Neue Standardversion SCIMv2

Identitäten sicher in der Cloud verwalten

22.10.2015 von Matthias Reinwarth
Das Standardisierungsgremium IETF (The Internet Engineering Task Force) hat mit SCIMv2 eine neue Version des Regelwerks für die Verwaltung von Identitäten in der Cloud vorgestellt. Experten hoffen auf eine weitere Verbreitung des Cloud-Identity-Standards.

Interoperabilität erfordert Standards und einer der zentralen Standards für die Verteilung von Identitäten in der Cloud ist SCIM. Ursprünglich unter der Bezeichnung "Simple Cloud Identity Management" entwickelt, stellt dieser Standard heute einen der zentralen Mechanismen zur Kommunikation mit Cloud-basierten Diensten und zur Provisionierung von Identitäten dar. Wichtige Unterstützer und Co-Autoren sind dabei unter anderem Google, Salesforce.com, Technology Nexus und Ping Identity. Ganz der Prämisse folgend, dass erfolgreiche Standards schlank und simpel sein sollen, dient SCIM, mittlerweile allgemeiner und treffender als "System for Cross-domain Identity Management" bezeichnet, genau einer Aufgabe. SCIM stellt hierfür ein RESTful HTTP-basiertes Protokoll für die zentralen Aufgaben der Verwaltung von Benutzerkonten in Applikationen und Cloud-Services zur Verfügung.

Accounts und ihr Lebenszyklus

Zentraler Aspekt sind die gerne kurz als CRUD bezeichneten Operationen.

Damit stellt SCIM Anwendern eine effiziente und einfache Möglichkeit bereit, Identitäten in Cloud-Services bereitzustellen, oder - entsprechend der IAM-Terminologie (Identity and Access Management) - diese zu provisionieren. Als offener Standard konzipiert, kann mit einer einmal bereitgestellten Schnittstelle gegen verschiedene Applikationen und Services provisioniert werden, so etwa gegen Office 365 oder Google Apps. Dies erleichtert beispielsweise die automatisierte Pflege aus dem eigenen IAM oder auch die schnelle Migration zwischen unterschiedlichen Cloud Services.

REST statt klassischer IAM-Protokolle

Statt auf bestehende Protokolle des Identitätsmanagements wie etwa das gar nicht so leichtgewichtige LDAP (Lightweight Directory Access Protocol) mit einer aufwendigen Lernkurve zu setzen, war das Ziel bei der Spezifikation und Implementation von SCIM, mit REST und HTTP eine für Web-Entwickler bekannte Protokoll-Technologie als Brücke zu den IAM-Systemen einzusetzen. In den zugrunde liegenden Protokollen (insbesondere HTTP) liegen bereits bestimmte Aspekte vor. Etwa die Authentifikation gegenüber den einzelnen Services musste nicht erneut implementiert werden, sondern kann weiterverwendet werden.

Aktualisierte Version als IETF RFCs veröffentlicht

SCIM v1.1 ist seit zirka fünf Jahren verfügbar und wird nun mit einer erweiterten Version 2.0 ergänzt und sukzessive ersetzt. Zentrale Ergänzungen und Anpassungen betreffen unter anderem die Fokussierung auf JSON und den Verzicht auf XML als Datenformat sowie die Fehlerunempfindlichkeit bei Updates, so dass Updates auf nicht veränderliche Attribute nicht fehlschlagen, sondern ignoriert werden können. Darüber hinaus können Suchoperationen sicherer durchgeführt werden, ohne vertrauliche Informationen in der URL offenlegen zu müssen. Für Anbieter von Applikationen und Cloud Services aber ist die wohl wichtigste Neuerung die Möglichkeit, eigene Ressourcen jenseits von Gruppen und Benutzern zu definieren und über das Protokoll zu dokumentieren. Die neue Version des Standards lässt hoffen, dass neben den Anbietern von IAM-Lösungen, die SCIM sowohl in der Cloud als auch klassisch on-premises schon weitgehend unterstützen, noch mehr Cloud Service Provider diese Chance einer Öffnung hin zu standardisierten Schnittstellen zukünftig unterstützen.

Kommerzielle und Open-Source-Implemetierungen verfügbar

Die neue Version ist unter dem Schirm der IETF (Internet Engineering Taskforce) erarbeitet und als drei logisch verbundene Internet RFCs veröffentlicht worden. RFC7642 stellt die grundlegenden Konzepte und Definitionen bereit, während RFC7643 das Datenmodell (Schema), etwa für Benutzer oder Gruppen, beschreibt. RFC7644 schließlich ist die eigentliche Schemaspezifikation, anhand der Entwickler im Zweifelsfall Details nachlesen können. Wichtiger für alle Nutzer dieser Schnittstelle und insbesondere auch für interessierte Cloud Service Provider, die SCIM unterstützen wollen: Referenzimplementationen sind bereits verfügbar und können eingesehen werden.

