Honorare bleiben unter Druck

10.01.2006 von Joachim Hackmann
Die Tagessätze für IT-Berater verharren im Tief. Neue Bezahlmodelle halten Einzug.

Seit fünf Jahren ist der westeuropäische Markt für Systemintegration von Überkapazitäten sowie dürftigen Auslastungsraten und Margen geprägt. In der Folge haben die Tagessätze im Jahr 2005 ein Rekordtief erreicht und werden einer Umfrage des Marktforschungshauses Forrester Research zufolge in absehbarer Zeit nicht nennenswert steigen. Eine erste Erhebung Anfang vergangenen Jahres hat lediglich gezeigt, dass sich der Preisverfall nicht weiter fortsetzt. Eine zweite Befragungsrunde unter 361 Anwenderunternehmen und 16 Systemintegratoren im November 2005 bestätigte, dass sich die Preise auf niedrigem Niveau stabilisiert haben.

Hier lesen Sie...

  • wie hoch die Tagessätze für IT-Consultants derzeit sind;

  • warum in absehbarer Zeit die Honorare nicht steigen dürften;

  • welches Beratungs-Know-how gefragt ist;

  • wieso Anbieter neue Bezahlmodelle anstreben.

Pascal Matzke, Forrester: "Erfahrene Berater sind derzeit rar."

"Die Zeiten, in denen Partner internationaler Beratungshäuser 5000 Euro und mehr pro Tag bekommen haben, sind endgültig vorbei", berichtet Pascal Matzke, Principal-Analyst bei Forrester Research.

Kostenlose Services

Dem zuletzt in der Branche aufkeimenden Optimismus, der unter anderem davon getragen wurde, dass erste Beratungs- und IT-Dienstleistungshäuser wieder Mitarbeiter einstellen und von guten Auslastungsquoten berichten, mag sich Matzke nicht anschließen: "In den vergangenen 18 Monaten haben viele Firmen erheblichen Stellenabbau betrieben, um ihre Beschäftigung wieder auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Es gibt immer noch große Anbieter mit Auslastungsquoten von 55 bis 60 Prozent."

Dem anhaltenden Wettbewerbsdruck begegnen die Anbieter mit großen Zugeständnissen an die Kunden. So ist es heute durchaus gang und gäbe, Vorarbeiten für Projekte, etwa Aufwandsabschätzungen, kostenlos zu erbringen. Während die Kunden diese Assessments früher je nach Zeit- und Materialaufwand zahlten, verrechnen die Anbieter derartige Leistungen ihrer Berater heute unter den Vertriebskosten. Geld bringt das nicht ein, aber die Auslastungsquote steigt. Zudem leisten die Projektanbieter gerade zum Ende eines Projekts insbesondere dann kostenlose Mehrarbeit, wenn für das Folgeprojekt die Vertriebsmitarbeiter des Konkurrenten bereits beim Kunden vorstellig geworden sind. "Overdelivery" nennt Forrester-Analyst Matzke diese Praxis: "Das sind klassische Symptome eines krisengeschüttelten Marktes."

Anwender fördern Strukturwandel

Die Kunden profitieren nicht nur von den niedrigen Preisen, sie fördern mit ihrem geänderten Einkaufsverhalten den Strukturwandel in der IT-Dienstleistungsbranche. Anwenderunternehmen vergeben nur noch überschaubare Projekte, laut Matzke legen sie sich auf maximal 120 Manntage fest. Länger laufende Vorhaben werden zerstückelt und mit Sollbruchstellen versehen, an denen der Auftrageber aussteigen kann, wenn er mit der gelieferten Leistung nicht zufrieden ist. Zudem bündeln vor allem Großunternehmen ihren konzernweiten Bedarf. Sie vereinbaren mit den IT-Dienstleistern Rahmenverträge mit erheblich rabattierten Tagessätzen. Die einzelnen Fachbereiche können dann Kapazitäten je nach Bedarf und zu den vereinbarten Bedingungen abrufen.

Tagessätze in Euro

2000

2001

2002

2003

2004

2005*

Junior Consultant

790

730

690

650

640

640

Consultant

870

830

780

730

700

690

Senior Consultant

1310

1290

1250

1200

1220

1220

Director Consultant

1670

1550

1500

1450

1500

1550

Junior Partner

1980

1890

1850

1820

1850

1920

Partner

2850

2700

2550

2500

2500

2530

Die von Forrester erhobenen Tagessätze können in Deutschland um 20 Prozent nach oben und bis zu 20 Prozent nach unten abweichen. *Schätzung; Quelle: Forrester Research

Wenngleich indische IT-Dienstleister hierzulande noch keine großen Projekte gewinnen konnten, haben sie dennoch deutliche Spuren im IT-Servicemarkt hinterlassen. "Jeder Kunde lädt in Ausschreibungen wenigstens einen indischen Anbieter ein, und sei es nur, um den Preis zu drücken", berichtet Matzke. Die meisten in den Industrienationen beheimateten IT-Dienstleister haben längst auf diese Herausforderung reagiert und Near- beziehungsweise Offshore-Center in Niedriglohnländern installiert, während die indischen Anbieter mit eigenen Niederlassungen nach Europa kommen. Allesamt streben sie an, den Kunden mit einem Mix aus Vor-Ort- sowie Near- und Offshore-Kräften gute Arbeit zu günstigen Preisen zu liefern. Forrester Research schätzt, dass Anbieter 30 bis 40 Prozent der Projektarbeiten in Niedriglohnländer verlagern.

