Bilanzierung

IFRS 15 im Überblick

17.11.2014 von Stefan Gros
Die Neuregelung der Ertragsrealisation nach IFRS 15 soll ab Januar 2017 gültig sein. Stefan Gros bestimmt Höhe und Zeitpunkt des Umsatzes in 5 Schritten.

Nach jahrelangen Diskussionen hat das International Accounting Standards Board(IASB) am 28. Mai 2014 den neuen Standard zu Ertragsrealisation IFRS 15 - Contracs with Customers - veröffentlicht. Der neue Standard dient dazu die bisherigen Regelungen des IAS 18 (Revenues) und des IAS 11 (Construction Contracts), sowie die korrespondierenden Interpretationen SIC-31, IFRIC 13, IFRIC 15 und IFRIC 18 zu ersetzen.

Gültigkeit soll IFRS 15 industrie- und branchenübergreifend für Geschäftsjahre ab dem 01. Januar 2017 erlangen. Für betreffende Geschäftstätigkeiten in der EU muss die Übernahme der Neuregelung in europäisches Recht abgewartet werden.

Nach IFRS 15 ist der Betrag als Umsatzerlös zu erfassen, der für die Übertragung von Gütern oder Dienstleistungen an Kunden als Gegenleistung erwartet wird. Dabei gelten als zentraler Anwendungsbereich Verträge mit Kunden, welche zu Umsätzen aus regulären Geschäftstätigkeiten führen. Eine zentrale Neuerung ergibt sich hinsichtlich des Zeitpunktes der Ertragsrealisation. Diese richtet sich nicht wie bisher an den Übergang von Risiken und Chance (risk and reward approach), sondern an den Übergang von Kontrolle über die Güter und Dienstleistungen an den Kunden (control approach).

Um den Prinzipien des IFRS 15 Folge zu leisten, sind fünf Schritte für die Bestimmung der Höhe und des Zeitpunkt des zu realisierenden Umsatzes notwendig:

Foto: Stefan Gros

1. Identifikation des Kundenvertrags oder der Kundenverträge

Damit IFRS 15 zur Anwendung kommt, muss dem Geschäftsvorfall ein Kundenvertrag zur Grunde liegen. Ein Vertrag im Sinne des IFRS 15, Par. 9 f. kann identifiziert werden, wenn die nachfolgenden fünf Merkmale kumulativ vorliegen:

  1. Der Vertrag ist rechtlich binden.

  2. Das Unternehmen kann die Rechte des Vertragspartners identifizieren, die auf die Erbringung der Sach- oder Dienstleistung gerichtet sind.

  3. Das Unternehmen kann die Zahlungsbedingungen identifizieren, die vom Sach-/Dienstleistungsempfänger zu erbringen sind.

  4. Der Vertrag hat ökonomische Relevanz.

  5. Es ist wahrscheinlich, dass das Unternehmen die zu erbringende Zahlung für die erbrachten Sach- oder Dienstleistungen empfängt.

Es ist zudem möglich selbständige Verträge nach bilanziell zusammenzufassen, wenn diese zeitnah mit dem gleichen Kunden geschlossen wurden und eines der folgen Merkmal erfüllt ist (IFRS 15, Par. 17):

Foto: Stefan Gros

2. Identifikation der Verpflichtungseinheit

Der Ertragszeitpunkt ist losgelöst von anderen Verpflichtungen zu bestimmen, wenn die Erfüllungszeitpunkte auseinanderfallen und die Leistung separierbar (distinct) ist.

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3. Bestimmung der Gesamtvergütung

Die Gesamtvergütung bemisst sich nach der Gegenleistung, die das Unternehmen für die gelieferten Güter/Dienstleistungen zu erhalten erwartet. Sie beinhaltet die gesamten fixen Vergütungsteile, ernsthaft zu erwartende variable Vergütungen und eventuelle Finanzierungskomponente (IFRS 15, Par. 47-49).

4. Allokation der Gesamtvergütung

Das Gesamtentgelt ist bei Vertragsabschluss auf die einzelnen separaten Vertragsleistungen aufzuteilen. Als Aufteilungsmaßstab dienen die Einzelverkaufspreise. Entspricht die Summe der Einzelverkaufspreise nicht der Gesamtvergütung des Vertrags, so ist der Differenzbetrag proportional zu den Einzelverkaufspreisen aufzuteilen ("Relative Stand-Alone Selling Price") (IFRS 15, Par. 74).

