Outsourcing in der Krise

Hosting-Services rücken in den Fokus

10.02.2009 von Diego Wyllie
Vor allem im Mittelstand, wo finanzielle und personelle Ressourcen knapp sind, verfolgen Unternehmen bei der Auslagerung von IT-Aufgaben zumeist das gleiche Ziel: Kosten zu sparen. In der Krise gewinnen Hosting-Services deshalb noch stärker an Bedeutung.

Geschäftskritische IT-Systeme sollen immer verfügbar sein, performant und sicher laufen, deren Investitions- und Betriebskosten aber möglichst gering bleiben. Die Frage, wie sich diese Anforderung in der Praxis am besten erreichen lässt, treibt die CIOs nach wie vor um. Viele von ihnen setzen auf In-house betriebene Rechenzentren, in denen all die wichtigen Business-Applikationen laufen. In Deutschland soll es nach Angaben des Hosting-Providers Strato AG aus Berlin rund 50.000 Rechenzentren geben; die meisten davon sehr klein und von Unternehmen betrieben, deren Kernkompetenz nicht im IT-Betrieb liegt. Aktuelle Marktdaten belegen allerdings, dass immer mehr Firmen Teile ihrer Rechenzentren an externe Dienstleister auslagern.

"Die Hosting-Services sind in den vergangenen Jahren des Wachstums trotz kontinuierlicher Preisreduzierungen gewachsen. Das heißt, für das gleiche Geld bekommen die Kunden heute mehr Leistung." beobachtet Hartmut Lüerßen, Geschäftsführer beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Lünendonk. "Trotzdem ist der Gesamtumsatz im Hosting gewachsen - ein Trend, der sich weiter fortsetzen dürfte". Die Marktforscher von Techconsult bestätigen dies und gehen in diesem Jahr trotz schwachem Marktumfeld von einem überdurchschnittlichen Wachstum des deutschen Hosting-Marktes von etwa fünf Prozent aus; nächstes Jahr leicht darüber. "Ursache des Wachstums ist häufig die Hoffnung, Kosten zu sparen und zunehmend Fachkräftemangel im SAP-Betrieb" erklärt dazu Techconsult-Experte Alexander Kubsch.

Schwache Konjunktur treibt Hosting-Geschäft an

Die aktuelle Wirtschaftskrise gibt dem ohnehin wachsenden Hosting-Markt zusätzliche Impulse. So zeigt beispielsweise eine aktuelle Studie des Karlsruher IT-Beratungshauses Orga GmbH, dass mehr als ein Drittel der rund 300 befragten mittelständischen und Großunternehmen überlegt, erstmals Hosting-Services in Anspruch zu nehmen. (vergleiche dazu: "Schwache Konjunktur animiert CIOs zum Hosting"). "Während es für den Großteil der globalen Wirtschaft finster aussieht, zeichnet sich im Outsourcing-Markt eine gegensätzliche Entwicklung ab", kommentiert Allie Young, Vice President bei Gartner, die Auslagerungstendenz.

Hartmut Lüerßen: Der Hosting-Markt wird nicht so stark von der Wirtschaftskrise beeinflusst wie das Projektgeschäft.

Lünendonk sieht die aktuelle Entwicklung im Hosting-Geschäft ähnlich: "Wir erwarten, dass der Hosting-Markt nicht so stark von der Wirtschaftskrise beeinflusst wird wie das Projektgeschäft." erklärt Lüerßen. "Im Gegenteil: Wenn in der aktuellen Phase die geplanten Nutzungszyklen von Servern oder Desktops auslaufen, spricht vieles für ein Verschieben der Investitionen oder zu einem partiellen Outsourcing an einen Dienstleister". Als einen der wesentlichen Gründe für diese Entwicklung sieht der Analyst vor allem die Tatsache, dass Hosting-Services den operativen Betrieb der Unternehmensprozesse unterstützen. "Ein weiterer Grund, warum der Hosting-Markt weniger von der Krise beeinflusst werden dürfte, sind die längeren Vertragslaufzeiten, die für verzögerte Effekte sorgen", so der Analyst weiter. In diesem Zusammenhang weist er allerdings darauf hin, dass bei aktuell anstehenden Vertragsverlängerungen der Preisdruck sich sehr wohl auswirken dürfte.

Was Hosting bringt

Beim Hosting bezieht der Kunde über einen Mietvertrag mit klar definierten Kostenstrukturen die Rechenleistungen eines Service-Providers. Das heißt, Softwarelösungen, die momentan im Haus betrieben werden, laufen künftig im Rechenzentrum des Providers. Dabei wird entweder ein (oder mehrere) dezidierter Server bereitgestellt oder die Lösung läuft auf einer eigenen Partition größerer Maschinen, erläutert Techconsult-Analyst Kubsch.