Mainframe-Experten sind gefragt

Die neue Lieferkette und die Abkehr der Anwender von großen ERP- und SAP-Projekten haben zudem zu einer Nachfrage nach neuen Consultant-Typen gesorgt, die es derzeit in Deutschland nicht in ausreichendem Maße gibt. Erforderlich sind zum einen koordinierende Berater mit guten Kundenkontakten und ausgeprägtem IT- oder Fach-Know-how, zum anderen Spezialisten für bestimmte technische und fachliche Herausforderungen. "Erfahrene Berater sind derzeit rar. Die wenigen mit dem erforderlichen Fachwissen ausgestatteten Consultants verdienen sehr viel - übrigens auch in Indien", warnt Matzke. Mangel an Arbeitskräften gibt es zudem bei den Entwicklern für Mainframe-Applikationen, im Bereich Application Enterprise Integration sowie in einigen vertikalen Segmenten. Matzke nennt hier insbesondere Berater, die sich mit Kernbankensystemen auskennen.

Festpreise sind beliebt

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Unter dem anhaltenden Druck auf die Preise und Margen forcieren die Anbieter neue Entlohnungsmodelle, wenngleich sie damit in Industrienationen wie Japan, Frankreich und Deutschland nur langsam vorankommen. Hierzulande dominiert noch die aufwandsbezogene Abrechnung, in der die Berater nach den vereinbarten Tages- und Stundensätze entlohnt werden. Um das finanzielle Risiko zu begrenzen, das in diesem Modell allein der Auftraggeber trägt, vereinbaren Dienstleister und Anwender mittlerweile zumeist Obergrenzen. Nahezu zwei Drittel der in Deutschland betriebenen Projekte werden laut Forrester-Erhebung nach Zeit- und Materialaufwand abgerechnet. Auch mit Festpreisaufträgen haben sich hiesige Anwender angefreundet. 32 Prozent der abgeschlossenen Projektaufträge beinhalten solche Vereinbarungen.

Kombinierte Bezahlmodelle

Weltweit, so Forrester, ist dieses Bezahlmodell auf dem Vormarsch, weil es den Partnern unter bestimmten Voraussetzungen entgegenkommt: Anwenderunternehmen bietet die feste Bezahlung Preistransparenz und geringes Risiko, wenn die Aufgabe klar definiert ist. IT-Dienstleister können damit ihre günstigen Tagessätze kaschieren. Außerdem eröffnen Festpreismodelle ihnen die Möglichkeit, durch gutes Projekt-Management und ein sinnvoll abgestecktes Aufgabenspektrum ordentliche Gewinne zu erzielen.

Aus ähnlichen Gründen drängen die Anbieter gerne auf eine erfolgsabhängige Bezahlung. In der Hoffnung, mit guter Arbeit gute Gewinne einzufahren, experimentieren die IT-Dienstleister mit dieser komplizierten Vergütungsform und stoßen damit bei Unternehmen im asiatisch-pazifischen Raum sowie unter Banken und Handelsunternehmen in den USA auf Resonanz. Forrester-Analyst Matzke erwartet eine Kombination aus allen drei Spielarten: "Die Assessment-Phase wird nach Zeit- und Materialaufwand und die Implementierung zum Festpreis abgerechnet", schildert er. "Gehen die Vorhaben in die Betriebs- und Wartungsphase über, werden typischerweise Gewinnbeteiligungs- oder Bonus-Malus-Abkommen abgeschlossen, für die geschäftsbezogene Service-Level-Agreements vereinbart werden."

Wofür sich welche Bezahlmodelle eignen

Eine aufwandsbezogene Preisgestaltung bietet sich für kleine, überschaubare Projekte an. Auch Vorhaben, deren Umfang zum Start nicht genau zu definieren ist, können so abgerechnet werden, doch erfordert diese Bezahlart ein strenges Projekt-Management des Auftraggebers.

Gibt es eine eindeutige Aufgabenstellung, bietet sich ein Festpreismodell an. Der Schlüssel zum Erfolg ist für Anwender, den Umfang des Projekts genau zu definieren und daran festzuhalten. Alle Änderungen und Ergänzungen lassen sich die Anbieter extra entlohnen und werden daher teuer.

Eine erfolgsabhängige Bezahlung fordert die Leistungsfähigkeit des Anbieters heraus, braucht aber Detailarbeit bei der Vertragsgestaltung. Die Partner müssen sich einigen, wie sie den Erfolg messen und wie oft und zu welchen Zeitpunkten eine Erhebung und die Bezahlung erfolgt. Forrester rät den beteiligten Unternehmen zu solchen Modellen nur, wenn sie bereits eine lange und standfeste Partnerschaft unterhalten haben.