5. Umsatzrealisation

Das neue Realisationskriterium bemisst sich nach der Kontrolle über ein Gut/Dienstleistung. Eine Leistung ist erbracht, wenn der Kunde die Kontrolle an dem Asset erlangt hat. Auf den Übergang von Chancen und Risiken kommt es nicht an (IFRS 15, Par. 31). Es gelten zwei Kriterien welche den Kontrollübergang definieren:

Foto: Stefan Gros

Die Umsätze können kontinuierlich im Zeitablauf - percentage of completion - realisiert werden, wenn die Leistungsverpflichtungen im Zeitablauf erbracht werden. Nach IFRS 15 Par. 38 wird der Umsatz zeitbezogen realisiert, wenn die Leistungsverpflichtung nicht pro rata temporis erbracht wird. Die Kontrolle geht im Zeitablauf an den Kunden über, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  1. Zum Zeitpunkt ihrer Erstellung erlangt und realisiert der Kunde die mit dem Asset verbundenen Vorteile bereits vollständig.

  2. Geschaffene oder erweiterte Vermögenswerte können bereits während der Entstehungs- oder Erweiterungsphase vom Kunden kotrolliert werden.

  3. Das Unternehmen schafft ein Asset, das es am Bilanzstichtag nicht anderweitig als zu Vertragszwecken nutzen kann, da ihm die Alternativverwendung rechtlich untersagt oder wirtschaftlich unrentabel ist und das Unternehmen hat einen gesicherten Vergütungsanspruch auf den bereits erbrachten Leistungsanteil.

Umgang mit Mehrkomponentenverträge

Die Neuregelung des IFRS 15 zur Umsatzrealisation wird einige Veränderungen für die bilanzierenden Unternehmen mit sich bringen. Diese sind im Wesentlichen durch Neuerung der Umsatzrealisation auf Grundlage des Kontrollübergangs begründet.

Die Auswirkungen der Veränderung und der Aufwand zur Implementierung des Standards wird von dem jeweiligen Geschäftsmodell abhängig sein. Unabhängig davon stehen Finanzvorstände vor der Aufgabe das eigene Unternehmen zu durchleuchten, um alle notwendigen Informationen bezüglich IFRS 15 zu erlangen. Dies beinhaltet im Speziellen die Rechnungslegungssysteme und IT-Systeme. Es wird ratsam sein ein internes System aufzubauen um die Umsatzprozesse genau zu analysieren. Es sollten zudem alle umsatzrelevanten Verträge analysiert werden, da kleine Unterschiede in den Verträgen zu verschiedenen Zeitpunkten der Realisation führen können.

Es ist davon auszugehen, dass durch das neue Modell mehr Güter und Dienstleistungen im Zeitverlauf erfasst werden. Fraglich ist jedoch noch der Umgang mit Mehrkomponentenverträgen, denn hierfür gibt der Standard nur eine geringe Hilfestellung. Nach IFRS 15 muss der Verkaufspreis auf die einzelnen Komponenten verteilt werden. Dies wird im Besonderen für Telekommunikationsunternehmen interessant, da diese oftmals die Hardware an den Tarif koppeln.

Die Vorteile welche der neue Standard mit sich bringt sind, dass Unternehmen mit der Einführung von IFRS 15 ausgeglichenere Umsatzniveaus ausweisen werden und mit einem Einmaleffekt die Möglichkeit erhalten diese auch früher zu realisieren.

IFRS 15 am Beispiel

Die oben beschriebenen fünf Schritte zur Ertragsrealisation nach IFRS 15 sollen folgend anhand eines vereinfachten Beispiels skizziert werden.

Die Car AG verkauft Autos für 40.000 Euro und (Auto-) Dachboxen für 1000 Euro. Am 20.12.2013 verkauft sie an den Kunden A ein Auto für 40.500 Euro. Zwei Tage später verkauft die Car AG dem gleichen Kunden in einem separatem Vertrag eine dazu passende Dachbox für 300 Euro. Die Car AG liefert die Dachbox noch im Jahr 2013 an den Kunden A aus. Die Auslieferung des Autos verzögert sich auf März 2014, da das Auto sich noch in der Fertigung befindet.

