HP-Schnüffelskandal: Gerät Firmenchef Hurd jetzt selbst in Gefahr?

25.09.2006
Mark Hurd, Chef von Hewlett-Packard (HP), hat eingestanden, in die Bespitzelungen von Journalisten und Unternehmensangehörigen involviert gewesen zu sein. Die seit Wochen im Kreuzfeuer stehende Vorsitzende des HP-Direktoriums, Patricia Dunn, trat mit sofortiger Wirkung von diesem Amt zurück.

Auf einer Pressekonferenz nach Börsenschluss am 22. September 2006 hat Hurd erstmals öffentlich eingestanden, in den Spionageskandal bei HP involviert zu sein. Für entsprechende Informationen in diese Richtung gab es bislang keine Bestätigung. Außerdem gab Hurd bekannt, dass Dunn sofort von ihrem Amt als Direktoriumsvorsitzende zurücktritt. Dieser Schritt war bislang erst für Anfang 2007 vorgesehen gewesen. Dunn sagte, das Direktorium habe sie aufgefordert, zurückzutreten. Hurd wird in Personalunion mit seinem Posten als Chief Executive Officer (CEO) auch den Board-Vorsitz übernehmen.

Der HP-Chef sagte vor der Presse, er sei in die Vorgänge involviert gewesen. Das Unternehmen hatte 2005 die Sicherheitsfirma Security Outsourcing Services Inc. (SOS), aus Needham im US-Bundesstaast Massachusetts beauftragt, die undichten Stellen in HPs Top-Management und im Direktorium ausfindig zu machen. HP hat dies erstmals öffentlich bestätigt. Zwei Monate, nachdem SOS seine Tätigkeit aufgenommen hatte, schaltete sich auch HPs Global Security Division in die Ermittlungen ein. Bis Juli des vergangenen Jahres konnte aber der Maulwurf, der vertrauliche Interna im Zusammenhang mit der Entlassung der ehemaligen Firmenchefin Carleton Fiorina im April 2005 an Medien weitergegeben hatte, nicht gefunden werden.

Als im Januar 2006 erneut Informationen über ein vertrauliches Board-Meeting an die Öffentlichkeit gelangten, beauftragte HP eine zweite Untersuchung, die wiederum SOS und die Global Security Division erledigten.

Board-Chefin Dunn, HP-CEO Hurd, HPs Chefsyndikus Ann Baskins und Jim Fairbaugh, Leiter von Global Security, erklärten sich nach den jetzt vorliegenden Informationen alle einverstanden mit der zweiten Untersuchung. Dunn and Baskins wurden in den folgenden drei Monaten ständig über die laufenden Untersuchungen auf dem neuesten Stand gehalten, sagte Mike Holston. Holston ist Anwalt in der Kanzlei Morgan, Lewis & Bockius LLP. Er wurde am 8. September 2006 von HP beauftragt, die Vorgänge um die Schnüffelpraktiken sowohl von HP selbst als auch von externen Firmen aufzuarbeiten.

Holston gab ferner zu Protokoll, es sei mittlerweile klar, dass HP sowohl interne E-Mails als auch Instant Messages habe kontrollieren lassen. Außerdem seien HP-Direktoriums-Mitglieder und mindestens ein Journalist überwacht worden. Die professionellen Schnüffler hatten sich als HP-Angestellte ausgegeben, um an Telefondaten von Mitarbeitern und Journalisten zu kommen. Darüber hinaus seien verschiedene Personen beschattet und mit Video-Kameras gefilmt worden, um Treffen von Pressevertretern und Maulwürfen zu dokumentieren, berichtete das "Wall Street Journal" bereits vor den jetzt offiziellen Darstellungen von HP und von Holston. Der Rechtsbeistand der beauftragten Sicherheitsfirma SOS habe, so Holston weiter, HP darüber informiert, dass die angewandten Praktiken legal seien.

