Gartner Symposium ITxpo 2010

Hoffen und Bangen im IT-Markt

08.11.2010 von Wolfgang Herrmann
Die konjunkturellen Rahmendaten für die IT-Branche zeigen nach oben. Doch Gartner rät IT-Verantwortlichen zur Vorsicht.

Zum Auftakt des 20. Gartner Symposium ITxpo in Cannes zeichneten Analysten ein vorsichtig optimistisches Bild des weltweiten IT-Marktes, verwiesen jedoch auch auf weiter bestehende Risiken für IT-Manager in Unternehmen. Nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitut IHS Global Insights wird das globale Bruttosozialprodukt 2011 im Vergleich zum laufenden Jahr um 3,3 Prozent zulegen, erläuterten die Gartner-Experten Ken McGee und Dale Kutnick. Am schnellsten wachsen demnach die Volkswirtschaften in China mit 8,6 Prozent und Indien mit 8,1 Prozent. Europa hinke mit einer Zuwachsrate von 1,7 Prozent hinterher.

Trotz der insgesamt positiven Rahmendaten ging die Marktkapitalisierung der rund 45.000 börsennotierten Unternehmen zwischen Mai und Juli 2010 deutlich zurück. Schuld daran seien die enorme Staatsverschuldung und die anhaltend hohen Arbeitslosenzahlen, so Gartner. IT-Verantwortliche sollten sich vor diesem Hintergrund für eine zweite Rezession wappnen und ein Schattenbudget für den Worst Case planen.

Garnter Prognose 2010
Auf der Gartner Symposium/ITxpo 2010 in Orlando präsentierte Gartner die zehn wichtigsten Technologien und Trends für IT-Unternehmen. Lesen Sie, welche Entwicklungen in den kommenden Jahren von strategischer Bedeutung sind.
Cloud Computing:
Zwei Arten von Cloud-Services bestimmen aktuell den Markt: die "Open Cloud" und die "Closed Cloud". In den kommenden drei Jahren verwischt die Grenze zwischen diesen beiden Arten. Angebote aus der Public Cloud werden in „private Wolken“ gepackt, die Firmen in ihre IT einbinden können. Bis 2012 richten Unternehmen immer öfter eigene Sourcing-Teams ein, die für die komplette Cloud-Administration verantwortlich sind.
Mobile Applications and Media Tablets:
Bis Ende 2010 besitzen rund 1,2 Milliarden Menschen ein mobiles Gerät wie Smartphone oder Tablet. Speziell für die Geräte angepasste Applikationen bieten eine bequeme und direkte Bedienung, und das immer und überall. In den kommenden Jahren werden Kunden diese Applikationen immer öfter webbasierten Angeboten vorziehen und vorzugsweise über „Apps“ Informationen empfangen und kommunizieren.
Social Communications and Collaboration:
Social Media Angebote lassen sich gemäß der Gartner-Terminologie in vier Kategorien einteilen: - Social Networking wie Facebook, Xing und andere „Verzeichnisse“. - Social Collaboration: Wikis, Blogs und andere Formen von vernetzem Wissen. - Social Publishing: YouTube, Flickr und weitere Plattformen für ein einfach Publizieren. - Social Feedback: Plattformen wie Amazon oder idealo bieten Platz für Kundenrezensionen. Bis 2016 fließen solche Technologien in jede Business-Anwendung ein. Unternehmen führen damit ihr CRM-System, die interne Kommunikation und Kollaboration sowie die öffentliche Webpräsenz zusammen.
Video:
Das Medium Video wird auch außerhalb der Medienbranche immer beliebter. Gartner geht davon aus, dass ab 2013 mehr als 25 Prozent der Inhalte, die ein Mensch täglich konsumiert, nicht mehr über Text, sondern über Bilder, Audio und Video transportiert werden. Als Standardmedium für die Interaktion zwischen Usern werde sich ebenfalls Video etablieren.
Next Generation Analytics:
Zunehmende Rechenleistung, bessere Konnektivität und eine starke Vernetzung wirken sich laut Gartner auf die Entscheidungsfindung von Unternehmen aus. Anstatt wie bisher Entscheidungen auf Datenauswertungen aus der Vergangenheit zu stützen, wird es möglich sein, komplexe Simulationen zu fahren, die einen sehr exakten Ausblick bieten. Die Erfolgsraten stiegen damit deutlich an.
Social Analytics:
Unter dem Begriff Social Analytics fassen die Gartner-Experten alle Prozesse zusammen, die der Messung, Analyse und Interpretation der Interaktion und Beziehung zwischen Menschen dienen, egal ob diese im geschäftlichen Umfeld oder dem Social Web stattfinden. Dafür müssen von verschiedenen Quellen Daten gesammelt und Beziehungen identifiziert werden. Für Unternehmen geht es speziell darum, den Einfluss, Nutzen und Qualität einer Beziehung zu bewerten. So können Manager Trends und auch neue Arbeitsweisen für Unternehmen identifizieren.
Context-Aware Computing:
Im Zentrum des „Context-Aware Computing“ steht das Konzept, Informationen über die Vorlieben der Nutzer und seine jeweilige Umgebung zu erfassen. Ziel ist, die Qualität der Dienste für den Endnutzer zu maximieren. Egal ob im geschäftlichen oder privaten Umfeld könnten Dienstleister künftig Informationen und Funktionen anbieten, die auf die jeweilige Nutzungs-Situation angepasst sind. Gartner geht davon aus, dass bis 2013 rund 500 Unternehmen „Context-Aware Computing“ unterstützen werden - bis 2016 werde ein Drittel aller Dienste für den weltweiten mobilen Markt „Context-Aware“ sein.
Storage Class Memory:
Aus der Sicht von Gartner spielen Flash-Speicher eine immer größere Rolle in Endgeräten und Servern. Flash-Speicher biete beispielsweise den Vorteil, dass er gegenüber dem sonst üblichen RAM auch ohne Strom seine Informationen behalten könne - ähnlich wie Festplatten oder DVDs. Dennoch verfügen er gleichzeitig über ähnliche schnelle Zugriffszeiten wie RAM.
Ubiquitous Computing:
Laut Mark Weiser und weiteren Forschern der Xerox's PARC steht bald die dritte Welle des Computing bevor. Zuerst wurden große Mainframes von mehreren Menschen genutzt, daraus entwickelten sich die PCs und jeder Nutzer hatte mindestens einen eigenen Rechner. Im Zeitalter des Ubiquitous Computing kommen nun auf jeden Menschen mehrere Computer von unterschiedlicher Form und Größe. All diese Geräte sind unter anderem über RFID-Chips vernetzt und tauschen ständig Informationen und Anweisungen aus. Bisherige zentralistische Ansätze der IT-Infrastruktur sollen damit endgültig der Vergangenheit angehören.