Der Kaufpreis wird erst nach 6 Monaten (Juli 2014) fällig. Die Car AG würde Darlehen (ohne Verkaufsgeschäft und Ausfallrisiko) für 5,0 Prozent vergeben.

1. Identifikation des Kundenvertrags oder der Kundenverträge

Die Merkmale eines Vertrages werden in diesem Zusammenhang nicht geprüft. Sie gelten als Voraussetzung für eine Erfassung nach IFRS 15 und gelten in diesem Beispiel erfüllt. Selbständige Verträge können bilanziell zusammengefasst werden, wenn diese zeitnah mit dem gleichen Kunden geschlossen wurden und eines der folgen Merkmal erfüllt ist:

Foto: Stefan Gros

In dem vorliegendem Beispiel wurde dem gleichen Kunden zunächst ein Auto und anschließen 2 Tage später eine dazu passende Dachbox verkauft. Es handelt sich also um zwei selbständige Verträge mit dem gleichen Kunden. Um diese bilanziell zusammen zu fassen, muss eines der Merkmale erfüllt sein. Die Verträge scheinen eine gewisse Abhängigkeit aufzuzeigen. Der deutliche Nachlass bei der Dachbox ist wohl auf den erhöhten Kaufpreis bei dem Auto zurückzuführen. Die Vergütung des einen Vertrags hängt demnach von der Vergütung das andern ab.

Die Verträge können bilanziell zusammengefasst werden!

2. Identifikation der Verpflichtungseinheit

Der Ertragszeitpunkt ist losgelöst von andern Verpflichtungen zu bestimmen, wenn die Erfüllungszeitpunkte auseinanderfallen und die Leistung separierbar (distinct) ist. Die Auslieferung des Autos und der Dachbox fallen auseinander, fraglich ist jedoch ob diese distinct sind. Dazu sind zwei Kriterien zu überprüfen.

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Sowohl das Auto, als auch die Dachbox können unabhängig voneinander vom Kunden A genutzt werden, sprich: Er kann aus den einzelnen Gütern einen Nutzen ziehen. Zudem ist davon auszugehen, dass die beiden Leistungen seperately identifiable sind.

Die Ertragszeitpunkte können unabhängig voneinander bestimmt werden!

3. Bestimmung der Gesamtvergütung

Foto: Stefan Gros

Die Gesamtvergütung beträgt 39.817 Euro.

4. Allokation der Gesamtvergütung

Das Gesamtentgelt ist bei Vertragsabschluss auf die einzelnen separaten Vertragsleistungen aufzuteilen. Als Aufteilungsmaßstab dienen die Einzelverkaufspreise. Als Gesamtpreis des Autos und der Dachbox auf Grundlage der Einzelverkaufspreise ergibt sich ein Betrag von 41.000 Euro. Dies dient als Referenzmaßstab.

Foto: Stefan Gros

Auf Basis dieser Proportionalität kann nun die Gesamtvergütung von 39.864 Euro aufgeteilt werden.

Foto: Stefan Gros

5. Umsatzrealisation

Das neue Realisationskriterium bemisst sich nach der Kontrolle über ein Gut/Dienstleistung. Es gelten zwei Kriterien welche den Kontrollübergang definieren. Diese müssen beide erfüllt sein, damit es zu einer Umsatzrealisation kommt. Noch im Jahr 2013 wird die Dachbox an den Kunden A ausgeliefert. Damit befindet sich das Asset im Verfügungsbereich des Kunden und dieser kann die Verwendung bereits dirigieren und Dritte davon ausschließen. Zudem hat er die Möglichkeit den gesamten Nutzen aus der Dachbox zuziehen.

Kriterium 1 und 2 sind erfüllt - der Umsatz von 796 Euro kann realisiert werden! Im März 2014 kann dann auch der Umsatz für das Auto in Höhe von 39.020 Euro realisiert werden: Das Auto wurde ausgeliefert und die Kriterien 1 und 2 gelten als erfüllt.