münchner verdienen mit dem elektronischen versandhandel

Herrscher über die Kataloge

01.07.1999
Am Anfang war es nur eine verrückte Idee. Dann probierte er sie aus. Heute profitiert Mirko Dudas vom Kaufrausch der Deutschen, ohne daß er selbst eine einzige Ware verkauft.

von Gabriele Müller*

Mirko Dudas hat sie, die Objekte der Begierde, die jeden "Katalog-Maniac" ins Fiebern bringen. Manche dick und bald unhandlich, manche nur ein paar Seiten dünn. Viele farbig und hochglänzend, einige nur schwarzweiß. Manche im kühlen Design, manche wohl eher "handmade". Rund 800 Kataloge stehen in den Regalen im Büro seiner Münchner Firma Kiosk Online Dienste GmbH und das nicht, weil der Jungunternehmer völlig dem Kaufrausch verfallen wäre.

Im Gegenteil: Mit Katalogen, mit möglichst vielen Katalogen machen Dudas und seine Partner Willwohl und Beukel ihr Geld. Denn mit dem Internet-Shop "Katalog-Kiosk" packen sie die Deutschen an ihrer empfindlichsten Stelle. Die sind, sogar noch mehr als die europäischen Nachbarn, treue Versandhandelskunden. Deshalb ist das Bestellen aus dem Katalog eines ihrer liebsten Hobbies und bescherte dem Versandhandel hierzulande 1998 einen Umsatz von rund 40,6 Milliarden Mark.

Damenpumps in Größe 47

Wer kennt sie nicht, die Riesen wie Otto, Quelle, Neckermann oder Baur. Bei Katalogen für altenglische Rosen wird es schon schwieriger. Die kennen nur noch die eingefleischten Gartenfans. Was aber tun, wenn der Herr die roten Damenpumps in seiner Schuhgröße 47 bestellen möchte? Wer vermittelt schon eine komplette Übersicht über die 32 verschiedenen Arten von Zimmerspringbrunnen? Natürlich ein spezieller Katalog. Und der läßt sich nun unter www.katalog-kiosk.de mit ein paar Klicks abrufen. Noch nicht ganz zwei Jahre gibt es diesen Service im Netz, gegründet von einem jungen Team, das einfach mal ausprobieren wollte, wie diese Geschäftsidee funktionieren könnte. "Eigentlich Wahnsinn, aber es hat mich eben gereizt", kommentiert Geschäftsführer Mirko Dudas, der als Marketing-Experte mit Werbung und Internet schon zuvor beruflich zu tun hatte.

"Die Online-Umsätze des Handels werden steigen, da müßte es auch für uns eine reelle Chance geben", waren sich die Firmengründer schon 1997 einig und wagten den Schritt zur eigenen Existenz. Die Zahlen des Bundesverbandes des deutschen Versandhandels (BVH) geben ihnen recht: Zur Zeit gibt es Steigerungsraten von rund 350 Prozent bei den Internet-Versandumsätzen, die sich 1998 auf über 100 Millionen Mark beliefen.

Das überzeugte auch die Macher einer großen deutschen Internet-Suchmaschine. Seit Herbst 1998 kooperieren die Kiosk-Online-Dienste GmbH und die Cinetic Medientechnik GmbH, die das Internet-Verzeichnis "web.de" herausgibt. "So kommen die, die nach einem speziellen Katalog suchen, direkt auf unsere Seite", schwärmt Dudas. Bei einem Klick auf www.kiosk.web.de erwarten den Besucher 30 Rubriken, von "Auto und Motorrad" über "Foto" bis zu "Weiterbildung". Natürlich sind auch Klassiker wie Mode, Schmuck oder Elektronik dabei. Aber es gibt auch Gesundheit, Musik, Tierbedarf oder Bücher. Und wer nicht weiß, worunter der gesuchte Katalog für Karnevalsorden fällt, der kann nach Stichworten suchen.

"Der Trend zum Spezialversandhandel ist unübersehbar", so Klaus Wirth, Präsident des BVH. "Die Fachhändler unter den Versendern konnten 1998 erneut 5,7 Prozent Umsatz zulegen." So gehört auch die Masse der Kataloghersteller und Versender, die sich im virtuellen Kiosk wiederfinden, nicht zu den "dicken Fischen". Die sind "zwar alle vertreten, aber zahlenmäßig in der Minderheit" gegen Versender für Heimtierartikel, Trekkingbekleidung, Spielwaren, Zubehör für Zauberticks oder Tanzsportschuhe. Einen Vorteil haben "die Dicken" allerdings doch: Sie alle sind mittlerweile selbst im Netz präsent und so kann der Katalog-Surfer auch auf deren eigene Seiten weiterklicken.

Viele kleine Versender nutzen die anderen Möglichkeiten, die ihnen der elektronische Kiosk anbietet. Jeder von ihnen hat die Wahl, ob er mit Link, Foto, Bestellmöglichkeit oder nur mit Adresse erscheinen möchte. Der Grundeintrag ist kostenlos, der Bestellschein mit Gebühren verbunden. Das schreckt wohl den einen oder anderen Versender noch ab, wie Dudas weiß. So können noch längst nicht alle Kataloge per Mausklick geordert werden. Hier sind die herkömmlichen Bestellwege einzuhalten. "Wenn erst einmal die Bestellungen über uns hereinkommen, sind auch die Katalogversender eher bereit, ein Bestellformular zu buchen", ist er optimistisch.

Für den Nutzer ist der Service ohnehin kostenfrei, er kann nach Herzenslust durch die Rubriken klicken und ordern, was der Briefträger schleppen kann. Seine Adresse und persönlichen Daten, die er dann bei einer Bestellung weitergibt, werden nicht weiterverkauft, dazu haben sich die Versender verpflichtet. Wer als ausgewiesener Konsumexperte noch weitere bunte Blätter kennt, die sich als Katalog bezeichnen, der darf die Münchner per Mail gern informieren. Dafür bekommt der Nutzer, zum größeren Teil übrigens Frauen, auch echte Einkaufstips. Jeden Monat sorgt ein neues Ranking dafür, daß die "zehn Besten" ermittelt und bekanntgegeben werden.

Transparenz als Ansporn

"Eigentlich wundert es mich, daß nicht schon früher jemand darauf verfallen ist, uns zu kopieren." Auf die Konkurrenz angesprochen, kann der 33jährige Dudas ganz cool bleiben. Obwohl auch die Mitbewerber nicht gerade schlafen. Mittlerweile können auch unter www.versandkataloge.de schon einige hundert Kataloge angefordert werden. "Bei der Transparenz, die das Netz für alle hat, kann sich niemand davor schützen, daß Ideen übernommen oder abgewandelt werden", meint er gelassen. "So etwas ist für uns höchstens ein Ansporn, noch besser zu werden."

*Gabriele Müller ist freie Journalistin in Wuppertal.