Die Software der Walldorfer ist oft zu teuer

Hohe Betriebskosten machen Mysap und R/3 unattraktiv

24.09.2002 von Martin Ottomeier
Schon lange versucht Weltmarktführer SAP mit seiner Standardsoftware auch im Mittelstand Fuß zu fassen. Bislang mit eher geringem Erfolg. Einer der Gründe: Einführung und Unterhalt der Systeme kosten zu viel.

DIE WAHREN KOSTEN der SAPSoftware zeigten sich erst auf den zweiten Blick. Die Lizenzen für die zur Auswahl stehenden Softwarelösungen von Soft M und SAP hätten bei der Sankyo Pharma GmbH, München, noch in etwa gleich stark zu Buche geschlagen. Doch dann wurde es richtig teuer. „Die SAP-Einführung hätte bei uns mindestens zu den dreifachen Kosten geführt“, erinnert sich Max Schöner, Geschäftsführer bei Sankyo. Damit war das Thema SAP für ihn erledigt.

Sankyo ist kein Einzelfall. Gerade mittelständische Anwender machen immer wieder die Erfahrung, dass die Einführung der SAP-Software viel teurer ist als die Anwendung eines mittelständischen Spezialanbieters. Beratereinsatz, Mitarbeiter aus dem eigenen Haus für Produktkonfiguration und Schulung, Hardwareleistung - Mysap.com braucht von allem mehr. 30 Prozent höhere Kosten sind normal, das gestehen selbst SAP-Kunden ein. Und auch die Lizenzpreise können in Einzelfällen deutlich höher ausfallen. Dass sich trotzdem einige Unternehmen für die Mittelstandslösung aus Walldorf entscheiden, hat seinen Grund in der Funktionalität. Insbesondere für international tätige Unternehmen eignet sich die für den weltweiten Einsatz ausgelegte SAP-Software. Die Basisfunktionen beherrschen aber alle Anbieter - und daher kommen bei kleineren Unternehmen vor allem auf den Mittelstand konzentrierte Anbieter zum Zug.

Hoher Aufwand bei Einführung

So auch bei der Evotec OAI AG, Hamburg. Bei dem Unternehmen kam SAP vor allem wegen des Aufwands für die interne Pflege nicht in Frage. Evotec hatte 1999 eine neue Unternehmenssoftware eingeführt. In die engere Wahl kamen Navision Financials und SAP R/3. Den Ausschlag für Navision gab die Möglichkeit, Änderungen zum Beispiel an Reports selbständig vornehmen zu können. „Bei SAP ist das immer mit Programmieraufwand verbunden“, berichtet Anja Bosler, die bei Evotec für das DV-System zuständig ist. Diese Eigenheit hat vor allem zu Preisunterschieden bei der Einführung der Software geführt. „Während die Lizenzkosten für SAP nur rund 28 Prozent über denen von Navision lagen, wäre die Einführung rund doppelt so teuer gewesen.“ Das ist nach Ansicht von Bosler vor allem darauf zurückzuführen, dass der Anpassungsaufwand bei Navision viel geringer ist.

Die Implementierungsphase im Unternehmen war nach wenigen Tagen abgeschlossen und die Software einsatzbereit. Auch der Schulungsaufwand hielt sich mit drei Tagen im Rahmen. Bei dem Biotech- Unternehmen Evotec arbeiten rund 15 Mitarbeiter mit der Software.

50 000 Euro gespart

Die Kosten waren auch bei der IWT Industrielle Wickeltechnik GmbH, Erlangen, einer der Gründe, warum sich das Unternehmen gegen SAP und für Apertum entschieden hat. Die Gesamtkosten der Installation samt Kauf von Servern beliefen sich für die mittlerweile in Microsoft-Hand befindliche Software auf rund 77 000 Euro, verglichen mit zirka 128 000 Euro für SAP R/3 - „nicht eingerechnet die Kosten des permanenten Consultings“, betont Roland Lemmer, Geschäftsführer der IWT. Für den Apertum-Betrieb benötigt das Unternehmen lediglich eine Stunde pro Woche.

 

 

 

 

Dass geringe Kosten nicht unbedingt einen Verzicht auf Funktionen zur Folge haben, zeigt das Beispiel des Deutschen Alpenvereins e.V., München. „Ein Verband wie der Deutsche Alpenverein stellt spezifische Anforderungen, die eine reine Standardsoftware nicht abdecken kann, zum Beispiel bei der Adressverwaltung, der Kursverwaltung und der Buchhaltung“, beschreibt Norbert Maier, Kaufmännischer Leiter bei der Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins, die Anforderungen. Obwohl bei der Einführung von Navision zirka 30 Prozent der Funktionen an die Organisation anzupassen waren, ließen sich die laufenden DV-Ergänzungskosten niedrig halten. Der Grund: Viele Modifikationen können selbst vorgenommen werden zum Beispiel das Einfügen neuer Felderin die Datenbank oder die Abänderung von Reports. „Natürlich ist es für uns als Non-Profit-Organisation wichtig, dass sich die Kosten im Rahmen halten“, stellt Maier klar, aber „bei der Auswahl der Software stand zunächst die funktionale Abdeckung unserer Anforderungen im Vordergrund, und nicht der Preis“.