Je nach Hosting-Produkt kann es hier um das komplette Management der gemieteten Server inklusive beispielsweise das Aufspielen von Updates, Pflege des Systems und darunter liegender Datenbanken gehen - dabei spricht man von Managed Hosting - oder lediglich um das Bereitstellen der Server-Kapazitäten. Im letzten Fall werden sämtliche Wartungs- und Pflegemaßnahmen per Fernzugriff selbst ausgeführt.

Anwender mit Outsourcing wollen Leistungsqualität steigern

Je nach Hosting-Modell gibt die IT-Abteilung des auslagernden Unternehmens mehr oder weniger Verantwortung ab. In jedem Fall soll aber das interne IT-Team entlastet werden, damit es sich auf strategischere Aufgaben konzentrieren kann, etwa die Optimierung IT-gestützter Geschäftsprozesse. Auch auf Unternehmensebene soll eine weitere Fokussierung auf die Kernkompetenzen für die Auslagerung von IT-Aufgaben sprechen. Dazu Strato-Vorstandsvorsitzender Damian Schmidt: "Hosting bedeutet, bei der IT einen logischen Schritt zu tun und sich einen professionellen Partner zu suchen, dessen Hauptgeschäft der effiziente IT-Betrieb ist".

Jedoch sehen die Anwender dies in der Praxis jedoch nicht als primäres Ziel. Die Reduzierung der laufenden Kosten stellt in den meisten Fällen das Hauptziel der auslagernden Betriebe dar. Die erwähnte Orga-Studie belegt ferner, dass 60 Prozent der Befragten durch die Auslagerung eine höhere Leistungsqualität und weitere 58 Prozent mehr Sicherheit anstreben. Eine stärkere Konzentration auf die Kernkompetenzen durch das Hosting streben indes nur 46 Prozent der befragten Firmen an.

Primäres Ziel: Kostensenkung

Besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen, in denen immer mehr Firmen zum Rotstift greifen, rückt der Kostenfaktor verstärkt in den Fokus. Betriebskosten in der Unternehmens-IT lassen sich durch geeignete Hosting-Dienste senken, meinen nicht nur die Provider. Auch unabhängige Experte wie Lüerßen messen dem Kostensenkungspotenzial, der durch Outsourcing entsteht, eine große Bedeutung bei: "Hosting-Anbieter können durch Skalierungs-Effekte Hochverfügbarkeits-Umgebungen zu Preisen anbieten, die deutlich günstiger sind als der Eigenbetrieb bei einem mittelständischen Unternehmen".

Wie Uwe Braun, Geschäftsführer und Gründer von Host Europe erklärt, fängt das beim Bau eines energieeffizienten Rechenzentrums an und geht über die intensivere Nutzung der Internet-Anbindung bis hin zum Großeinkauf von Hard- und Software. Ferner würden sich die Aufwendungen für das spezialisierte Personal bei einem Hoster auf mehrere Kunden verteilen. Ein weiteres Kostensenkungspotenzial liege darin, dass beim Mieten einer externen IT-Infrastruktur nur Kosten auf Basis der Nutzung entstehen. Im Eigenbetrieb würden indes auch weitere Investitionen anfallen, etwa für notwendige Überkapazitäten.

Zugang zu bezahlbaren Spezialisten

"Geringere Kosten im laufenden Betrieb sind in der Tat ein überzeugendes Argument beim Outsourcing von IT-Aufgaben." meint dazu Oliver Harmel, Sales and Marketing Director Central Europe beim Hosting-Anbieter NTT Europe Online. "In mittelständischen Unternehmen aller Branchen kommt jedoch ein weiterer zentraler Aspekt hinzu: Die eng begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen, die für die Bereitstellung und den Betrieb einer hochverfügbaren IT-Infrastruktur nötig sind." Steht ein Generationswechsel bei den eingesetzten Applikationen an oder soll eine völlig neue Lösung eingeführt werden, schauen sich die Mittelständler zunehmend nach Alternativen um, betont Harmel.

Auch Kubsch verweist auf das Personalproblem hin: "Insbesondere im SAP-Umfeld sind für einige Systeme Mitarbeiter so teuer geworden, dass insbesondere Installationen in kleineren Unternehmen Schwierigkeiten haben, von Profis betreut zu werden". Hier könne ein Hosting sinnvoll sein, um Zugang zu bezahlbaren Spezialisten zu haben.