Budgets wachsen nur langsam

Dass viele Unternehmen dem konjunkturellen Aufschwung noch nicht so recht trauen, lässt sich auch an der Entwicklung der IT-Budgets ablesen. Im Vergleich zum Krisenjahr 2009, als die weltweiten Budgets um mehr als acht Prozent einbrachen, rechnet Gartner für das laufende Jahr lediglich mit einem Anstieg um 1,1 Prozent. Im Zeitraum von 2011 bis 2016 werden die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten in Europa und Nordamerika bei unter drei Prozent verharren, lautet die Prognose. Demgegenüber könnten CIOs im asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum und in Lateinamerika mit Zuwächsen von mehr als sieben Prozent rechnen. CIOs gingen "kreativ" mit den knappen Mitteln um und finanzierten neue Investitionen über Einsparungen im operativen Betrieb, beobachten die Analysten.

Dessen ungeachtet erwartet Gartner im laufenden Jahr einen Anstieg der weltweit getätigten IT-Ausgaben um 3,2 Prozent. 2009 war der Wert noch um 4,9 Prozent zurückgegangen. Die höchsten Zuwachsraten für 2010 erzielt demnach der Hardwaremarkt mit einem Plus von 9,4 Prozent auf knapp 366 Milliarden Dollar. Zwar entfalle die Hälfte der Zuwächse auf eine anziehende Nachfrage von Privatnutzern. Doch auch Unternehmen gäben im Zuge von Ersatzbeschaffungen wieder mehr Geld für Hardware aus. Den zwölfprozentigen Einbruch aus dem Vorjahr könnten die IT-Hersteller damit aber noch nicht wettmachen, kommentieren die Analysten. Erst 2011 sei mit Umsätzen zu rechnen, die über dem Niveau von 2008 lägen. Dies gelte auch für den gesamten IT-Markt.

Eher moderat wird den Berechnungen zufolge der weltweite Softwaremarkt zulegen. Die Analysten rechnen für 2010 mit einem Umsatzzuwachs von 4,5 Prozent; 2009 waren die Ausgaben um 2,6 Prozent zurückgegangen. Für IT-Services geben die Unternehmen demnach im laufenden Jahr weltweit lediglich 0,7 Prozent mehr aus, nach einem Minus von gut fünf Prozent im Jahr 2009. Die Anbieter im Markt für Telekommunikation dürfen sich laut Gartner über einen Umsatzanstieg von 2,8 Prozent freuen (Vorjahr: minus 3,6 Prozent).

Europa hinkt hinterher

Geht es um die IT-Ausgaben von Unternehmen, bilden die Europäer einmal mehr das Schlusslicht. Erst im Jahr 2011 rechnet Gartner für den Raum EMEA (Europa, Nahost und Afrika) wieder mit einem kleinen Zuwachs von 1,3 Prozent auf 795 Milliarden Dollar. EMEA ist damit die einzige Region weltweit, in der sowohl 2009 als auch 2010 die IT-Ausgaben sinken. Für das laufende Jahr erwartet Gartners Forschungschef Peter Sondergaard einen erneuten Rückgang um 2,1 Prozent auf 785 Milliarden Dollar.

"EMEA ist damit die Region, die den weltweiten Abschwung am langsamsten überwindet", kommentierte Sondergaard die Zahlen. Mit einem Rückgang von 3,3 Prozent in 2010 schneide Westeuropa dabei besonders schlecht ab. Nach seiner Einschätzung wird die Wachstumsschwäche anhalten. Für den Zeitraum bis 2014 rechnet er in Westeuropa mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von lediglich 0,8 Prozent. (wh)