Drei Wochen in den Wolken

Hybrid-Luftschiff zur Überwachung Afghanistans

24.09.2009 von pte pte
Das US-Militär plant den Einsatz eines Überwachungszeppelins in Afghanistan. Schon 2011 könnte das Luftschiff über dem Schlachtfeld kreisen, berichtet das Luftfahrtmagazin Aviation Week.

Der Hybrid-Zeppelin basiert auf Lockheed Martins Prototypen P-791, der schon 2006 erstmals zu einem Testflug abhob. Bis zu drei Wochen soll das Luftschiff Aufklärungsarbeit leisten können, ohne landen zu müssen. Bei dem Long Endurance Multi-intelligence Vehicle (LEMV) handelt es sich um ein sogenanntes Hybrid-Luftschiff. Es bezieht seinen Auftrieb nicht zur Gänze aus dem Helium, mit dem es gefüllt ist. "Normale Luftschiffe beziehen ihren Auftrieb auch sowohl aus Aerostatik und Aerodynamik - das Verhältnis bei unseren Modellen liegt bei etwa 95 zu fünf", sagt ein Sprecher des deutschen Luftschiffspezialisten Zeppelin NT im pressetext-Gespräch.

P-791 - Luftschiffe erleben eine Renaissance.
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Das LEMV zieht rund 80 Prozent seiner Flugfähigkeit aus dem Gas in seinem Inneren. Die restlichen 20 Prozent, die das Luftschiff zum Fliegen braucht, kommen durch aerodynamischen Auftrieb hinzu, sobald der Überwachungszeppelin die notwendige Geschwindigkeit erreicht hat. Beim Start funktioniert das Hybrid-Luftschiff ähnlich einem Hovercraft. Die für das Abheben fehlenden 20 Prozent Auftrieb erzeugt ein unter dem Luftschiff befindliches Luftkissen-System, das von starken Dieselmotoren angetrieben wird.

Einmal mit ausreichender Geschwindigkeit in der Luft, werden diese abgeschaltet und der Strom für die Antriebspropeller wird von einem Generator erzeugt. Der Auftrieb des Luftkissensystems kann auch umgekehrt werden, wodurch sich der Zeppelin gewissermaßen gen Boden saugt und selbstständig landen kann. Bei Modellen, die ausschließlich den Auftrieb ihrer Gasfüllung verwenden, ist eine völlig selbstständige Landung schwierig. Diese müssen von Bodenmannschaften an Ankerplätzen vom Himmel geholt werden.

Ursprünglich wurde der P-791 (YouTube-Video) für den Transport schwerer Lasten entwickelt. Eine sehr viel größere Weiterentwicklung des Prototypen namens "Walrus" sollte dazu verwendet werden, hunderte Tonnen an Ladung tief in feindliche Gebiete zu transportieren und dort abzusetzen. Dieses Vorhaben scheiterte letztlich daran, dass die Entwicklung eines Zeppelins, der derart große Lasten zu tragen vermag, zwar kein Problem darstellt - der Abwurf der Lasten allerdings schon. Fehlt plötzlich tonnenweise Ballast, werden Luftschiffe instabil und schnellen unkontrolliert empor.

Über eine Tonne Nutzlast

Erreicht das Luftfahrzeug dabei eine gewisse Höhe, in der sich das für den Auftrieb notwendige Helium zu sehr ausdehnt, läuft der Zeppelin Gefahr, beschädigt zu werden. Mögliche Lösungen wie die Verwendung von Wasserballast erwiesen sich allesamt als nicht praktikabel. Zusätzlich war die Höhe, in der sich das Walrus bewegen konnte, stark begrenzt - mehr als rund drei Kilometer waren nicht erreichbar, was es zum leichten Ziel für Angriffe vom Boden aus gemacht hätte. Ein größeres Ziel wäre für Angreifer kaum vorstellbar, weshalb das Projekt Walrus schließlich zu den Akten gelegt wurde.

Luftschiff-Konkept Walrus - sollte so groß wie ein Fußballfeld werden, wurde aber nie gebaut.

Nun erlebt es in Form des LEMV ein Revival. Statt in einer Transport- sieht die US-Army Luftschiffe nun in einer Spionagerolle - auf Wunsch auch unbemannt, ähnlich autonomen Drohnen, nur mit wesentlich längerer Operationszeit und der Option, sie trotzdem weiterhin durch menschliche Piloten steuern zu lassen. Das Luftschiff, das in der LEMV-Version in Höhen von bis zu sechs Kilometern operiert, wartet mit einer rund zwölf mal fünf Meter großen Ladebucht und einem Cockpit auf - insgesamt wird das Gerät voraussichtlich etwa 1,1 Tonnen an Nutzlast transportieren können.

"Auch hierzulande waren schon Luftschiffe für den militärischen Einsatz im Gespräch. An bemannten Luftschiffen hat die Bundeswehr dabei aber kein Interesse", so der Zeppelin-NT-Sprecher. Es gebe in diesem Bereich kontroverse Diskussionen, ob normale Drohnen oder Luftschiffe im Spionagebereich zielführender wären. "Drohnen sind nicht so leicht angreifbar, Zeppeline haben längere Einsatzzeiten", sagt er. Ein gewisses Potenzial für mit Gas gefüllte Flugkörper lässt sich allerdings nicht abstreiten - auch im Irak-Krieg nutzten die USA schon Fesselballons zur Aufklärung - das LEMV wäre der logische nächste Schritt. Bis Jahresende erwarten Experten eine Entscheidung für das Luftschiff zur Überwachung Afghanistans. Ist diese gefällt, soll es binnen anderthalb Jahren fertiggestellt werden. (pte)