Raus aus dem Silo

Hilfreiche Tipps gegen die Bürokratie im Unternehmen

17.11.2015 von Dr. Thomas Scholtis
Über Bürokratie schimpft jeder. Allerdings ist der ausufernde Verwaltungs- und Papierkram keine Naturkatastrophe, sondern häufig selbstgemacht. Mit den richtigen Tipps können Sie die Bürokratie im Unternehmen eindämmen.

Eine Zahl, die Anlass zu Besorgnis gibt: Zwischen 2010 und 2014 gingen die Unternehmensneugründungen von 417.000 Gründungen auf 309.000 zurück. Es scheint zunehmend wenig attraktiv zu sein, sich selbständig zu machen. Dies hat sicherlich auch mit den vielen bürokratischen Steinen zu tun, die Staat und Verwaltung potenziellen Gründern und jungen Unternehmern in den Weg legen und im Übrigen auch etablierte Unter-nehmen behindern.

Dass die Bürokratie tatsächlich als Last wahrgenommen wird, belegt eine Studie von TNS Emnid im Auftrag des Software-Unternehmens Sage. Danach stufen Entscheider von 400 deutschen Unternehmen die Bürokratie als hoch oder sehr hoch ein - mit steigender Tendenz. Beispiele staatlicher Regelungswut aus der jüngsten Zeit: Die "Dokumentationspflicht bei psychischen Gefährdungsbeurteilungen" oder die "Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff".

Die Kritik ist berechtigt - und doch geht sie am eigentlichen Problem vorbei. Den größeren Teil ihrer Bürokratie schaffen sich die Unternehmen nämlich selbst - mit komplizierten Urlaubsanträgen, Reisekostenabrechnungen, Beschaffungsformularen um nur einige zu nennen.

Machen wir uns nichts vor: Der von Politikern immer wieder versprochene Bürokratieabbau wird niemals kommen, die Zahl der Gesetze und Regeln wird eher noch zunehmen. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmer ihre Prozesse so effizient und flexibel machen, sodass ihnen das nichts ausmacht.

Jedes Unternehmen ist anders und doch finden sich die mehr oder weniger gleichen Probleme und Ansatzpunkte überall. Hier einige Tipps, wie Sie Ihr Unternehmen bürokratieresistent machen.

Bürokratie
Peter Dewald, Geschäftsführer Deutschland bei Sage Software
"Die Praxis hat gezeigt, dass die Neuerungen des Gesetzgebers just zum Jahresende kommen, und dann hat der Softwarehersteller kaum Chancen, diese vor Mitte Januar in seine Software einzupflegen, zu testen und freizuschalten."
Bürokratie ist ein Jobkiller - Studie von Sage Software
Sieben von zehn Befragten der Studie sagen, die bürokratische Belastung sei im letzten Jahr sogar noch gestiegen.
Bürokratie ist ein Jobkiller - Studie von Sage Software
Die Bürokratie ist ein Hemmschuh für Bauvorhaben und Investitionen und zudem ein Jobkiller, besagt die Studie. Vielfach wird übersehen, dass auch Marktexpansion und Produktentwicklung beeinträchtigt sind.
Bürokratie ist ein Jobkiller - Studie von Sage Software
Neun von zehn Befragten der Studie empfinden die Bürokratielast als zu hoch. Negativer Spitzenreiter unter den Lasten sind die Steuern und Abgaben.
Jürgen Henke, Geschäftsführer der Metallwerke Renner GmbH in Ahlen, Westfalen
"Bürokratie bedeutet nicht nur ständiges Ausfüllen von Formularen für Mindestlohn & Co., sondern auch das Einrichten von entsprechenden Prozessen wie SEPA, damit die Berichte und Anfragen auch korrekt ausgefüllt werden."

Tipp 1: Digitalisieren Sie

Sicherlich fallen Ihnen selbst in Ihrem Unternehmen Prozesse ein, die nicht digitalisiert sind und die man digital besser lösen könnte. Manche Betriebe führen zum Beispiel ihre Urlaubslisten in Excel, was schon mal nicht schlecht ist. Unsinnig wird es allerdings, wenn diese Listen ausgedruckt und in Hängeregistern archiviert werden. Das ist kein erfundenes Beispiel, sondern kommt häufiger vor als Sie denken.

Ein Beispiel, wie man es besser macht: In einem Betrieb laufen fast alle Aufgaben durch mehrere Hände, etwa die Anforderung eines neuen Schreibtischs oder der Urlaubsantrag. Wer was wann zu sehen bekommt und abzeichnen muss, hat sich oft über Jahre eingeschliffen - es funktioniert, aber effizient ist es nicht. Wenn man die Prozesse mit einem Workflow-Designer neu anlegt, fällt einem oft erst auf, wie überflüssig manche der Arbeitsschritte waren. Diese Softwarefunktion ist relativ simpel, hilft aber, schlanke Prozesse zu definieren und einzuführen. Das Abzeichnen des Urlaubsantrags ist dann nur noch ein Mausklick und erfordert keinen Laufzettel aus Papier.

