Im Dialog mit der Wirtschaft

15.03.2004 von Jürgen Mauerer
Von Netzthemen über Java zu Security, vom Tageskurs bis zum mehrmonatigen Seminar im Fernstudium - das Angebot für IT-Weiterbildung an Fachhochschulen und Universitäten ist mittlerweile sehr vielfältig. Doch die Konjunkturflaute und die Sparmaßnahmen des Staats machen den Hochschulen zu schaffen.

Seit der Novelle des Hochschulrahmengesetzes im Jahr 1998 gehört die berufsbegleitende Weiterbildung neben Forschung und Lehre zu den Kernaufgaben der Hochschulen. Landauf, landab haben Fachhochschulen und Universitäten dazu in den vergangenen Jahren eigene Institute und Akademien gegründet. "Über die Weiterbildung können Hochschulen Absolventen an sich binden und eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen. Ganz wichtig ist zudem der Wissenstransfer durch die Rückkopplung mit den Praktikern aus den Unternehmen", erklärt Susanne Schilden von der Hochschulrektorenkonferenz.

Doch 2003 war kein gutes Jahr für die wissenschaftliche IT-Weiterbildung. Die Institute spürten, dass die Unternehmen in Zeiten der schwachen Konjunktur an allen Ecken und Enden sparen. "Wir hatten Probleme, genügend Teilnehmer zu finden, und mussten deshalb einige Kurse absagen", bedauert Annette Boy, Referentin für Weiterbildung beim IT-Center Dortmund, an dem die Fachhochschule und die Universität Dortmund als Mit-Gesellschafter beteiligt sind. Gleiches ist zu hören von der Weiterbildungseinrichtung der Technischen Universität München, TUM Tech, oder der kww, der wissenschaftlichen Weiterbildung der Universität Karlsruhe. Auch diese Institute mussten im vergangenen Jahr verschiedene Seminare wegen zu geringer Resonanz absagen, da sie sonst nicht kostendeckend gearbeitet hätten. An der TUM Tech München

beispielsweise fielen nahezu alle angebotenen Seminare zu den Themen Netzwerk und Kommunikation aus.

Unbeliebte Wochenendkurse

Professor Jörg Eberspächer, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationsnetze an der TU München, war dort als Dozent für die Seminare "Mobile Datenkommunikationsnetze: Von GSM über WLAN zu UMTS" oder "Optische Kommunikationsnetze" eingeplant. Die Veranstaltungen hätten jeweils am Samstag stattfinden sollen. "In wirtschaftlich schlechten Zeiten stellen Firmen ihre Mitarbeiter nicht mehr so oft während der Woche für Weiterbildungsmaßnahmen frei. Und ein Seminar am Wochenende ist bei Mitarbeitern nicht gerade beliebt", begründet Eberspächer die schwache Resonanz.

Als Ausweg empfiehlt der Elektrotechnik-Professor, die Industriekontakte und damit den Wissenstransfer mit den Praktikern aus den Unternehmen zu intensivieren. "Die Hochschulen sollten ihre Seminare gezielt auf den spezifischen Bedarf von Unternehmen zuschneiden. Dann finden sich auch genügend Teilnehmer. Ich habe hier bereits gute Erfahrungen mit speziellen Veranstaltungen für Siemens gemacht", so Eberspächer.

Die TUM Tech hat auf die negativen Erfahrungen des vorigen Jahres bereits reagiert und ihr Programm umgebaut. So gibt es für 2004 keinen Katalog mit schon im Voraus geplanten Veranstaltungen. Um flexibler zu sein, wird das Programm speziell auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten. "Wir fragen bei Firmen an, an welchen Themen konkret Bedarf besteht, und stellen dafür unser Expertenwissen zur Verfügung", betont Christian Doll, Leiter Technologietransfer bei TUM Tech. Neu sind zudem eintägige Fachsymposien speziell für mittelständische Unternehmen, bei denen Dozenten der TUM Tech Vorträge zu aktuellen IT-Themen halten.