10 Schritte zum IAM-System
In zehn Schritten zum IAM
Softwarelösungen für das Berechtigungs-Management, so genannte Identity-Access-Management-Systeme (IAM), haben sich von ihrem früheren reinen IT-Fokus gelöst. Zwar werden über Single-Point-of-Administration, HR-gestütztes Provisioning und rollenbasierte Zugriffskontrolle nach wie vor Kostensenkung und effizientes Benutzermanagement realisiert. Bei den heutigen IAM-Systemen handelt es sich aber vor allem um Business-Collaboration-Plattformen, die auf eine umfassendere Beteiligung der Fachabteilungen an der Zugriffsverwaltung setzen. <br /> Sie eröffnen erweiterte Möglichkeiten für die Umsetzung von Regularien, Gesetzesvorgaben und des Risikomanagements. IAM wird damit zur tragenden Säule im Rahmen der Governance-, Risk- & Compliance-Strategie (GRC) eines Unternehmens. Der folgende 10-Punkte-Plan gibt einen Überblick, worauf bei der Einführung eines IAM-Systems zu achten ist.
Gemischte Projektteams aus IT und Business
IAM ist längst kein reines IT-Thema mehr. Meist können nur Personen außerhalb der IT, die über umfassende Kenntnisse der internen Geschäftsprozesse und der Organisation verfügen, die erforderlichen Informationen zu wesentlichen Aspekten beisteuern: Rollenkonzepte, Genehmigungsstrukturen, Erwartungen an die Nutzeroberflächen oder auch was Barrieren zwischen einzelnen Abteilungen angeht. <br />Projektteams zum Aufbau eines IAM-Systems sollten deshalb stets aus Kompetenzträgern sowohl aus der IT als auch aus dem Business bestehen.
Ziele definieren
Klar definierte Ziele und Dienstleistungen sowie ein eng gesteckter Rahmen zu deren Planung und Überwachung sind Erfolgsfaktoren eines jeden IAM-Projektes. Dies wiederum erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Mitarbeitern sowohl beim Anwender als auch dem implementierenden IAM-Hersteller. <br />Es ist daher sicherzustellen, dass alle Daten und Ziele miteinander vereinbart und von jedem am Projekt Beteiligten verstanden werden, bevor die Einführung beginnt. Jede spätere Anpassung verlängert das Projekt unnötig, sowohl zeitlich als auch hinsichtlich des Budgets.
Vor Start des Projektes: Aufräumen!
Hohe Datenqualität ist der Schlüssel für erfolgreiches Identity Access Management. Diese Ausgangssituation ist aber keineswegs selbstverständlich, wenn ein entsprechendes Projekt aufgesetzt wird. Viele Unternehmen pflegen die Zugangsberechtigungen für ihre Beschäftigten oft mehr schlecht als recht; nicht selten herrscht beim Thema Rechteverwaltung ein großes Durcheinander. Die Folgen sind fehlende Verbindungen zwischen Konten und den Nutzern, verwaiste Konten, Rechtschreibfehler, etc. <br />Jedes IAM-Projekt beginnt daher mit einer Konsolidierung der User-IDs, bei der die Benutzerkonten ihren Besitzern zugewiesen werden. So spürt man im ersten Schritt sehr schnell verwaiste Konten auf.
Umsetzung in Phasen
Eine IAM-Lösung sollte sowohl alle unternehmensweiten IT-Systeme integrieren können als auch ausreichend skalierbar hinsichtlich der Anzahl der einzubindenden Nutzer sein. Doch muss dies alles nicht auf einmal umgesetzt werden; sinnvoller ist es, das Projekt in erreichbare Zwischenziele aufzuteilen und diese Schritt für Schritt abzuarbeiten.<br /> In der ersten Phase wird dabei nur eine begrenzte Anzahl von Zielsystemen angebunden – idealerweise die wichtigsten; die Anwender nutzen zunächst nur Standardfunktionalitäten. Erste Erfolge sind dadurch schneller sichtbar, was letztlich zum schnelleren Erreichen der vollständigen Projektziele führt.
Anschluss des HR-Systems
Probleme im Bereich der Rechteverwaltung resultieren oft aus unzureichender Koordinierung zwischen Human Resources und IT-Abteilung. Meldet das HR-Team Änderungen in der Personalstruktur oder bei den Stellenbezeichnungen der IT zu spät oder sogar gar nicht, kann dies schwerwiegende Folgen haben: Personen erlangen Zugang zu Konten, obwohl sie aufgrund ihrer neuen Rolle gar kein Recht mehr dazu hätten – oder weil sie das Unternehmen sogar ganz verlassen haben. <br />Eine manuelle, nicht automatisierte Informationspolitik und dezentrales Arbeiten tragen noch dazu bei, dass sich Fehler in den Berechtigungsstrukturen schnell und unkontrolliert ausbreiten. Das HR-System sollte deshalb als erstes mit dem IAM-System verbunden werden, um hier zu einer Automatisierung zu gelangen und damit Sicherheit und Kontrolle zu gewährleisten.
