Aufwand für Speicheradministration im SAN verringert

Hengstenberg konserviert Daten

16.03.2004 von Lars Reppesgaard
Die Qualität der Produkte zu sichern und gleichzeitig effizient zu produzieren ist für den Essig- und Konservenhersteller Hengstenberg überlebenswichtig. Bei der sicheren Aufbewahrung seiner Daten setzt das Unternehmen auf ein Storage Area Network (SAN).

SECHS JAHRE im Schwabenland haben selbst einen eingefleischten Hanseaten wie Gerd Joachim Weisemann geprägt. Nicht elf oder zwölf Mitarbeiter ist seine Abteilung stark, erklärt der Leiter Informationstechnik und Organisation bei der Rich. Hengstenberg GmbH & Co. KG, nein, „es sind genau 11,8“, sagt er. Halbe und Viertelstellen sind in dieser Zahl punktgenau eingerechnet.

Ebenso genau nimmt sein Arbeitgeber den Umgang mit den wichtigsten Unternehmensressourcen. Zum einen ist das die Qualität der Produkte, die Hengstenberg herstellt. Zum anderen ist es auch die Fähigkeit, diese Produkte auf höchstem technischen Niveau extrem effizient zu produzieren. Die Kombination dieser Faktoren ist das Erfolgsrezept des Traditionsunternehmen, das seinen Sitz in Esslingen am Neckar hat.

Hengstenberg produziert seit 1876 Feinkost und ist heute eines der führenden deutschen Unternehmen für Essig, Senf und Gemüsekonserven. Doch der Lebensmittelmarkt, in dem sich die Esslinger bewegen, gilt für Kenner als Haifischbecken: Gerade in der Food-Branche fressen die Großen besonders oft die Kleinen. Etliche Zusammenschlüsse haben hier zu riesigen Handelskonzernen und Herstellerkonglomeraten geführt. Schon wegen seiner Größe gehört der 650 Mitarbeiter starke Familienbetrieb Hengstenberg zu denjenigen, die sich über ihre Position im Welthandel Gedanken machen müssen.

Die Einführung neuer, an den Verbraucherwünschen orientierter Produkte bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung soll deshalb langfristig das Wachstum sichern. Hengstenberg hält dabei am Standort Deutschland fest.

Dabei müssen aber auch die Kosten im Verhältnis stehen und die Zahlen stimmen. Das erklärt, warum der aus Hamburg stammende IT-Experte Weisemann die Mitarbeiterzahlen hinter dem Komma verinnerlicht hat. Um sicherzustellen, dass die Investitionen in neue Produkte oder Fertigungsmethoden gut angelegt sind, führt Hengstenberg regelmäßig Marktanalysen durch. So kann das Unternehmen frühzeitig mit Sortimentsoptimierungen auf aktuelle Markt- und Nachfrageveränderungen reagieren.

Die Grundlage für Sortimentsentscheidungen und Produktneuentwicklungen sind harte Kennzahlen, die Weisemanns IT-Mannschaft den Managern zur Verfügung stellt. Gewonnen werden diese Informationen aus den kaufmännischen Anwendungen des Unternehmens. Hengstenberg ist seit 1995 SAP R/3-Anwender. Finanzwesen, Material-Management, Vertrieb, Logistik, Produktionsplanung und Steuerung werden über Softwaremodule aus Walldorf abgebildet. „SAP ist das Kerngeschäft unserer Abteilung, wir haben gute SAP-Skills im Haus“, sagt Weisemann, der seit 1982 mit Systemen von Deutschlands größtem Anbieter von Software arbeitet und 1997 zum Unternehmen kam.

„Unser Ziel ist es, so viel wie möglich in Standard-SAP-Lösungen abzubilden“, erklärt der Ex-Hanseat den Ansatz seiner Abteilung. „Auf diese Weise vermeiden wir Datenredundanz und greifen auf ein integriertes System mit einem guten Abdeckungsgrad für die betriebswirtschaftlichen Anwendungen zu. Insgesamt 250 Anwender arbeiten bei Hengstenberg mit SAP.

