Im Silicon Valley fließen wieder Milch und Honig

23.03.2006
Die günstige Börsenentwicklung hat dazu geführt, dass immer mehr Manager von Hightech-Unternehmen ihre Aktienoptionen versilbern.

Nachdem sich der Hightech-Sektor erholt hat, machen die Chief Executive Officers (CEOs) großer IT-Konzerne im Silicon Valley mit ihren Aktienoptionen wieder richtig Kasse. Das "Wall Street Journal" zieht Vergleiche zum Dotcom-Boom der Jahrtausendwende. Yahoo-Manager beispielsweise erwirtschafteten 2003 knapp 90 Millionen Dollar mit ihren Optionsscheinen. 2004 waren es bereits 338 Millionen Dollar und 2005 immer noch 296 Millionen Dollar. Der Aktienkurs des Unternehmens stieg seit Anfang 2004 um rund 40 Prozent. Yahoo-Boss Terry Semel konnte allein in den letzten zwei Jahren rund 400 Millionen Dollar mit seinen Optionen verdienen (siehe auch: Semel profitiert von Aktienoptionen).

Auch John Thompson, CEO von Symantec, hat kräftig abgesahnt. Im Geschäftsjahr 2005 übte er Optionen im Wert von 69 Millionen Dollar aus, im Finanzjahr zuvor waren es 21,1 Millionen Dollar. In den beiden Jahren war der Aktienkurs des Security-Unternehmens um 118 Prozent geklettert, seitdem ging es allerdings bergab. Thompson profitierte von der guten Kursentwicklung, die auch Aktiensplits zur Folge hatte.

Aktienoptionen räumen den Besitzern das Recht ein, Anteile zu einem vorher festgelegten Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erwerben. Im besten Fall ist der Kurs bis dahin kräftig gestiegen, so dass Optionsinhaber ihre Anteile mit einer großen Gewinnspanne verkaufen können. Während der Dotcom-Hochphase, als die Börsen sich in einem Bullenmarkt befanden, war diese Form der Vergütung sehr beliebt. Jeder verdiente kräftig, außerdem konnten die Interessen von Mitarbeitern mit denen der Aktionäre in Einklang gebracht werden.

Als die Börsenblase platzte, war es dann vorbei mit der Optionsherrlichkeit. Vor allem Microsoft machte Schlagzeilen: Die Mitarbeiter konnten ihre nahezu wertlos geworden Optionen zu einem kleinen Betrag einlösen, das Unternehmen stellte nun auf "Restricted Shares" um: Dabei erhalten die Mitarbeiter keine Optionen mehr, sondern Aktien zu bestimmten Konditionen. Der Wertverlust ist kalkulierbarer als bei Optionen, die von einem Tag auf den anderen wertlos sein können (siehe: Microsoft zieht bis zu 635 Millionen wertlose Aktienoptionen aus dem Verkehr).

Doch nicht alle Unternehmen folgten dem Beispiel von Microsoft. Gute Erträge zog zuletzt beispielsweise Cisco-Boss John Chambers aus seinen Optionen: Im Geschäftsjahr 2005 erwirtschaftete er 61,2 Millionen Dollar aus den Berechtigungsscheinen, im Jahr zuvor kamen 38,3 Millionen zusammen. In den drei Jahren davor, als die Börsenkurse an der Nasdaq insgesamt auf Tauchstation waren, löste Chambers keine Optionsscheine ein.

Sogar die letzten fünf Jahre verzichtete eBay-Chefin Meg Whitman darauf, ihre Optionen zu versilbern. Nicht so ihre Kollegen: Im Jahr 2004 machten eBay-Manager Anteilsscheine im Wert von 98,3 Millionen Dollar zu Geld, im Jahr davor wurden 46,8 Millionen Dollar eingelöst. Seit Anfang 2004 ist der Börsenwert des Unternehmens um etwa 20 Prozent gestiegen.