Auch das IT-Center Dortmund hat sein Angebot umgestellt. Wie die TUM Tech verzichtet das Institut 2004 auf den langfristig geplanten Katalog, der voriges Jahr noch meist zweitägige Kurse zu Java oder Netzwerk-Themen umfasste. "Es gibt dieses Jahr keine IT-Weiterbildung am grünen Tisch", kommentiert Annette Boy diese Umstrukturierung. Die Planung für die Veranstaltungen sei daher eher kurzfristig und am Bedarf der Kunden orientiert. "Wir arbeiten eng mit den IT-Unternehmen aus der Region zusammen und werden unsere Seminare speziell auf deren Bedürfnisse ausrichten", betont die Referentin für Weiterbildung des IT-Center.Besonderer Kontakt bestehe zu den Paten-Unternehmen, die einige Studenten des regulären Informatik-Studiengangs mit Stipendien oder Wohnkostenzuschüssen fördern und den Nachwuchs damit an sich binden, so Boy.

Maßgeschneiderte Konzepte

Mit Beginn des Semesters im Oktober 2003 hat das IT-Center auch seinen regulären Informatik-Studiengang für externe IT-Fachkräfte geöffnet. Diese können jetzt einzelne Module des Fachs als Gasthörer buchen und regelmäßig an Vorlesungen oder Seminaren teilnehmen, sofern sie von ihren Unternehmen dafür freigestellt werden. Die kww, die Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Karlsruhe, setzt bereits seit längerem auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. "Wir bieten Inhouse-Seminare an, die speziell auf den Bedarf von Unternehmen zugeschnitten sind", erklärt Anke Diez, Leiterin der kww. Laut Diez dauern die Kurse zwischen zwei und zwölf Tagen, meist seien zwei Referenten vor Ort. "Unsere Kunden sind kleine und mittelständische Firmen aus der Region."

Der erste Kontakt zu den Unternehmen sei vor allem bei den bisherigen Lehrveranstaltungen entstanden, so Diez. Im Rahmen der berufsbegleitenden Weiterbildung für Akademiker bietet die kww unter anderem die Seminarreihe IT-Security mit jeweils zweitägigen Veranstaltungen zu IT-Sicherheitsarchitektur und zur Hacking-Abwehr. Weiter im Programm sind Kurse zum Managen von Internet-Projekten oder zum Thema Aufbau von Datenbanken. Anke Diez hofft, dass die Unternehmen dieses Jahr wieder mehr Geld in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren. Denn vergangenes Jahr musste die kww mangels Resonanz einige Kurse absagen. Doch die Leiterin der kww ist zuversichtlich und hebt besonders die Auswahl der Dozenten hervor: "Wir haben ein ausgewogenes Verhältnis von Wissenschaftlern der Universität sowie Praktikern aus Unternehmen. Wir wollen auch

über den Tellerrand schauen."

Der Anspruch des kww ist hoch, wie ein Blick auf die Homepage zeigt. Dort heißt es: "Das Institut fühlt sich den Regeln wissenschaftlichen Arbeitens und herausragender Qualität verpflichtet." Genau hier sieht auch der Branchenverband Bitkom die Rolle der Hochschulen: "Universitäten sollen nicht einen x-beliebigen Bildungsträger an der Ecke ersetzen. Sie sind bei der Weiterbildung im Premium-Bereich angesiedelt", betont Stephan Pfisterer, Referent für Bildung und Personal. Seiner Meinung nach nehmen Universitäten beim Dialog mit der Wirtschaft eine sehr wichtige Funktion ein, da sie im Rahmen der Grundlagenforschung das Know-how für neueste technologische Entwicklungen aufbauen. "Mit diesem Wissen können die Hochschulen einerseits Drittmittel für Projekte akquirieren und andererseits maßgeschneiderte Weiterbildungs-Konzepte für Unternehmen der Region anbieten", so Pfisterer.

Seminare müssen profitabel sein

Er sieht jedoch auch, dass sich die Angebote der Universitäten rechnen müssen. Daher fordert Pfisterer, dass die Hochschulen eben nicht ein 08/15-Programm anbieten, sondern ein interessantes Themen-Portfolio aufbauen, das den spezifischen Weiterbildungsbedarf von Unternehmen stillt. "Standardkurse sind nicht das, was eine Hochschule interessant macht. Mit anspruchsvollen und maßgeschneiderten Seminaren werden sich die Institute auch finanziell selbst tragen und auf dem Markt wettbewerbsfähig sein."

