7-Zoll-Tablet von HTC im Praxistest

HTC Flyer - Klein, aber oho

04.08.2011 von Manfred Bremmer
Der kleine 7-Zöller aus Taiwan setzt sich von der Menge an aktuellen Tablets angenehm ab - leider nicht beim Preis.

Bei der Vorstellung des "HTC Flyer" auf dem Mobile World Congress im Februar musste der taiwanische Hersteller HTC etliche Kritik einstecken. Nicht genug damit, dass das Gerät trotz ähnlicher Preismarke nur halb so groß ausfällt wie die große Mehrheit der iPad-Rivalen. Wie ein Blick in die Spezifikationen zeigt, verzichtet das Flyer außerdem auf die bei aktuellen Android-Tablets weit verbreitete Dual-Core-CPU von Tegra und verbaut stattdessen einen einfachen 1,5-Ghz-Snapdragon-Prozessor mit 1GB RAM vom Haus- und Hoflieferanten Qualcomm. Softwaretechnisch wiederum fiel die Wahl nicht auf die Tablet-optimierte Honeycomb-Version, sondern auf das Smartphone-Betriebssystem Android 2.3 (Gingerbread), das HTC etwas anpasste und seine Sense-Oberfläche überstülpte.

Trotz dieser scheinbaren Schwachpunkte erweist sich das Gesamtpaket in der Praxis als überraschend stimmig. Insbesondere für die schnelle Nutzung unterwegs ist das 7-Zoll-Gerät ideal: Dank seiner geringen Abmessungen lässt es sich bequem in der Jackentasche transportieren und kann - fast wie ein zu groß geratenes Smartphone - auch gut mit einer Hand gehalten werden. Das Vergnügen ist jedoch von nicht zu langer Dauer, denn mit 420 Gramm Kampfgewicht zieht das Flyer kräftig an den Muskeln.

Auch die scheinbare Untermotorisierung macht sich in der Praxis kaum bemerkbar. Das Laden von Programmen, die Wiedergabe von Videos oder der Wechsel von horizontaler auf vertikaler Ansicht erfolgen ohne merkliche Verzögerungen - gerade die größeren Android-Tablets wie das Motorola Xoom oder das EeePad Transformer von Asus weisen hier Defizite auf.

Hochwertige Verarbeitung

Was die Verarbeitung anbelangt, liegt das Flyer auf dem von HTC-Smartphones gewohnten hohen Niveau. Das Tablet ist mit einem schicken Vollaluminium-Gehäuse ausgestattet, Kunststoff kommt lediglich am oberen und unteren Ende zum Einsatz, wo auch die Antennen und Sensoren liegen und helfen so, ein "Antennagate" zu vermeiden. An diesen Stellen stehen auch die Kanten etwas über - vermutlich, um das Display beim Ablegen "auf dem Gesicht" vor Kratzern zu schützen. Auf der Rückseite wiederum sorgen Erhöhungen auf beiden Enden dafür, dass das Flyer trotz gewölbten Deckels flach auf dem Tisch liegt.

Bedienen lässt sich das Tablet sowohl vertikal wie auch horizontal, die Inhalte drehen allerdings nur in einer Richtung mit. Orientierungshilfe bieten hier die Frontkamera (Querformat) beziehungsweise das HTC-Logo. Wegen des Seitenverhältnisses von 16:10 eignet sich das Display bevorzugt für den Konsum von Videos - im Querformat. Für das Surfen im Web - im Längsformat - wäre ein Seitenverhältnis von 4:3 dagegen besser geeignet, da viele Seiten breiter bauen. Ansonsten ist das Display über jede größere Kritik erhaben: Mit einer Auflösung von 1024 mal 600 Bildpunkten kommt das HTC-Tablet zwar nicht ganz an das Apple iPad heran, weist aber wegen des kleineren Bildschirms eine deutlich höhere Pixeldichte auf und ermöglicht somit eine schärfere Darstellung. Ansonsten wird das Display von den üblichen Problemen von Tablets und Smartphones geplagt - eine Nutzung im Freien und bei starker Sonneneinstrahlung ist fast unmöglich.