R/3 individuell angepasst

Die Transaktionen rund um den Export werden dagegen mit Software von AEB abgebildet, die Lagerverwaltung des Hochregallagers in Bad Friedrichshall mit Hilfe einer Anwendung von Westfalia, und Seeburger-Software kommt bei den Handelsprozessen zum Einsatz. „Wir legen aber absolut Wert darauf, dass die angeflanschte Software mit SAP-Standardschnittstellen wie iDOC oder RFC versorgt werden kann“, sagt Weisemann.

Das Verhältnis von SAP-Standardlösungen und angepassten Eigenentwicklungen im eigenen Hause schätzt er auf 70 zu 30. Die Bedeutung der Eigenentwicklungen für den Konservenhersteller ist groß: Bei Hengstenberg lässt sich vor allem aus diesen Anwendungen ablesen, wie das Unternehmen Qualität und Effizienz unter einen Hut bringt. Beispiel Rohwarenerfassung: Sie basiert auf der Development Workbench, SAPs Werkzeug für Softwareentwicklungsprojekte. „Wir decken damit die Verwiegung unserer Rohware wie Gurken und Kohl ab und rechnen mit den Landwirten darüber ab“, erklärt Weisemann.

Eine weitere wichtige Individualentwicklung ist das eigene Laborinformationssystem (LIMS), das in Esslingen den Bereich Qualitäts-Management abdeckt. „Hengstenberg legt größten Wert auf Qualität“, erklärt Weisemann. „Man kann hier alles machen, aber nicht an der Qualität rühren.“ So gibt es in den Werken in Fritzlar bei Kassel, Bad Friedrichshall bei Heilbronn und in Esslingen selbst keinen Rohstoff, kein Halbfabrikat und kein Endprodukt, das nicht täglich und peinlich genau dahingehend untersucht wird, ob es den Ansprüchen des Hauses genügt. Die Tester tragen die in Geschmacksproben und Messungen ermittelten Werte am Rechner in ein Punktesystem ein. „SAPs Qualitätskontrollsystem passte nicht auf unsere Belange“, erklärt Weisemann. „Deswegen haben wir uns die Arbeit gemacht, selbst eine Lösung zu entwickeln.“

Verfügbarkeit gesichert

Verfügbarkeit und Datensicherheit haben in der IT-Abteilung höchste Priorität. Vor diesem Hintergrund sind auch Themen wie Datenverarbeitung und Speicher für das Unternehmen von zentraler strategischer Bedeutung. Die Esslinger arbeiten mit einer dynamischen Systemlandschaft, die Veränderungen erlaubt, ohne dass der Produktivbetrieb unterbrochen werden muss, wenn beispielsweise weitere Server angeschlossen werden. Grundlage hierfür ist ein Storage Area Network (SAN), in dem seit Ende 2003 alle relevanten Daten gespeichert und verarbeitet werden.

Die Virtualisierung der Speicher ist die Grundlage dafür, dass Veränderungen im laufenden Betrieb möglich sind. Diese Voraussetzung erlaubt es den IT-Experten, sie in ihrer Kernarbeitszeit durchzuführen: Hengstenberg kann auf diese Weise teure Überstunden oder Wochenendarbeit vermeiden. Wenn Testsysteme aufgebaut werden, sind keine umständlichen Neuinstallationen von SAP auf Testservern notwendig. Die Produktivdaten werden einfach per Mausklick innerhalb des SAN kopiert. Bei Systemerweiterungen geht Weisemann heute von einer Zeitersparnis beim Umstellungsaufwand von 70 Prozent aus.

Bis Mitte 2002 war das Unternehmen weitaus weniger flexibel. Für die Verwaltung und Organisation der Daten setzte Hengstenberg drei getrennte Server ein. Diese Struktur hatte sich durch den stufenweisen Aufbau des SAP-Systems ergeben. Im Mai 2002 entstand jedoch Handlungsbedarf: Die Datenbanken waren mit je 200 Gigabyte Daten ausgelastet, eine Ressourcenzuweisung unter den Servern war wegen der aufwändigen Hardwarestruktur nicht möglich. Weil Datensicherheit auch wegen der großen Bedeutung der Qualitätssicherungs- und Auswertungsprozesse, der Steuerung der logistischen Prozesse und der automatisierten Anbindung an die Handelspartner eine absolut geschäftskritische Rolle spielt, kam es nicht in Frage, nur einen Teil der anfallenden Daten zu speichern. Andererseits verlangte die bestehende Speicherinfrastruktur aufgrund der ständig wachsenden Mengen an geschäftskritischen Daten einen immer höheren Integrations- und Administrationsaufwand.

