Testoterm riskierte CIM gleich am DV-Anfang:

In drei Jahren von Null auf weitgehende Integration

05.06.1987

LENZKIRCH (CW)-CIM Ist für viele Unternehmen eine traumhafte Vorstellung, die Realisation aber oft traumatisch. Was jedoch ein versierter Anwender und geeignete Partner im Hardware- und Softwarebereich erreichen können, wenn sie sich vorab klare Richtlinien erarbeiten, zeigt das mittelständische Unternehmen Testoterm, Lenzkirch im Schwarzwald. Hier werden von über 200 Mitarbeitern elektronische Meßgeräte für physikalische und chemische Werte entwickelt und in Serie hergestellt.

Begonnen hatte alles vor drei Jahren. Die junge Führungsgruppe beschloß, den gesamten Betrieb auf EDV umzustellen. Von Anfang an entschloß man sich für eine Integrationslösung. Dies war Neuland. Um einen reibungslosen Ablauf der Installation und eine einwandfreie Organisation der Datenstruktur zu gewähren, wurde mit Hilfe eines Beratungsinstituts ein genaues Pflichtenheft erstellt. Die eineinhalb Jahre Arbeit an dieser strategischen Konzeption haben der Firma einen sukzessiven Aufbau der EDV-Organisation ermöglicht, der "ohne unlösbare Schwierigkeiten verlief", wie Rainer Bürkle, Controller bei Testoterm, versichert.

"Dieses Pflichtenheft ist ein vorbildliches Instrument. Wir haben die Mitarbeiter bei der Erstellung sofort miteinbezogen. Jeder Abteilungsleiter weiß heute genau, was in seinem Bereich EDV-mäßig läuft. Er hat die Datenstruktur mitgestaltet und ist für die Softwarerealisierung verantwortlich. Eine eigene EDV-Abteilung erübrigt sich durch dieses Modell. Punkt für Punkt verfolgt er mit diesem Heft die Installation und Inbetriebnahme der Datenerfassung und Datenverarbeitung. Wir haben heute alle Bereiche im Hause auf EDV umgestellt. Von der Fertigungsplanung bis zur Finanzbuchhaltung, von der Verkaufsabwicklung bis zur Personalverwaltung spannt sich der Bogen. Den Schlußstein in der EDV-Einrichtung setzt die Zeiterfassung im Personalsektor und in der Betriebsdatenerfassung. "

Nachdem das Pflichtenheft erstellt war, hat man sich auf dem Markt umgesehen und geprüft, was es an Standardsoftware gibt. Das Hauptkriterium war die Fertigungsplanung und -steuerung. Nach einer ersten Auswahl bekamen fünf Anbieter das komplette Pflichtenheft zur Bearbeitung. Die Realisierungsmöglichkeiten auf dieser Basis ließen eine Entscheidung für die Software "Kifos" treffen. Die Hardwarefrage war damit ebenfalls zugunsten des Kienzle-Rechners 9177 entschieden.

Schnittstelle zum Host Hauptproblem

Für die Bestückung der EDV-Peripherie konnten nur Geräte in Frage kommen, die technisch in der Lage waren, die Anforderungen des Pflichtenheftes zu erfüllen und das altbekannte Schnittstellenproblem zum Hauptrechner in den Griff zu bekommen. Rainer Bürkle: "Im Marktvergleich vor eineinhalb Jahren sind wir auf der Suche nach geeigneten BDE-Konzepten als Verbindungsglied zwischen technischer Produktion und wirtschaftlicher Führung auf Benzing gestoßen."

In der Theorie ermöglicht CIM die Abwicklung eines Kundenauftrags vom Bestelleingang bis zur Auslieferung ohne Zeichnung, ohne Schreibarbeit und ohne mühsame manuelle Belegauswertung für ein fortschrittliches Management. In der Praxis sind deshalb Geräte gefragt, die zwischen technischer und betriebswirtschaftlicher Datenverarbeitung vermitteln. Ein wichtiger Baustein in diesem komplexen Aufgabenfeld stellt sich mit der Betriebsdatenerfassung vor. Voraussetzung ist natürlich eine Organisation im Betrieb, die eine solche Verbindung ermöglicht. Nur eine projekt- beziehungsweise auftragsbezogene Fertigung macht BDE sinnvoll. Im Fall Testoterm stand dies bereits im Pflichtenheft und dies, obwohl 90 Prozent der Produktion auf Lager geht. Mit BDE-Geräten lassen sich die Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter und alle Ist-Zeit eines Produktionsauftrags ermitteln. Der zeitliche Ablauf aller Arbeitsvorgänge wird sichtbar und läßt Planungen für die Fertigung wie auch Kostenberechnungen im Verhältnis von bezahlter Stunde (Betriebskosten) und verkaufter Stunde errechnen. Ebenso läßt sich die Materialbeschaffung zeitgenauer und schneller durchfuhren.

