Green IT Best Practice Award

Hetzner Online - Innovativer und energieeffizienter Datacenterpark

07.12.2011
Die Hetzner Online AG hat einen Datacenterpark aufgebaut, der nicht nur durch sein innovatives Konzept, sondern auch durch seine Energieeffizienz hervorsticht. Das Unternehmen hat in der Kategorie "Energieeffiziente IT-Systeme" gewonnen.
Hetzner Online AG wurde Sieger in der Kategorie "Energieeffiziente IT-Systeme"
Foto: Green-IT-BB

Hetzner zählt zu den führenden Webhosting-Unternehmen und Rechenzentrumsbetreibern in Deutschland. Bis zum Jahr 2009 verfügte das Unternehmen über zwei räumlich getrennte Hochleistungsrechenzentren in Nürnberg. Beide Rechenzentren waren historisch gewachsen und verfügten unter anderem über seinerzeit übliche klassische Rechenzentrumskomponenten, die in den Jahren 1998 bis 2000 errichtet wurden. Hierzu zählten etwa handelsübliche Trockentransformatoren und redundante 12-Puls-USV-Anlagen. Auch herkömmliche Präzisionsklimageräte beispielsweise von Liebert beziehungsweise Emerson mit Superchillern, die der Kaltwassererzeugung dienten, gehörten zum Gerätepark.

Eine der beiden Anlagen war in der Lage, bei Außentemperaturen von unter fünf Grad Celsius ganz oder teilweise mit indirekter freier Kühlung zu arbeiten. Die Rechenzentren waren für eine IT-Kapazität von jeweils 1200 Kilovoltampere (KVA) - also der Anschlussleistung von Elektrogerätschaft - ausgelegt. Sämtliche Komponenten, die für den Betrieb geschäftskritisch sind, waren in N+1-Redundanz ausgelegt. Die Auslastung der Rechenzentren hatte allerdings mit etwa 90 Prozent eine kritische Größe erreicht.

Die Sieger des Green-IT-Best-Practice-Awards 2011
Sieger der Kategorie "Energieeffiziente IT-Systeme" - Hetzner Online
Die Hetzner Online AG hat einen Datacenterpark aufgebaut, der nicht nur durch sein innovatives Konzept, sondern auch durch seine Energieeffizienz hervorsticht. Das Unternehmen hat in der Kategorie "Energieeffiziente IT-Systeme" gewonnen.
Sieger der Kategorie "Einsatz von IT-Systemen zur Optimierung von Prozessen" - Sparkasse Pforzheim Calw
Die Sparkasse Pforzheim Calw suchte als ökonomisch und ökologisch orientiertes Unternehmen nach einer Lösung, die den Energieverbrauch ihrer gesamten IT-Landschaft und des Gebäudemanagements umfasst. Sie wurde fündig.
Sieger der Kategorie "Visionäre Gesamtkonzepte" - LOEWE CSC Goethe Universität Frankfurt
Am Center for Scientific Computing der Goethe-Universität in Frankfurt hat man bewiesen, dass höchste Rechenleistung und ökologisches Handeln eine zukunftweisende Allianz eingehen können.
Sieger Kategorie "Sonderpreis" - Q2Web
Das ist schon mal eine starke Ansage: Die Verantwortlichen der Q2Web GmbH behaupten, der "konsequente Einsatz unserer Technologie" habe eine Einsparung von 90 Prozent der Ressourcen zur Folge. Und das rechnen sie einem dann auch vor.

Leistungsfähigkeit ausgereizt

Die Hetzner Online AG stand deshalb - auch wegen der steigenden Kundennachfrage - vor der Notwendigkeit, ihre Rechenzentrumskapazität erweitern zu müssen. Im Vordergrund sollten dabei ökologische wie ökonomische Aspekte stehen. Weitere Zielsetzungen waren eine hohe Verfügbarkeit und eine möglichst optimale Ausbaufähigkeit. Insbesondere dem Thema Skalierbarkeit galt hohe Priorität.

Nur auf der grünen Wiese

Es zeigte sich schnell, dass all diese Voraussetzungen nur mit einem Ansatz zu verwirklichen war: dem der grünen Wiese. In den nun folgenden Projektphasen wurden alle Komponenten eines RZ, bei denen Verlustleistungen - also ein reduzierter Energiewirkungsgrad zu konstatieren ist - untersucht. Dies mündete in Lösungsansätzen, die den Stand der technik wiedergaben, wie er heute gegeben ist. Insbesondere bei diesen Projektschritten machte die Hetzner Online AG Erfahrungen, die für Webhoster nicht untypisch sind.