Im Zuge der Schnüffelaktion teilte Tony Gentilucci, ein Mitarbeiter von HPs Global Security Division und Mitglied des firmeninternen Untersuchungsteams, der Sicherheitsfirma SOS die Sozialversicherungsnummer (Social Security Number) eines HP-Angestellten mit. SOS wiederum übergab diese und weitere Sozialversicherungsnummern anderer HP-Mitarbeiter an die Action Research Group. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Privatdetektei, die in Melbourne, Florida beheimatet ist, sagte Holston weiter. Action Research benutzte diese Informationen, um unbefugt Zugang zu privaten Telefondaten zu bekommen. Auch die Involvierung von Action Research ist von HP erst jetzt offiziell bestätigt worden.

Holston berichtete darüber hinaus, dass die Schnüffler einem Cnet-Reporter eine E-Mail von einem fiktiven HP-Mitarbeiter sandten. Diese elektronische Post beinhaltete einen versteckten Anhang, einen so genannten Tracer. Mittels dieses Tracers wollten die Spione ausfindig machen, wen der Journalist kontaktieren würde. Auf diese Weise sollte die undichte Stelle bei HP gefunden werden. In einem Artikel der "Washington Post" vom 21. September 2006 wurde die Identität des ausspionierten Reporters gelüftet. Es handelt sich um Dawn Kawamoto. Holston sagte, man könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, ob der Tracer tatsächlich aktiviert wurde. HP-Chef Hurd hatte in seiner Rede vom 22. September zugegeben, er habe die Versendung der gefälschten E-Mails gebilligt. Allerdings habe er nicht gewusst, dass hierbei ein Tracer benutzt worden sei.

Holston sagte schließlich, man habe auch erwogen, als Putzkolonne getarnte Spione in die Redaktionen von Cnet und des "Wall Street Journal" zu schicken. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass man diese Undercover-Aktion jemals ausgeführt habe.

Im März 2006 präsentierten die Investigatoren schließlich einen Bericht, in dem der Maulwurf genannt wurde. Es handelte sich um Board-Mitglied George Keyworth. Dieser hatte nach seiner Enttarnung eingestanden, mit Medien in Kontakt gestanden zu haben. Er ist nach anfänglichem Zögern bereits aus dem Direktorium ausgeschieden.

Fragen beantwortete Hurd bei der Pressekonferenz nicht. Er sagte, es sei notwendig gewesen, die undichte Stelle ausfindig zu machen. Er hielt ausdrücklich seine Hand über Dunn. Sie habe im Interesse der Firma gehandelt.

Hurd fuhr fort, dass immer noch Fakten der firmeninternen Ermittlungen zusammengetragen werden müssten. Einen entsprechenden Ergebnisbericht habe er noch nicht gelesen. Eine unabhängige Überprüfung der zurückliegenden Vorgänge solle weitere Klarheit bringen, sagte der HP-Chef.

Hurd soll demnächst vor dem Unterausschuss für Energie- und Handelsfragen des Repräsentantenhauses aussagen. Neben der Justiz ermittelt mittlerweile auch die US-Börsenaufsicht Securities Exchange Commission (SEC). Sie hat Informationen unter anderem zum Rücktritt des weiteren Direktoriumsmitglieds Thomas Perkins eingefordert. Perkins war aus Protest gegen die möglicherweise gegen geltendes Recht verstoßenden Schnüffelaktionen von HP zurückgetreten.

Die Meinungen von Analysten und Branchenexperten zum Eingeständnis von Hurd, in die Affäre verwickelt zu sein, gingen auseinander. Einige Beobachter glauben, dass der HP-Chef aus dieser Sache nicht unbeschadet herauskommen dürfte. Shaw Wu von American Technology Research etwa ist der Meinung, "dass wir noch nicht alle Antworten haben". Gartner-Analyst Martin Reynolds sagte demgegenüber: "Ich erwarte nicht, dass dabei irgendetwas herauskommt". Das laufende Geschäft von HP dürfte von dem Skandal unberührt bleiben, fügte er hinzu. (jm)