Identity Theft

Immer mehr Amerikaner verlieren ihre Identität

11.08.2008
Pro Jahr werden acht Millionen Amerikaner Opfer von Identitätsdiebstahl. Der finanzielle Schaden geht in die Milliarden - niemand ist sicher, der Datenschutz unzureichend.

Die Täter durchwühlen Mülltonnen auf der Suche nach persönlichen Daten, ergaunern Kreditkarten und plündern fremde Konten. In den USA kämpfen die Sicherheitsbehörden gegen die nach eigener Aussage am schnellsten zunehmende Form der Kriminalität: Identitätsdiebstahl. Dabei erschwindeln kriminelle Doppelgänger Geld und Dienstleistungen im Namen ihrer ahnungslosen Opfer. Jeden kann es treffen. "Niemand ist immun gegen Identitätsdiebstahl", sagt Lydia Parnes von der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde.

Jedes Jahr werden der US-Handelsbehörde FTC zufolge mehr als acht Millionen Amerikaner Opfer von Identitäts-Betrügern. Der Schaden betrage rund 52 Milliarden Dollar (33 Milliarden Euro) im Jahr. Die Täter sind schwer zu kriegen, und der Kritikern zufolge freizügige Umgang vieler US-Firmen mit persönlichen Daten ihrer Kunden macht es den Dieben nach Meinung von Experten besonders leicht.

Der Schlüssel liegt in der besonderen Funktion der amerikanischen Sozialversicherungsnummer. Da es in den USA kein nationales Identifikationsdokument wie etwa einen Personalausweis gibt, wird von Behörden, Versicherungen und Banken allein die bei der Geburt vergebene Sozialversicherungsnummer zur Identifikation genutzt. Haben Diebe erst einmal diese Nummer und die Adresse eines Opfers ausgespäht, sind die kriminellen Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. Die Täter lassen mit Hilfe der Sozialversicherungsnummer neue Kreditkarten auf falsche Postadressen ausstellen, besorgen sich Telefonanschlüsse, beantragen staatliche Unterstützungsleistungen oder erschleichen sich Führerscheine. Die Geschädigten merken in den meisten Fällen viel zu spät, dass jemand ihren Namen missbraucht.

"Identitätsdiebstahl wird immer weiter ansteigen, bis die verantwortlichen Firmen endlich unsere Daten konsequent schützen", sagt Mari Frank, eine amerikanische Anwältin, die sich auf Identitätsdiebstahl spezialisiert hat. "Die US-Banken verteilen ungeprüft Kreditkarten, wie andere Leute Süßigkeiten." Das sei geradezu eine Einladung an Betrüger. Während manche Opfer nur einen geringen finanziellen Schaden davontragen, haben andere ihr Leben lang mit den Folgen des Betrugs zu kämpfen. Sie verlieren Jobchancen, Kredite werden ihnen verweigert, oder sie werden für Verbrechen belangt, die sie nicht begangen haben. Viel zu selten hätten Fahnder Erfolg, kritisiert das "Identity Theft Resource Center", das Opfer von Identitätsdiebstahl berät.

Welche Dimensionen Identitätsdiebstahl annehmen kann, zeigt ein besonders aufsehenerregender Fall aus Philadelphia. Anfang Juli wurde dort ein junges Paar zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Identitätsdiebstahls, Geldwäsche und Bankbetrugs verurteilt. Die beiden hatten systematisch ihre Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen ausgespäht und mit auf deren Namen ausgestellten Kreditkarten mehr als 100.000 Dollar erbeutet. Mit dem Geld gingen sie für ein Jahr auf Luxusweltreise und stellten die Fotos davon ins Internet.

Mit einer Aufklärungskampagne versuchen die US-Behörden seit Jahren, die Bürger und Firmen zu einem sorgsameren Umgang mit personenbezogenen Daten zu bewegen - mit wenig Erfolg. Aufgrund der vergleichsweise schwachen Datenschutzgesetze kann jede US-Firma fast unbegrenzt Kundendaten sammeln. Regelmäßig gelingt es Computer-Hackern, in Firmendatenbanken einzubrechen. Mehrfach gab es zudem Fälle, in denen Arbeitgeber versehentlich sensible Daten von Kunden oder Angestellten im Internet zugänglich gemacht haben.

Aber strengere Datenschutzregelungen wie in Deutschland helfen nur bedingt gegen Betrüger. "Auch wir haben inzwischen ein zunehmendes Problem mit Identitätsklau", bestätigt eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden. Zwar bedürfe es mehr als nur einer Nummer und eines Namens, um eine Kreditkarte zu beantragen, aber Internetbetrüger benutzten auch in Deutschland bereits fremde Identitäten für ihre Zwecke, etwa bei Internet-Auktionshäusern. "Die Polizei der Länder und des Bundes versuchen jetzt verstärkt, die Bürger über das Thema zu informieren", sagt die Sprecherin. (dpa/ajf)