Customizing auf ein Minimum reduzieren
Führende IAM-Anbieter verkaufen nicht bloß ein Toolkit. Basierend auf der Erfahrung aus vielen realisierten Projekten, sind vorkonfigurierte Standardsysteme vielmehr nach dem Best-of-Breed-Ansatz konzipiert. Auf Standardszenarien verzichten, um ein System möglichst individuell an die Gegebenheiten eines Unternehmens anzupassen, sollte deshalb die Ausnahme bleiben. <br />In einem Standardprodukt spiegelt sich bereits das langjährig erworbene Wissen eines Herstellers um die verschiedensten Herausforderungen im IAM-Umfeld und die jeweils beste Lösung wider. Der Einsatz von Standardkomponenten reduziert zudem auch Implementierung und Wartungskosten auf ein Minimum. <br />Kunden sollten sorgfältig prüfen, ob es statt aufwändigem Customizing nicht sinnvoller wäre, die vorgeschlagene Vorgehensweise eines Standardproduktes zu übernehmen und die eigenen Strukturen hinsichtlich der Prozesse, Terminologie und Verantwortung anzupassen.
Rollen implementieren
Das Bündeln von Zugriffsrechten in so genannten "Rollen" reduziert den Administrationsaufwand erheblich und stellt die Grundlage für eine Automatisierung im Bereich der Rechtevergabe dar. Eine Rolle ist die Sammlung einzelner Zugangsrechte, die für eine bestimmte Funktion oder Aufgabe im Unternehmen erforderlich sind.<br /> Role-Mining-Tools bieten Hilfe bei der Definition von Rollen und deren Optimierung über einen kontinuierlichen Prozess hinweg. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Die Einführung von Rollen erfordert mehr als eine einmalige Definition von "Zugriffsrecht-Clustern".
Rollenverantwortliche festlegen
Rollen sind lebende, wandelbare Strukturen, die einem ständigen Überwachungs- und Anpassungsprozess unterliegen sollten. Deshalb benötigen sie einen zugewiesenen Besitzer, der die Verantwortung für ihre saubere Ausgestaltung übernimmt. Er muss die Rollen regelmäßig dahingehend überprüfen, ob aufgrund von Veränderungen in der Organisation oder der IT-Systeme Anpassungen notwendig sind. <br />Was für die IAM-Einführung im Großen gilt, hat deshalb auch für das Thema Rollen Relevanz: Aufteilen eines Rollenprojektes in kleine Teilziele, Einbeziehung von sowohl Business- wie IT-Verantwortlichen.
Top-down-Vorgehen
Ein Risikobewertungssystem ist ein leistungsfähiges Werkzeug, um die einzelnen Objekte im Access Management – Benutzer, Rollen und Konten – in eine sinnvolle Rangfolge abhängig von ihrer Relevanz zu bringen. Ein solches System jedoch für die gesamte Struktur der Zugriffsrechte zu implementieren, kann zu einem zeitaufwändigen und ressourcenintensiven Projekt führen. <br />Es empfiehlt sich ein Top-down-Ansatz, bei dem die Aufmerksamkeit zunächst auf wichtige Aspekte in einem frühen Stadium des IAM-Betriebs gerichtet wird. Zu einer vollständigen Risikobewertung kann das Unternehmen dann im Laufe der Zeit aufschließen.
Schnellere Erfolge auf Fachabteilungsebene
Treiber eines IAM-Projektes sind in der Praxis oft Wirtschaftsprüfer oder IT-Manager. Um eine Akzeptanz über alle Unternehmensbereiche hinweg zu erreichen, sollte ein Anwenderunternehmen im frühen Projektstadium bereits solche Funktionen evaluieren, die sich an den Wünschen und Bedürfnissen des einzelnen Anwenders orientieren. <br />Warum nicht die verfügbaren vorkonfigurierten Workflows für Anfrage oder Passwort-Reset schon einmal anbieten, anstatt damit zu warten, bis die Lösung bei Projektende zu 100 Prozent implementiert ist? Mit diesem Ansatz wird der Nutzen eines IAM-Systems schnell im praktischen Arbeitsalltag für alle – vom Anwender bis zum Management – spürbar, was ein wichtiger Baustein für den Gesamterfolg des IAM-Projektes ist.
Realistisch bleiben
Der 10-Punkte-Plan verdeutlicht es: Moderne IAM-Systeme binden Fachabteilungen ein und verschaffen eine am Geschäftsprozess ausgerichtete und verständliche Sicht auf Identitäten und deren Rechte.<br /> Die Bäume wachsen auch beim Thema Identity Access Management nicht in den Himmel. Erfolgreich sind solche Projekte, bei denen sich die Beteiligten realistische Zwischenziele setzen und Stück für Stück zu einem unternehmensweiten IAM-System vorarbeiten. <br />Dieses erfüllt dann seinen eigentlichen Zweck: die Umsetzung der GRC-Strategie des Unternehmens.