen in Netzen und Speichern mit Technologien zur WAN-Optimierung behandeln oder die starke Vermehrung von Images unterbinden.

9. Können Ihre Management-Systeme in virtuellen Umgebungen existieren?

Auch wenn Virtualisierung die physikalischen Ressourcen verringert und zumindest deren Verwaltung erleichtert, steigt dabei die Gesamtkomplexität an, was für IT-Verantwortliche neue Management-Probleme aufwerfen kann. Da die rein technische Einführung der Virtualisierung relativ leicht von der Hand geht, kommt es häufig zum Wildwuchs virtueller Maschinen, was wiederum deren Verwaltung gravierend erschwert. Ein weiterer Grund für die Mehrarbeit der IT-Manager ist die zusätzlich eingezogene Softwareschicht und die damit "hinzugewonnene" Komplexität. Bis die Management-Tools sattelfest mit den neuen Herausforderungen umgehen könnten, so die Berater, liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Einrichtung starker Prozesse etwa für Performance-, Konfigurations-, Patch- und Service-Level-Management sowie für Beschaffung und Disaster Recovery.

10. Hilft die Virtualisierung, um geschäftliche Ziele zu erreichen?

Laut EMA ist die Abstimmung der technischen Implementierung mit den geschäftlichen Zielen der Faktor, der bei einem Virtualisierungsvorhaben am häufigsten übersehen wird. Um den Erfolg eines Virtualisierungsprojekts abschätzen zu können, müssen IT-Organisationen im Vorfeld erst einmal definieren, was sie mit dem Vorhaben überhaupt erreichen wollen. Die Berater empfehlen, dass IT-Verantwortliche ein derartiges Vorhaben anhand langfristiger, strategischer Resultate ausrichten und nicht als schnelle Lösung für ein akutes Problem betrachten. Beispielsweise würden sich viele Unternehmen von der Virtualisierung sinkende Kosten erwarten, so EMA. Dieses Ergebnis sei aber längst nicht der Regelfall. So werde der einmalige Spareffekt der Server-Konsolidierung oft durch beträchtlich steigende Kosten für Software wieder egalisiert. (ajf)