Nicht von der Stange

Es stellte sich nämlich schnell heraus, dass in einigen Bereichen zwar gemeinsam mit Lieferanten wie etwa dem Klimasystemhersteller der Stulz Gruppe aus Hamburg oder dem französischen Energieversorgungsdienstleister Socomec interessante Referenzprojekte entwickelten werden konnten. Allerdings gab es auch Anforderungen, für die der Markt keine individuellen Lösungen bereit hielt. Hier entwickelte die Hetzner Online AG beispielsweise die Klimasteuerungen oder die Gebäudeformsamt zugehöriger Luftführung, die Kaltgangeinhausungen oder automatisierte Echtzeit-Messdatenauswertung selbst. Insbesondere bei der Klimatisierung und der Luftführung untersuchten die Projektverantwortlichen vielfältige Alternativen. Sie bewerteten hierbei Kühloptionen wie Brunnenwasser, Geothermie, Kaltwassersysteme mit Kühltürmen oder auch Freiwasserbecken. Am meisten überzeugte schließlich eine Kühlvariante aus klassischer Kompressionskälte mit Direktverdampfern in Verbindung mit direkter freier Kühlung durch Frischluftzufuhr.

Jetzt geht‘s los: Die Projektphasen

Die vielfältigen Anforderungen an das Gebäude machten es notwendig, dass zunächst ein geeignetes Grundstück für das neu zu erbauende Data Center gefunden werden musste. Kriterien waren unter anderem ein entsprechend großes Grundstück, natürlich musste eine redundant ausgelegte Glasfaseranbindung gewährleistet sein. Die räumliche Nähe zu einem Umspannwerk, das einen Strombezug in der Größenordnung von 20.000 KVA sicherstellt, war ebenso Voraussetzung wie eine möglichst kühle Klimazone. Von Bedeutung war zudem ein günstiger Zuschnitt des Grundstücks. Dieses sollte zu guter Letzt in der Nähe der bereits bestehenden Rechenzentren in Nürnberg gelegen sein.

Lässt sich das Hetzner-Modell übertragen?

Der PUE-Wert des Datacenterparks der Hetzner Online AG wurde vom TÜV Süd mit bemerkenswerten 1,12 im Jahresdurchschnitt zertifiziert. Erreicht werden konnte dies nur, weil das Unternehmen konsequent energiesparende Lösungen einsetzt. Dabei werden 100 Prozent des verwendeten Stroms aus regenerativen Quellen erzeugt. Der Einsatz neuer Techniken wie etwa der direkten freien Kühlung, gepaart mit einem innovativen Gebäudekonzept, machte erst ein RZ-Konzept möglich, das sich von herkömmlichen Ansätzen wesentlich unterscheidet. Viele der Lösungsansätze sind allerdings auch auf andere RZ übertragbar. Hierzu zählen die Hetzner-Verantwortlichen unter anderem:

Energieoptimierte Transformatoren sind besonders verlustarm und leisten einen direkten Beitrag zur Energieeinsparung.

Transformatorlose USV-Anlagen, die in IGBT-Technik ausgelegt sind, stellen derzeit den Stand der Technik dar. Hinter dem Akronym IGBT verbirgt sich ein Insulated-Gate-BipolarTransistor, zu Deutsch ein Bipolartransistor mit isolierter Gate-Elektrode. Diese Technik in USVs leistet einen erheblichen Anteil zur Verlustminimierung.

Essentiell ist eine optimierte Luftführung im RZ. Das komplette Klimasystem bei der Hetzner Online AG basiert auf geringen Luftgeschwindigkeiten und hohen Querschnitten der luftführenden Komponenten. Gemeint sind Luftkanäle mit großem Querschnitt und Doppelböden mit einem Meter Höhe. Zudem werden durchgehend EC-Ventilatoren mit intelligenter Regelung eingesetzt. Im Vergleich zu Ventilatoren mit Asynchron-Motor (AC) sind solche mit elektronisch kommutierten Motoren (EC) sparsamer, ihr Wirkungsgrad beträgt bis zu 90 Prozent.

Freie Kühlung: Wer Frischluft als Kühlmethode verwendet, kann im gesamten Jahr zu 92 Prozent auf Kompressionskälte verzichten. Die Energieeinsparung liegt hier auf der Hand.

Die Hetzner Online AG hat die Beleuchtung in einzelnen Gängen und Rackreihen des Datacenterparks mit Zeitschaltern versehen. Sie lässt sich individuell steuern und gewährleistet, dass nur diejenigen Bereiche im RZ punktuell beleuchtet werden, in denen gearbeitet wird.

Die RZ-Wärme kann via Wärmepumpe etwa zur Heizung von Räumen verwendet werden.