Terminalnutzung auch für ungeübtes Personal

Wesentlich für den störungsfreien Einsatz von BDE-Geräten ist die unkomplizierte Handhabung. Bei den Benzing-Terminals kann selbst ungeübtes Personal die Bereichsterminals bedienen, da ein Display den Mitarbeiter in Klartext bei der Eingabe führt. Die eingegebenen Daten werden auf ihre Plausibilität hin überprüft und gegebenenfalls zur Korrektur angezeigt.

Ziel der EDV-Organisation bei Testoterm ist eine hochentwickelte Fertigungsplanung und -steuerung. Die Liefertermine sollen genau bestimmbar werden. Dazu benötigt die Firma eine Datenbrücke zwischen Materialbeschaffung (Einkauf), Produktion und Vertrieb. Rainer Bürkle: "Im übergeordneten Softwarepaket haben wir bereits ein Programm für die Fertigungsplanung und -steuerung. Die Daten der Produktionsaufträge werden aber ohne BDE-Geräte manuell eingegeben. Dies verschlingt nicht nur wertvolle Arbeitszeit mit Routinearbeit, die Daten kommen vor allem für eine Feinplanung viel zu spät. Dies wirkt sich schon bei den 90 Prozent unserer Standardproduktion negativ aus. Wir können nicht schnell genug reagieren, wenn Verzögerungen und Störungen der Produktion vorliegen.

"Besondere Vorteile sind im Bereich der zehn Prozent Individualaufträge zu erreichen. Solche Einzelaufträge und Sonderwünsche werden oft mit engen Terminen erteilt und müssen schon bei der Auftragsannahme mit Lieferterminen zugesagt werden. Mit der BDE sind die

Informationen über den Ist-Stand der Produktion vorhanden und Vertrieb wie Kunde können erfahren, wann das Produkt eingeplant und fertiggestellt wird. Diese Informationen erhalten wir nur durch die Integration der Zeitwirtschaft in die Beriebsorganisation. Über eine Barcode-Lesung am BDE-Terminal sind alle Auftragsdaten und die Arbeitskapazität erfaßt. Die gewonnenen Daten können nun unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet werden: für das Bestellwesen im Einkauf, für die Feinplanung in der Produktion, für die Nachkalkulation und natürlich für das auf diese Weise weitgehend entlastete Lohnbüro. "

Bei Testoterm wird nach einem jährlichen Marketingkonzept gearbeitet. Die Feinplanung gliedert in einem Vierteljahres-Schritt die genauen Planvorgaben für die Produktion auf. Durch den hohen Stand der heute durch BDE ermöglichten Daten können exakte Entscheidungshilfen für den Mitarbeiter gegeben werden, um eingehende Aufträge termingerecht einzuplanen. Bei dieser Konzeption der Firma Testoterm ist es sogar möglich, eine Arbeitszeit "a la carte" für die Betriebsangehörigen einzurichten. In einer Umfrage teilte jeder Mitarbeiter mit, wie er sich Arbeitsbeginn und -ende wünscht. Es wird versucht, auf dieser Basis eine individuelle Arbeitszeitregelung mit der 381/2-Stunden-Woche durchzuführen.

Die CIM-Lösung nicht vom Anbieter erwarten

Rainer Bürkle: Man muß bei der Einführung einer integrierten EDV-Lösung quer durch den Betrieb schon vorher genau wissen, was man will. Sonst werden unendliche Probleme geschaffen und eine hausgemachte Verwirrung gestiftet. Die Lösung kann dann von keiner Anbieterfirma erwartet werden."

"Mit den heute auf dem Markt befindlichen Systemen ist zwar noch keine komplette CIM-Lösung durchführbar, aber selbst ein mittelständisches Unternehmen wie wir kann große Schritte in dieser Richtung verwirklichen, die schnell und positiv auf die Leistungsfähigkeit des Betriebs einwirken. Bei uns hat der technische und organisatorische Wandel keine nennenswerten Probleme geschaffen. Da die Mitarbeiter von Anfang an miteinbezogen waren, gab es auch keine Akzeptanzproblematik. Im Gegenteil - es ging vielen eher noch zu langsam voran. Die Planungsphase hat im Verhältnis zur Installation viel Zeit gekostet, aber dafür ist das gesamte Projekt in drei Jahren abzuschließen, und dies ist ein seltener Fall."