Foto: HTC

Als besondere Note verzichtet das HTC-Tablet gänzlich auf physische Bedienelemente auf der Vorderseite. Stattdessen sind im Rahmen drei Soft-Keys für Startbildschirm, Menü und Zurück integriert. Rechts daneben ist ein weiteres, gelb beleuchtetes Symbol für den mitgelieferten Stift. In Verbindung mit der HTC-Anwendung "Kritzeln" kann man damit Screenshots von Websites, Dokumenten etc. bearbeiten, malen oder Notizen (mit integrierter "Evernote"-App) machen. Für die Bedienung ist der Stylus aber nicht gedacht.

Gute Ausstattung

Auch mit den übrigen Features muss sich das Flyer nicht vor der Konkurrenz verstecken. So besitzt das Gerät Front- und Rückkamera mit 1,3 beziehungsweise 5 Megapixel Auflösung, GPS und die üblichen Sensoren für Lage, Licht oder Bewegung (Gyskop). Der interne Speicherplatz beträgt 16 (WLAN-Version) beziehungsweise 32 GB (UMTS-Modell) und ist über eine MicroSD-Karte erweiterbar. Positives ist auch vom Akku zu berichten: Dieser macht sich bei der Nutzung nämlich praktisch gar nicht bemerkbar, Laufzeiten von einem Tag oder mehr sind kein Problem. Lediglich bei den Schnittstellen hat HTC etwas gespart - hier gibt es nur eine spezielle USB-Buchse, die auch zum Laden genutzt wird - anders als andere Hersteller hat HTC hier auf proprietäre Stecker verzichtet.

Softwaretechnisch hebt sich der Flyer dank Android 2.3 und HTC Sense positiv von Honeycomb-Geräten wie dem Motorola Xoom ab. Der Nutzer bewegt sich in einer von Android- und HTC-Smartphones gewohnten Umgebung, alles ist schnell erreichbar, nichts wackelt oder stürzt gar ab. Als einziger Nachteil sind die potenziell langen Wartezeiten auf Updates zu erwähnen, gemessen an Android 3.0 beziehungsweise 3.1 verpassen Flyer-Nutzer aktuell allerdings wenig, sieht man von der damit möglichen Speicherverschlüsselung, USB-Host und der neuen Screenshot-Funktion einmal ab.

Auch die virtuelle Tastatur aus dem Sense-Sortiment lässt sich dank taktilem Feedback gut bedienen, als Kleinigkeit könnte man lediglich bemäkeln, dass es statt einem .de-Feld nur eine .com-Abkürzung gibt. Neben Sense hat HTC bereits eine Reihe von Anwendungen auf dem Flyer vorinstalliert. Im privaten Umfeld sind dabei etwa die Online-Videothek HTC Watch, die Kiosk-App "Pressreader" oder "Snapbooth" (Fotostudio) zu nennen, während sich Anwendungen wie die Büro-Suite Polaris Office, das bereits erwähnte Evernote, ein Sprachrekorder oder eine Wetter-App gut für berufliche Zwecke eignen.

Fazit: Weniger ist mehr

Mit dem HTC Flyer ist es den Taiwanern gelungen, die von ihren Smartphones bekannte Verarbeitung und Funktionalität auch auf Tablets zu übertragen und so im von Apple iPad dominierten Markt eigene Akzente zu setzen. Wenn das Gerät nicht ganz perfekt ist, füllte es dennoch gut die Nische zwischen Smartphone und iPad/Netbook. Die Qualität lässt sich HTC mit 500 (WLAN-Version) beziehungsweise 700 Euro (UMTS-Version) allerdings auch teuer bezahlen.