E-Mails, Silodenken & Rotstift

Tipp 2: Schaffen Sie das Papier ab

Wenn die Digitalisierung konsequent betrieben wird, macht sich Papier automatisch überflüssig. Denkt man. Doch das papierlose Büro, das immer wieder beschworen wird, hat sich immer noch nicht durchgesetzt. Trotzdem bin ich optimistisch, dass das in den nächsten Jahren in zunehmendem Tempo geschehen wird. Vielleicht nicht für sensible Dokumente,

Verträge und ähnliches. Aber für Urlaubslisten oder Bestellprozesse gibt es einfach zu bedienende Software, die das Erfassen, das Archivieren und das Teilen von Daten erleichtert - ganz ohne Papier, sicher gespeichert in der Cloud.

Ein Beispiel ist die digitale Personalakte, die unter anderem auch Zeugnisse erfasst. Oder die digitale Rechnung: Viele Unternehmen verschicken ihre Rechnungen nach wie vor per Post, obwohl die elektronische Rechnung laut einer Studie von Deutsche Bank Research im Schnitt 11,60 Euro spart. Viele Unternehmen verschicken pro Monat hunderte, manche sogar über zehntausend Rechnungen per Post - und verpulvern so eine Menge Geld.

Tipp 3: Schaffen Sie E-Mails ab

Wie bitte? Sie bekommen täglich hunderte E-Mails und können deshalb unmöglich darauf verzichten? Doch, können Sie, gerade deshalb. In der Kommunikation mit anderen Unternehmen wird uns E-Mail sicher noch viele Jahre erhalten bleiben, doch die Mehrzahl der Mails, die täglich das Postfach füllen, sind von Kollegen oder Partnern, mit denen man einfach nur ein paar Worte wechseln möchte. Der Austausch, wie er früher an der Kaffeemaschine stattfand, läuft heute über E-Mail und das macht es aufwändiger bei gleichzeitig geringerem Nutzen.

Ihr Unternehmen sollte deshalb so etwas wie eine virtuelle Kaffeemaschine einführen. Das sind schlanke Kollaborationsplattformen ähnlich wie Facebook oder Whatsapp, über die sich Teams schnell und direkt austauschen können. Dort kann man abteilungs- oder themenspezifische Gruppen anlegen, über die man sich zielgerichteter austauschen kann. Und alles Wissenswerte zu einem Thema ist an einem Platz.

Noch besser ist nur dieser Tipp: Ersetzen Sie die alte Filterkaffeemaschine durch eine neue Espressomaschine (mit kostenlosem Kaffee) und freuen Sie sich über den wachsenden Austausch unter den Kollegen.

Tipp 4: Machen Sie mobil

Arbeitnehmer wünschen sich mehr Mobilität im Arbeitsalltag. So wollen Außendienstmitarbeiter unterwegs mittels Smartphone oder Tablet vollen Zugriff auf ihren Schreibtisch haben, viele Arbeitnehmer sehen das mobile Computing - das zeit- und ortsunabhängige Arbeiten - als Bereicherung an, außerdem erhöhe es die Arbeitseffizienz. Der Arbeitgeber muss die Voraussetzungen schaffen - mit Daten und Prozessen, die durchgängig digitalisiert und über die Cloud aus dem Internet erreichbar sind. Für immer mehr Erfordernisse im Arbeitsalltag gibt es heute einfach zu bedienende mobile Apps, etwa zur Reisekostenabrechnung oder für den Urlaubsantrag.

Tipp 5: Bekämpfen Sie das Silodenken

Meine Abteilung, mein Projekt, mein Herrschaftswissen. Viele Mitarbeiter denken so, weil sie es so gewohnt sind und weil die Strukturen dieses Denken fördern. Und weil es schwer aufzubrechen ist. Zum Glück helfen die oben genannten Maßnahmen wie Digitalisierung und Neuordnung von Prozessen dabei. Denn Software kennt keine Abteilungs- und Wissensgrenzen, sondern schafft neue Strukturen, die an den tatsächlichen betrieblichen Erfordernissen ausgerichtet sind. Ein Beispiel: In einem Unternehmen mit gewerblichen Kunden, das einen Onlineshop betreibt, müssen IT-Abteilung, Buchhaltung, Warenwirtschaft und Produktion zwangsläufig zusammenarbeiten, denn sie arbeiten mit denselben Daten.

Tipp 6: Moderne Arbeitswelten als Voraussetzung für Talente

Junge Mitarbeiter - und gerade die talentiertesten - achten bei der Auswahl des Arbeitgebers nicht nur auf gute Reputation, Karrieremöglichkeiten und Work-Life-Balance. Durch die zunehmende Verschmelzung von Privat- und Berufsleben kommt der Unternehmenskultur, auch geprägt von den Abläufen im Unternehmen und den dabei verwendeten Medien, zunehmende Bedeutung zu. Nicht allein das gebotene Gehalt ist entscheidend, sondern das Gesamtpaket. Und dabei insbesondere Art und Ort zu arbeiten. Unternehmen, die hier nicht modern aufgestellt sind, werden im Kampf um die Talente am Markt nicht gewinnen können.

Nun mag sich manch Unternehmer denken: "Das ist doch alles zu teuer und zu aufwändig". Das hören wir vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Keine Frage: Die genannten Maßnahmen erfordern gewisse Investitionen in Zeit und Geld. Nach den allgemeinen Erfahrungen machen sich die Maßnahmen zur Straffung von Abläufen und zur Digitalisierung aber schon nach wenigen Monaten bezahlt. Sich diese Investitionen zu sparen, würde nur die Bürokratiemonster stärken - die im eigenen Haus und die aus staatlicher Aufzucht. (hal)