Doch die Rahmenbedingungen für die wissenschaftliche IT-Weiterbildung sind alles andere als günstig. Die Lage an den Universitäten und Fachhochschulen spitzt sich zu: Die Zahl der eingeschriebenen Studenten ist so hoch wie nie, während beim wissenschaftlichen Personal Stellen gestrichen werden. Die Sparmaßnahmen haben natürlich auch negative Auswirkungen auf das Schulungsangebot.

Forschung hat Vorrang

"Die Weiterbildung ist weiterhin unterversorgt. Anspruch und Rahmenbedingungen klaffen vor allem im Personalbereich weit auseinander", kritisiert Susanne Schilden von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) die Politik der Bundesländer. Professor Jörg Eberspächer von der TU München sieht ebenfalls die Belastung der Dozenten als kritisch an: "Durch den Stellenabbau wird natürlich die Basis für Lehre und Forschung kleiner. Professoren und Assistenten können dadurch zusätzliche Aufgaben nur in begrenztem Umfang übernehmen." In der Praxis haben der normale Lehrbetrieb und Forschungsprojekte daher Vorrang gegenüber der Weiterbildung.

Ein weiterer Hemmschuh: In vielen Bundesländern fehlt eine klare rechtliche Regelung. So dürfen die Hochschulen dort die Einnahmen aus der Weiterbildung nicht komplett behalten, die Einbindung externer Dozenten ist noch nicht geklärt, und auch bei der Anrechnung der Weiterbildungs-Aktivitäten auf das Lehrdeputat der Professoren sind viele Fragen offen. "Es fehlt häufig das rechtliche Korsett", beklagt Susanne Schilden von der HRK. Vorbild könnte hier Baden-Württemberg sein. Das Land rechnet die Stunden der Weiterbildung auf das Lehrdeputat an. Alternativ können sich die Dozenten aber auch für eine Nebentätigkeit und damit für ein höheres Honorar entscheiden. Doch wichtig für den Erfolg der IT-Weiterbildung an Hochschulen ist, wie überall, der schnöde Mammon.

Weiterbildung im Fernstudium

Eine Option für die kompakte Weiterbildung ist eine Mischung aus Fern-, Präsenz- und Online-Seminar. Fernuniversitäten bieten mittlerweile modularisierte Vollzeit- und Aufbaustudiengänge, zum Beispiel in Informatik, an. Interessierte müssen sich daher nicht für ein komplettes Studium einschreiben, sondern können auch einzelne Module buchen.

"Mittlerweile nutzen bereits einige Unternehmen dieses Angebot für ihre Mitarbeiter, um neues Know-how zu sammeln. Wir überlegen, spezielle, auf einzelne Firmen zugeschnittene Weiterbildungsmodule zu entwickeln", freut sich Margot Klinkner, Wissenschaftlerin an der Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen (ZFH). Ein Modul dauert zwischen vier und sechs Monate, den Löwenanteil nimmt die Phase des Selbststudiums zu Hause ein. Das Lehrmaterial wird den Teilnehmern dabei zugeschickt. Der Lernerfolg wird während der Zeit durch Selbstkontroll- und Einsendeaufgaben festgestellt. Am Ende des Moduls steht eine einwöchige Präsenzphase mit abschließender Prüfung, für die es bei Erfolg ein Zertifikat gibt. Parallel stehen die Teilnehmer online mit dem Dozenten und ihren Kommilitonen in Kontakt. Auch die AKAD Privathochschulen verfolgen ein ähnliches Prinzip.

Uni-Angebote

www.tumtech.de: Weiterbildungsinstitut der Technischen Universität München

www.itc-dortmund.de: Angebot des IT-Center Dortmund

www.rz.uni-karlsruhe.de/~kww/html/index.html: Webseite der kww

www.zfh.de: Zentralstelle für Fernstudiengänge an Fachhochschulen

www.akad.de: Homepage der AKDA Privathochschulen