Trotz des vergleichsweise hohen Preises kommt SAP wegen der breitgefächerten Funktionalität immer wieder ins Spiel. „Mittelständische Kunden entscheiden sich häufig dann für SAP, wenn sie im Ausland aktiv sind - auch wenn SAP dann teurer ist -, weil die Funktionalität hier im Vergleich zum Wettbewerb viel ausgereifter ist“, beobachtet zum Beispiel Holger Behrens, Mitglied im Vorstand des SAP-Partners Command AG, Ettlingen. Das bestätigt auch der Unternehmenssoftware-Experte Helmuth Gümbel vom Münchner Beratungsunternehmen Strategy Partners: „SAP bietet mit Mysap eine sehr mächtige Software.

Gerade größere mittelständische Unternehmen finden hier Funktionen, die in anderen Paketen nicht enthalten sind und daher teuer zusätzlich entwickelt werden müssten.“ Martin Boll, Geschäftsführer der auf den Mittelstand ausgerichteten SAP-Tochter Steeb Anwendungssysteme GmbH, Abstatt, macht außerdem die Erfahrung,

Zuverlässigkeit vor Preis

dass sich viele Kunden heute für SAP entscheiden, weil sie sich einen Softwarelieferanten wünschen, der langfristig die Weiterentwicklung des Produkts sicherstellen kann und dessen Existenz im zurzeit harten Wettbewerb gesichert ist.

 

 

 

 

Eine Studie der Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst & Young gibt den beiden SAP-Verkäufern recht: Nur 19 Prozent, so ein Ergebnis der Studie, achten vor allem auf den Preis, aber 56 Prozent auf die Zuverlässigkeit des Anbieters. Die Konsequenz: Immerhin ein Drittel der Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen fünf und 99 Millionen Euro nutzen SAP-Software. Über die Hälfte der befragten Firmen griffen zu einem Konkurrenzprodukt.

Ein Drittel nutzt SAP

Bei Großunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro verhält es sich genau umgekehrt. Hier nutzen über die Hälfte die SAP-Software und nur ein Viertel die Programme eines anderen Anbieters.

Die Lösungen der SAP-Konkurrenten dürften für die mittelständische Klientel in der Regel kaum schlechter sein als das Walldorfer Produkt. Für 61 Prozent der Befragten in der Cap-Gemini- Ernst&Young-Studie steht bei der Auswahl nämlich der funktionelle Leistungsumfang im Vordergrund. „Für viele Mittelständler ist der Preis zwar wichtig, spielt aber nicht die Hauptrolle“, stellt Uwe Leichtfuhs, Senior Consultant bei Cap Gemini Ernst & Young, fest. Wichtiger sei, was für das Geld geboten werde und ob die geforderten Ziele einer Softwareeinführung sowohl kurz- als auch langfristig erreicht werden könnten.

Trotzdem muss die SAP-Einführung nach Ansicht von Boll nicht teurer sein als bei Mitbewerbern, zum Beispiel durch Lean- Management bei der Einführung, bei dem Entscheidungen schnell und nur von wenigen getroffen werden.

Das sieht auch Behrens so: „Die Branchenlösungen sind heute so ausgereift, dass individuelle Erweiterungen oft nicht mehr nötig sind. Und wer eine Einführung eng am Standard macht, kommt auch mit kurzen Projektlaufzeiten von vielleicht 120 Tagen aus - die benötigen auch andere Standardsoftwareanbieter.“

Auf diese Weise konnte zum Beispiel die Murrplastik Systemtechnik GmbH, Oppenweiler, ihre Einführungskosten im Griff halten. „Damit die Kosten nicht ausufern, ist es unbedingt nötig, sich so eng wie möglich an den Standard zu halten, um mit wenig individuellen Erweiterungen auszukommen - ansonsten ist der Pflegeaufwand zum Beispiel bei Release- Wechseln enorm“, erläutert Marco Krämer, Prokurist bei Murrplastik Systemtechnik. Sein Unternehmen hat sich trotz rund 30 Prozent höherer Kosten für SAP entschieden, „weil keine andere Standardsoftware unseren Funktionsbedarf so gut abgedeckt hat wie Mysap.com“. Vor allem der Variantenkonfigurator und der weltweit mögliche Einsatz der Software seien von großer Bedeutung gewesen.

Festpreis vereinbaren

Außerdem besteht die Firmengruppe aus zwei Kernunternehmen, von denen das eine vertriebsorientiert und das andere ein Produktionsunternehmen ist. „Mit Mysap.com konnten wir die verschiedenen Organisationsformen in einer Software abbilden.“

Doch das allein reicht Mittelständlern nicht. Trotz hoher Kosten - Planungssicherheit musste es bei Murrplastik schon geben. Unter anderem war der Dienstleister Steeb bereit, die Software zum Festpreis einzuführen. Doch das wollen nicht alle Partner. Das musste auch Sankyo-Geschäftsführer Schöner feststellen. „Die Kosten für die SAP-Einführung waren damit für uns nicht kalkulierbar“, resümiert Schöner. „Ausschlaggebend war, dass Soft M ein Festpreisangebot gemacht hat.“