Auch Telekom-Kunden betroffen

Illegaler Datenhandel weitet sich aus

19.08.2008
Der Skandal um illegal gehandelte sensible Kundendaten zieht immer weitere Kreise. Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen wurden in einem Scheingeschäft sechs Millionen Datensätze angeboten, davon vier Millionen mit Kontonummern.

In Kiel tauchte am Montag eine neue CD mit mehr als 130.000 illegalen Datensätzen aus Call-Centern auf. Nach Recherchen der NDR/WDR-Sendung "Kriminalreport" sind auch Kunden der Deutschen Telekom vom illegalen Datenhandel betroffen. Daten- und Verbraucherschützer sowie die Kriminalpolizei forderten als Konsequenz aus dem Missbrauch von Kontodaten schärfere Sanktionen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar forderte den Gesetzgeber zum Handeln auf. Jetzt müsse auch dem Letzten klar geworden sein, dass Daten einen erheblichen wirtschaftlichen Wert hätten und nicht alle, die damit umgingen, sich an Recht und Gesetz hielten. "Das Sanktionensystem des Bundesdatenschutzgesetzes ist so löchrig wie ein Schweizer Käse", kritisierte Schaar bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Verbraucherschützern und dem Bund Deutscher Kriminalbeamter in Berlin. Das Bundesdatenschutzgesetz sieht bei Verstößen ein Bußgeld von maximal 250.000 Euro und in schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von höchsten zwei Jahren vor.

Dem Bericht des "Kriminalreport" zufolge hat sich ein Call-Center in Bremerhaven illegal Zugriff auf Datenbanken der Telekom verschafft und Daten davon offenbar an Dritte weiterverkauft. Die Datenbanken enthalten laut Bericht persönliche Angaben von 30 Millionen Kunden. "Die Deutsche Telekom ist offenbar Opfer hoch krimineller Machenschaften", sagte Unternehmenssprecher Philipp Blank auf Anfrage. Der Umfang sei allerdings vollkommen unklar. Auf jeden Fall würden die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und die betroffenen Kunden informiert. "Bisher haben wir keine Erkenntnisse, dass Kundendaten der Deutschen Telekom für Trickbetrügereien missbraucht worden sind", erklärte der Sprecher.

Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen liegen Hunderte von Beschwerden von Menschen vor, bei denen 50 bis 100 Euro illegal abgebucht worden seien. Der in Schleswig-Holstein publik gewordene Fall von 17.000 illegal gehandelten Daten sei nur die Spitze eines Eisberges, sagte der Verbandsvorsitzende Gerd Billen. "In Deutschland findet ein illegaler Datenhandel in ungeheuerem Ausmaß statt." Die Bundesregierung will zunächst die Ermittlungen über den mutmaßlichen Missbrauch von 17.000 Daten abwarten. Das Call Center Forum Deutschland verurteilte den illegalen Adresshandel.

Verbraucher- und Datenschützer forderten, das 30 Jahre alte Datenschutzrecht der Entwicklung der Informationstechnologie anzupassen. Höhere Strafen und eine Gewinnabschöpfung müssten dafür sorgen, dass sich Datenmissbrauch wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Datenhandel ohne ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen dürfe nicht mehr erlaubt sein.

Mit dem Scheingeschäft wollten die Verbraucherschützer zeigen, wie der illegale Handel funktioniert. "Es ist kein großer Akt, an illegale Daten heranzukommen", sagte Billen, als er die auf einer DVD und zwei CDs gesammelten Datensätze präsentierte. Viele der zum Schein erworbenen Daten stammten laut Billen wiederum von der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL).

Krisentreffen anberaumt

Im Skandal um illegal gehandelte sensible Kundendaten wird der Ruf nach einem Einschreiten des Staates lauter. Die Landesbeauftragte für Datenschutz in Nordrhein-Westfalen, Bettina Sokol, forderte ein generelles Verbot für den Handel mit persönlichen Daten wie Name, Anschrift, Geburtsjahr oder Beruf. "Ich sehe dringenden Handlungsbedarf, um den außer Kontrolle geratenen Datenhandel zu stoppen", sagte Sokol der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn plädierte in der "WAZ" dafür, die Abschöpfung der unrechtmäßigen Gewinne der Datenschieber möglich zu machen.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), will Experten aller Bundestagsfraktionen nach der Sommerpause zu einem Datenschutz-Krisentreffen einladen. Dabei sollten Vorschläge für ein effektiveres Bundesdatenschutzgesetz erarbeitet werden. "Die aktuellen Datenskandale belegen leider, wie dringlich das Thema Datenschutz ist", sagte Edathy der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er plädierte etwa dafür, Kundendaten in Unternehmen künftig nur noch verschlüsselt zu speichern und eine automatische Protokollierung jedes Daten-Zugriffs vorzuschreiben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte zu den jüngsten Fällen von Datenmissbrauch: "Man muss davon ausgehen, dass wir nicht einmal die Spitze des Eisbergs sehen." Er sprach sich für die Aufnahme des Datenschutzes in das Grundgesetz auf. "Zu einer modernen Informationsgesellschaft gehört auch ein Grundgesetz, das klipp und klar sagt: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, und es darf nur unter sehr engen Bedingungen eingeschränkt werden", sagte Schaar der "Thüringer Allgemeinen". Edathy hält dagegen die Aufnahme des Datenschutzes ins Grundgesetz nicht für vorrangig: "Das hätte eher symbolischen Charakter." (dpa/tc)

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