Durch Hosting sinkt Flexibilität der Lösungen

Eine stärkere Fokussierung aufs Kerngeschäft, die Entlastung der eigenen IT-Abteilung sowie Kostensenkungspotenziale, aber auch weitere technische Vorteile wie etwa höhere Sicherheit, breitbandige und redundante Anbindung an das Internet, redundante Klimatisierung, unterbrechungsfreie Stromversorgung, oder flexible Skalierbarkeit sprechen also für ein externes Hosting. Wie sieht es aber mit den Nachteilen aus? Was sind die Bedenken der Anwender?

Provider und Analysten wie auch Anwenderunternehmen scheinen sich in einem Punkt einig zu sein: Beim Hosting verringert sich die Flexibilität für die Realisierung individueller Ideen. Dazu Techconsult-Spezialist Kubsch: "Die Flexibilität im Betrieb der ausgelagerten Lösung sinkt häufig, weil Anpassungen des Systems künftig recht teuer sind und daher nicht selten weniger weiterentwickelt wird als bei einer Installation im eigenen Rechenzentrum". Auch für bestimmte Projekte brauche man beim Hosting gelegentlich mehr Vorlauf, berichtet der Hosting-Kunde Getmobile AG aus Erfahrung: "Die Anmietung weiterer Server-Kapazitäten dauert mehrere Wochen und im Gegensatz zum eigenen Server-Raum kommt eine Zwischenlösung, den dringend notwendigen neuen Server vorübergehend 'irgendwo' aufzustellen nicht in Frage" (siehe dazu den Projektbericht auf der letzten Seite dieses Beitrags).

Erfahrung im Dienstleister- und Vertrags-Management sind wichtig

Alexander Kubsch: Bei wenig Erfahrung in Vertragsgestaltung und dem Management externer Dienstleister kommt es häufig zu unschönen Überraschungen im Betrieb.
Foto: xyz xyz

Zu den Nachteilen zähle ferner auch die Tatsache, dass Prozess-Veränderungen frühzeitig mit dem Dienstleister abgesprochen werden müssen, so die Experten. Auch der Aufwand für Schnittstellen- und Vertragsmanagement würde sich erhören: "Bei wenig Erfahrung in Vertragsgestaltung und dem Management externer Dienstleister kommt es häufig zu unschönen Überraschungen im Betrieb" warnt Kubsch und macht auf einen weiteren wichtigen Aspekt aufmerksam: "In der Praxis wird häufig der Fehler begangen, den Betrieb von Lösungen auszulagern, die man selbst nicht zufriedenstellend in den Griff bekommt. Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit wird das auch einem Dienstleister nicht gelingen". Die erfolgreichsten Outsourcing-Projekte seien diejenigen, die vorher problemlos beim Anwender funktioniert haben.

Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile, empfiehlt NTT Europe Online Unternehmen, vor dem Hintergrund ihrer individuellen Situation einige grundlegende Fragen für sich zu beantworten:

Hosting-Kunde berichtet aus der Praxis

Bei der Outsourcing-Entscheidung spielen in der Praxis oftmals verschiedene Gründe gleichzeitig eine Rolle. Für die Firma Getmobile AG beispielsweise waren es in erster Linie technische und Kostengründe, die sie zur Ausgliederung der unternehmenskritischen Geschäftsanwendungen an einen Hoster bewegt haben. Mit rund 80 Mitarbeitern in München und Trier ist das mittelständische Unternehmen im Bereich Online- und TV-Vertrieb von Handys mit Postpaid-Verträgen und zusätzlichen Produkten unter anderem aus der IT- und Unterhaltungselektronik tätig.

Bei seinem Hosting-Partner, der Mesh Solutions GmbH aus Düsseldorf, betreibt das Unternehmen derzeit in zwei Racks mehrere Solaris-Server, einen ESX-Cluster, und eine Oracle-RAC-Datenbank (RAC = Real Application Cluster) Darauf werden nach Angaben von Patrick Bosch, CIO bei Getmobile, die meisten Internet-Auftritte der Getmobile Europe PLC und ihrer Tochtergesellschaften realisiert.

"Mit steigendem Wachstum mussten wir nach außen hin (Web-Services) eine immer höhere Bandbreite zur Verfügung stellen. Dies redundant in einem dafür nicht geschaffenen Bürogebäude zu tun wäre sehr kostenintensiv gewesen" berichtet der CIO. Auch die Nachrüstung eines angemessenen Brandschutzes wäre ebenfalls mit hohem Aufwand verbunden gewesen und für die physische Server-Sicherheit hätten in-house die Möglichkeiten gefehlt. "Durch den Wegfall störanfälliger Betriebsbereiche (Klimatisierung, Stromversorgung, Internet-Anbindung) im Hause ist eine erhebliche Entlastung der IT-Administratoren eingetreten" bestätigt Bosch einen weiteren wichtigen Vorteil, der durch Outsourcing entsteht. (fn)