Diener zweier Herrn

Im Spagat zwischen Projekt und Abteilung

16.08.2012 von Sabine Frömling  IDG ExpertenNetzwerk
Projektleiter können nur fachliche Anweisungen geben, die Personalverantwortung verbleibt beim direkten Vorgesetzten. Die Mitarbeiter geraten oft in Konflikt: Tagesgeschäft oder Projektaufgabe, was geht vor?
Mitarbeiter in Projekten geraten oft in Konflikt: Was geht bei Zeitnot vor, die Projektaufgabe oder das Tagesgeschäft?
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Auch wenn immer mehr Projekte abteilungsübergreifend ausgeführt werden, verbleiben die Projektmitarbeiter in der Regel organisatorisch in ihren Abteilungen, wo sie andere Aufgaben zu erledigen haben. Dem Projektleiter sind sie meistens fachlich unterstellt, disziplinarisch unterstehen sie weiter ihrem Linienvorgesetzten.

Projektleiter hierarchisch ohne Weisungsbefugnis

Da die Mitarbeiter zwei Rollen - im Projekt und in der Linienorganisation - innehaben, geraten sie oft in Konflikte: Sollen sie zuerst das Tagesgeschäft oder die Projektaufgabe erledigen? Zwar hat der Linienvorgesetzte die disziplinarische Hoheit, die mehr ins Gewicht fällt als die Befugnisse des Projektleiters. Dennoch ist der Mitarbeiter zu einem bestimmten Anteil für das Projekt abgestellt. Darum sollte etwa sein Urlaub ebenso mit dem Projektleiter abgestimmt werden, da er in die Ressourcenplanung des Projekts einfließt. Am Ende des Projekts oder beim Erreichen von Meilensteinen könnte es anhand der Bewertung des Projektleiters eine Bonuszahlung geben. Auch lässt sich die Bewertung der Arbeitsleistung im Projekt für die Karriereplanung des Projektmitarbeiters heranziehen.

Eine brisante Situation entsteht, wenn im Konfliktfall die Linientätigkeiten eine höhere Priorität als die Projektaufgaben bekommen. Projektmitglieder tendieren meist dazu, sich gegenüber ihrer Abteilung loyal zu verhalten. Schließlich bewertet der Vorgesetzte die Arbeitsleistung in der Linie.

Projektleiter haben hierarchisch keine Weisungsbefugnis, was es erschwert, die Ziele zu erreichen. Als Führungskraft auf Zeit sind sie mit unklaren Machtverhältnissen konfrontiert und scheitern nicht selten an der Mitarbeiterführung, hervorgerufen durch fehlende Führungswerkzeuge. In den Augen der Mitarbeiter genießen Projektleiter ein niedrigeres Ansehen als der direkte Vorgesetzte, der über Karrierechancen entscheidet. Zudem treffen Projektleiter immer auf neue Aufgaben und neue Teams aus Menschen mit unterschiedlichen Interessen. Wie können sie diese auch ohne Weisungsbefugnis dazu bringen, denselben Kurs einzuschlagen?

Balance durch Lenkungsausschuss

Eine Balance zwischen Linien- und Projekttätigkeit kann nur ein Gremium schaffen, das die Projekte und Aufträge priorisiert. Hierzu wird ein Lenkungsausschuss installiert, der sich aus den weisungsbefugten Vorgesetzten der Projektmitarbeiter zusammensetzt und für Projekt- und Ressourcenplanung verantwortlich ist. Die Ausschussmitglieder sind oft Führungskräfte, die diese Aufgaben zusätzlich übernehmen müssen. Durch das Konzept "Steuern nach dem Ausnahmeprinzip" hält sie der Projektleiter zwar auf dem aktuellen Stand, sie müssen aber nur im Projekt mitwirken, wenn Entscheidungen anstehen.

Verantwortung und Autorität sollten kongruent sein. Im Lenkungsausschuss sollte ein Fachbeirat installiert werden, der weisungsbefugt und auf der Anwenderseite präsent ist, um Mitwirkungspflichten der Anwenderseite durchsetzen zu können. Dieser Personenkreis wird für die messbare Spezifikation des Ergebnisses verantwortlich gemacht. Sobald Verantwortung und Autorität gekoppelt sind, verkleinert sich das Konfliktpotenzial. Darüber hinaus sind Rollendefinitionen notwendig, um die Zuständigkeiten zu klären und klare Definitionen der Projektziele zu erreichen. Ein Problem entsteht, wenn im Lenkungsausschuss nur Personen sitzen, die zwar Autorität, aber keine Verantwortung haben.

Klare Absprachen

Der Loyalitätskonflikt lässt sich in der Matrixprojektorganisation vielleicht nicht abstellen, dennoch können Projektleiter und Vorgesetzter durch klare Absprachen, transparente Planung und die Abstimmung gemeinsamer Ziele dazu beitragen, den Projektmitarbeitern das Arbeitsleben zu erleichtern. Eine Alternative zur Matrixprojektorganisation wäre eine reine Projektorganisation: Hier wird eine Abteilung mit dem Projektleiter als einziger Führungskraft geschaffen. Dies ist jedoch sehr teuer.