Die IT-Verantwortlichen entschieden sich deshalb für eine Lösung auf Basis der Netzwerktechnologie, um flexibler zu werden und sicherzustellen, dass die unternehmenskritischen Daten auch bei laufendem Betrieb der Systeme sicher verarbeitet und gespeichert werden.

IT-Personal entlastet

Eine einfache Kostenrechnung hatte ergeben, dass sich ein SAN im Vergleich mit den umständlichen Einzelplattenlösungen auszahlen würde. Dabei spielten sowohl die Komponentenpreise eine Rolle als auch die Arbeitszeiten, die in die Verwaltung der Speicherlösung fließen. „Wir wollten nicht nur unseren Speicher konsolidieren, sondern auch unsere Personalressourcen von der aufwändigen Speicheradministrierung entlasten“, sagt Weisemann. Teil des SAN ist heute eine Administrationssoftware, die es der IT erlaubt, Verwaltungsaufgaben effektiv und unkompliziert zu erledigen, während die virtuellen Speicher auch beim Umverteilen von Lasten und Daten unterbrechungsfrei weiterlaufen.

Stabilität getestet

Für die Umsetzung des SAN-Konzepts wandte sich Hengstenberg an das Systemhaus Sinitec, Systems und Service GmbH, ein Siemens- Tochterunternehmen. Die Installation des SAN, das mit einem Disk Array von Storagetek ausgerüstet ist, begann mit einer Testphase im September 2002. Dabei wurden alle Datenbanken der SAP-Server auf das neue Subsystem kopiert, der Produktionsbetrieb wurde unter härtesten Bedingungen simuliert. Die IT-Abteilung prüfte eingehend die Stabilität des Systems, indem immer wieder einzelne Festplatten im laufenden Betrieb aus den Plattenmodulen gezogen wurden.

Auf Grundlage dieser Erfahrungen entschied sich das IT-Projektteam, das System im Dezember 2002 aktiv in den Produktionsbetrieb einzubinden. Seit der Einführung dieser Lösung muss der Systemadministrator wesentlich weniger Zeit für die Speicherung und Sicherung der wichtigen Unternehmensinformationen veranschlagen. „Wir haben viel mehr Zeit für wichtige und zukunftsorientierte Planungen zur Verfügung, anstatt unsere Ressourcen in der schlichten Administration von Daten zu bündeln.“

Aufgaben jenseits der Datenspeicherung und -sicherung gibt es für die IT der Esslinger genug. Auf der einen Seite müssen Weisemann und seine Kollegen beispielsweise Lösungen entwickeln, die auch für die zuliefernden Landwirte geeignet sind. Die Nutzung von Computer und Internet ist in diesem Personenkreis keine Selbstverständlichkeit. Auf der anderen Seite fordern die großen Abnehmer durchdigitalisierte Verkaufs- und Logistikprozesse. Die Datenübermittlung via EDI ist seit langen Jahren der Standard im Handel.

„Das Zusammenspiel mit allen Seiten ist ein Muss“, sagt Weisemann. „Wir müssen von unserer Infrastruktur her die Voraussetzung haben, die Wünsche und Forderungen all unserer Kunden und Partner abzubilden, egal, ob einige digitales Rechnungswesen oder den Auftragseingang via EDI fordern oder andere noch immer mit Fax und Telefon arbeiten.“ Ist Letzteres der Fall, werden diese Daten nach wie vor händisch erfasst und in die SAP-Landschaft eingepflegt. „Kundenorientierung steht bei uns eben nicht nur auf dem Papier“, erklärt Weisemann hierzu. (uk)