IDS Scheer verliert Schweizer SAP-Projekt

05.06.2007
Der Spezialist für Geschäftsprozesse beißt sich an der Konsolidierung der Armeelogistik die Zähne aus. Die Trennung erfolgt im gegenseitigen Einvernehmen.

Die IDS Scheer AG und die "Logistikbasis" (LBA) der Schweizer Armee haben das gemeinsame Konsolidierungsprojekt "Logistik@V" nach nur sechs Monaten überraschend auf Eis gelegt. Ziel des Vorhabens war es, Strategie, Organisation, Prozesse und Rollen in einer konsolidierten Schweizer Armeelogistik zu definieren. Zudem sollten fünf SAP-Bestandssysteme der Armee in einer neuen, standardisierten SAP-Plattform vereinigt werden. Beide Seiten haben sich Ende April im gegenseitigen Einvernehmen dazu entschlossen, die Zusammenarbeit zu beenden – zumindest ist dies der offizielle Tenor.

Der Vertrag hatte nach Angaben eines Sprechers von IDS Scheer ein Volumen von 18,1 Millionen Schweizer Franken, umgerechnet rund elf Millionen Euro. Die gemeinsam nach der Vertragsauflösung getroffene Vereinbarung zwischen dem Prozessberater und der LBA sieht vor, dass die von IDS Scheer für das Projekt erbrachten Leistungen bezahlt werden. Beide Parteien haben über die Höhe Stillschweigen vereinbart. Auch mit öffentlichen Schuldzuweisungen halten sich die Beteiligten zurück, offizielle Statements sind abgestimmt und bevorzugt in schriftlicher Form erhältlich. Gescheitert sei das Projekt nicht, so der Sprecher von IDS Scheer. Der Projektstopp sei "durch die grundsätzliche Komplexität der Rahmenbedingungen begründet".

Keine konkreten Gründe für die Trennung

Als Grund für die Trennung gab LBA-Sprecherin Gabriela Zimmer zu Protokoll: "Im Rahmen des Projektverlaufs hat sich herausgestellt, dass vertiefende Abklärungen getroffen werden müssen, bevor an entscheidenden Prozessen weitergearbeitet werden kann. Nach sechs Monaten Projektarbeit kam das Projektteam des VBS zum Schluss, dass das geplante Vorgehen nicht zum gewünschten Projekterfolg führen wird." Beim VBS handelt es sich um das eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Konkrete Gründe, die im Schweizer Verteidigungsministerium zu diesem Schluss geführt haben, wurden nicht genannt.

Helikopterpilot der Schweizer Luftwaffe im Gebirge.
Foto: Schweizer Luftwaffe

Die IDS Scheer Schweiz AG war laut LBA als Generalunternehmer für die "Ausarbeitung der definierten Logistikprozesse des Bereichs Verteidigung sowie für den Aufbau und die betriebsbereite Übergabe eines harmonisierten und standardisierten SAP-Systems" verantwortlich. Erschwert werden die Arbeiten dadurch, dass der Schweizer Bund seit Januar 2007 das "Neue Rechnungsmodell" (NRM) einführt, eine veränderte Rechnungslegung nach privat- und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Verbunden damit werden die Verwaltungseinheiten verpflichtet, auf eine "minimale Kosten- und Leistungsrechnung" (KLR) zu wechseln (ein interessantes PDF-Dokument zum Umbau der Schweizer Armee nach unternehmerischen Grundsätzen findet sich hier). In Deutschland ist das Thema durch den Umstieg von der Kameralistik auf die Doppik bekannt.

Nachfolger für IDS Scheer gesucht

Ein Nachfolger für die IDS Scheer AG muss erst noch gesucht werden, da die LBA derzeit an der strategischen Neuausrichtung des Projekts arbeitet. Der Relaunch des Vorhabens ist für den 1. Juli 2007 geplant, erst danach würden weitere Entscheidungen zur Umsetzung fallen. Auch sei gegenwärtig nicht abzusehen, so LBA-Sprecherin Zimmer, um wie viele Monate sich das Projekt durch die Trennung voraussichtlich verzögert. Immerhin sei der Aufwand nicht umsonst gewesen, da die "bis dato erarbeiteten Ergebnisse weiter verwendet werden können". Außer Frage steht hingegen die strategische Bedeutung der SAP-Software in der Armeelogistik. Auch haben die Eidgenossen nicht alle Verträge mit IDS Scheer beendet - deren Tool "Aris" ist laut Zimmer weiterhin Standard für das Management der Geschäftsprozesse in der Schweizer Armee.

Steckbrief des IT-Projekts Logistik@V

Die Schweizer Armee konsolidiert seit einigen Jahren ihre Logistikinfrastruktur im Projekt "Betriebswirtschaftliche und logistische Systeme Verteidigung" (BLSV), vornehmlich um die Kosten zu senken: Aus 30 Stammbetrieben mit rund 600 Standorten werden elf Center (fünf Logistik- und sechs Infrastruktur-Center) mit rund 100 Außenstandorten. Jährlich sollen rund 300 Millionen Franken von 1,4 Milliarden Franken eingespart werden, die Zahl der Logistikmitarbeiter schrumpft bis Ende 2010 von 4000 auf 2200.

Die Logistikbasis erbringt sämtliche logistische Dienstleistungen für die Schweizer Armee.

Ein Teil des Vorhabens ist das IT-Projekt "Logistik@V" (V = Verteidigung). Die Phase I von Logistik@V lief von Mitte 2005 bis Frühjahr 2006. Daraus entstanden die strategischen Leitlinien und die Vorgaben für die Phase II, die im Winter 2005 nach WTO-Grundlagen ausgeschrieben wurde. IDS Scheer hat im vergangenen August den Zuschlag für die Phase II erhalten, der Kickoff war im September 2006. Bereits in der Angebotsphase hat IDS Scheer mehrere Beratungs- und IT-Firmen als Subunternehmer beteiligt. Das rund elf Millionen Euro schwere Projekt sollte bis März 2009 realisiert werden. Ziel ist eine IT-basierende Plattform, welche sämtliche Aktivitäten vom Lieferanten zum Kunden stützt. Dies umfasst auch die Lagerverwaltung der Logistikbasis der Armee. Gleichzeitig wird an der Einführung einer einheitlichen, standardisierten SAP-Plattform gearbeitet (Projekt "SAP V"). Diese wird aus fünf SAP-Altsystemen zusammengeführt. Finanzielle und personelle Einsparvorgaben sollen unter anderem durch die Automatisierung der Logistikprozesse realisiert werden. (ajf)