Auch die Gebäudehülle mit integriertem Klimakonzept des "Datacenterparks", wie die Hetzner Online AG ihr Bauvorhaben Projekt bezeichnet, musste in einer Projektphase entorfen werden. Hierbei simulierten die Projektverantwortlichen gemeinsam mit einem externen Partner die Luftverteilung und -bewegung im Warmgang. Auf diese Weise sollte - und wurde - die optimale Gebäudeform ermittelt. Mit einem weiteren aushäusigen Partner wurde parallel eine Klimatisierungslösung erarbeitet.

Zu den Projektvorarbeiten gehörten darüber hinaus auch die Auswahl von Komponenten, deren Energieverbrauch möglichst optimal sein sollte. Hierzu zählen etwa Transformatoren, USV- und Verteilanlagen.

PUE-Wert zum träumen

Um die Öko-Effizienz eines Rechenzentrums zu ermitteln, hat sich in der IT-Branche eine Kennzahl durchgesetzt: der Wert der Power Usage Effectiveness (PUE). Banal gesprochen bedeutet dies: man vergleicht, was vorn rein- und was hinten rauskommt. Gemeint ist, wieviel der Energie, die ein Stromlieferant an ein Rechenzentrum liefert, im Data Center tatsächlich von der gesamten IT-Gerätschaft verbraucht wird und wieviel mehr oder weniger verpufft. Die Maßzahl PUE wurde von dem Öko-Konsortium Green Grid entwickelt. Der ideale PUE-Wert, den ein Rechenzentrum theoretisch erzielen könnte, wäre 1.0.

Der "Datacenterpark" der Hetzner Online AG wurde vom TÜV Süd zertifiziert. Das Ergebnis ist beeindruckend: 1,12 ist ein Wert, der seinesgleichen sucht.

Schließlich musste in Anlehnung an die Planungsvorlage, nämlich ein skalierbares Data Center zu bauen, das Konzept eines solchermaßen ausbaufähigen RZ-Designs sowohl auf physikalischer wie auch auf elektrischer Ebene entwickelt werden.

Öko-Visionen und Probleme

Eine der Visionen zur Energieoptimierung war die Wiederverwendung der erzeugten thermischen Energie. Jedes der Rechenzentren erzeugt 24 Stunden am Tag zu jeder Jahreszeit etwa 1200 Kilowatt (KW) an Abwärme. Ein Wermutstropfen des Projekts ist es, dass es der Hetzner Online AG bislang nicht gelungen ist, für diese Abwärme einen Abnehmer zu finden. Lediglich einer kleiner Teil nutzt das Unternehmen, um Büroflächen zu heizen und um die Dieselaggregate vorzuwärmen. Der weitaus größte der teil der Abwärme wird ungenutzt in die Umgebung abgegeben.

Gar nicht trivial

Noch etwas lernten die Franken: Die Steuerung der Klimatechnik für die Serverkühlung mit Frischluft erwies sich als nicht gerade trivial. Wichtig ist hierbei, dass auf ausbalancierte Druckverhältnisse im Rechenzentrum und auf eine gleichmäßige Temperaturverteilung im Raum geachtet wird. Besonderer Sorgfalt bedürfen zudem die Umschaltzyklen zwischen freier Kühlung und Kompressionskälte. Die komplette Steuerung der Klimatechnik entwickelten interne Ingenieure.

Again what learned

Gerne legt man Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus diesen Spruch in den Mund. Hetzner lernte bei seinem Projekt, dass es sich bei der Umsetzung innovativer Lösungen oft als kontraproduktiv herausstellt, die Projekt im Ganzen (etwa den Entwurf der Gebäudehülle an einen Bauträger) zu vergeben. Ein einmal vergebenes Projekt liefert "leider oft nicht das Maß an Innovationskraft oder die ‚Liebe zum Detail‘, die eine optimale Lösung erfordern würde."

Das war so nicht geplant. Aber die Erstimplementierung im Rahmen einer Komplettvergabe der gesamten Klimatechnik an einen - wie die Hetzner Online AG sagt - "renommierten deutschen Anlagenbauer zur Präzisionsklimatisierung von RZs" brachte nicht die gewünschten Ergebnisse. Hetzners Ingenieure beseitigten dann innerhalb mehrerer Monate mit schnellen Innovationszyklen alle auftretenden Probleme."

Was kostet das alles?

Die Hetzner Online AG beziffert die jährliche Energieeinsparung mit etwa 570.000 Euro bei einem Strompreis von 12 Cent je kWh. Die Investitionskosten amortisieren sich in weniger als zwei Jahren.