Die CEOs der 150 größten börsennotierten Unternehmen im Silicon Valley haben allein in ihrem Finanzjahr 2004 Optionen im Wert von 1,55 Milliarden Dollar zu Geld gemacht. Das errechnete das auf Vergütung spezialisierten Marktforschungsunternehmen Equilar Inc. im Auftrag des "Wall Street Journal". Gegenüber 2003 bedeutet das ein Plus von 50 Prozent, und im Vergleich zu 2002 sogar einen Aufschlag von 177 Prozent. Allerdings ist die Branche vom Boomjahr 2000, als Manager aus dem Silcon Valley Aktienoptionen im Wert von 3,6 Milliarden Dollar versilberten, noch weit entfernt.

Dass Optionen wieder verstärkt ausgeübt werden, hängt auch damit zusammen, dass viele Firmen die zu erreichenden Zielkurse nach dem Platzen der Dotcom-Blase herabgesetzt haben. Equilar schätzt, dass ungefähr ein Drittel der 150 größten Silicon-Valley-Unternehmen ihre Optionen zwischen 1997 und 2005 neu ausgezeichnet haben. Im Fiskaljahr 2004 haben deren Bosse knapp ein Drittel ihrer fälligen Optionsscheine in Bares umgewandelt, im Vorjahr wurden 22,3 Prozent der Optionen in Cash umgesetzt. Im Jahr 2000 verkauften die Hightech-CEOs sogar 47.1 Prozent ihrer Optionsbestände.

Nach Meinung von Charles Wolf, Technologieanalyst bei Needham & Co., bedeuten die Cash-ins nicht, dass die CEOs das Vertrauen in die Performance ihrer Branche oder in ihre Unternehmen verloren haben. Die steigenden Verkaufszahlen spiegelten lediglich den Überhang an Optionen, der sich in den vergangenen Jahren ausgebildet habe. "Die Manager wollen ihre Anlagen diversifizieren und ihr Vermögen nicht von der Entwicklung einer einzigen Anlage abhängig machen."

In Kalifornien kommt angesichts der Gelder aus den Optionsprogrammen die Wirtschaft wieder in Fahrt. Die Anteile tragen dazu bei, dass die Konsumenten Geld ausgeben. Vor allem Villen im Wert von 2,5 bis sieben Millionen Dollar werden gebaut oder wechseln die Besitzer - vor allem mit den Erlösen aus Aktienoptionen, wie US-Immobilienmakler beobachten. Der Region tut der Geldsegen gut, auch für den Arbeitsmarkt scheint er sich auszuzahlen.

Das Realeinkommen pro Einwohner im Silicon Valley stieg von 49.724 Dollar in 2003 auf 53.633 Dollar im letzten Jahr. Das besagt eine Studie der Nonprofit-Organisation Joint Venture Silicon Valley Network, die Behörden und Unternehmen der Region repräsentiert. Außerdem füllen sich die öffentlichen Kassen: Allein durch Aktienoptionen nahmen die kalifornischen Finanzbehörden im vergangenen Jahr 3,2 Milliarden Dollar zusätzlich ein, in diesem Jahr sollen es 3,4 Milliarden werden. 2002 kamen lediglich zwei Milliarden Dollar zusammen, dafür aber im Jahr 2000 sogar 7,1 Milliarden Dollar.

Der warme Regen für die Behörden könnte aber bald enden: Aufgrund veränderter Bilanzierungsregeln, die Unternehmen dazu zwingen, ausgegebene Optionen in der Bilanz auf der Kostenseite zu verrechnen, verzichten immer mehr Unternehmen auf dieses Vergütungsinstrument. Stattdessen setzen sie wie Microsoft auf Restricted Shares.

Der Anteil der Aktien, die im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen ausgegeben wurden, ist im Silicon Valley im Jahr 2004 von 4,5 auf 3,4 Prozent gesunken. Ökonomen warnen deshalb regionale Steuerbehörden davor, sich auf diese Einkünfte dauerhaft zu verlassen. Im Jahr 2001 hatten die Kommunen schon einmal zu spüren bekommen, was es heißt, wenn der Geldstrom der Silicon-Valley-Millionäre nicht mehr fließt. (hv)