Plädoyer für unternehmerischen Mut

Hasso-Plattner-Brainstorming: Das Undenkbare denken

13.10.2005 von Jan-Bernd Meyer
Hasso Plattner gründete gemeinsam mit den vier Partnern Claus Wellenreuther, Klaus Tschira, Hans-Werner Hector und Dietmar Hopp sowie vier Angestellten im Jahr 1972 die SAP Systemanalyse und Programmentwicklung. Das Softwarehaus aus Walldorf hielt sich, so Plattner, im ersten Geschäftsjahr mit einem 900 000-Mark-Projekt über Wasser. Der Mann, den die Liebe zum Segelsport mit einem anderen Großen der IT-Szene, Oracle-Gründer und -Chef Lawrence Ellison, spannungsreich verbindet, führte sein Unternehmen in den folgenden Jahrzehnten an die Weltspitze der Anbieter für betriebswirtschaftliche Standardsoftware. Dieses Feld beherrscht SAP weltweit in einer Weise, wie sonst kaum ein anderer Konzern ein Industriesegment dominiert. Heute zeigen sich deutsche Politiker gern mit den Unternehmern aus dem Rhein-Neckar-Gebiet. Und sie zitieren SAP gern, um die Leistungsfähigkeit des Standorts Deutschland zu belegen. Doch Plattner, der ehemalige Vorstandsvorsitzende und jetzige Aufsichtsratschef von SAP, macht sich Sorgen um das Land. Zu wenig Unternehmergeist, zu wenig Mut, auch einmal scheinbar Unerreichbares anzustreben, hätten die Deutschen. Das will er ändern helfen. Weswegen er die Hasso-Plattner-Ventures (HPV) in Potsdam gründete. Ergebnis? In zwei Jahren sollen wir ihn wieder fragen. Heute sagt uns Plattner zum Zustand dieser Republik und ihrer jungen Hoffnungsträger das:

„Ja, okay, es stimmt schon. Ich habe aus Brüssel Zuschüsse für den Aufbau des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam bekommen. Ich hab die auch gern genommen, nicht dass wir uns da falsch verstehen. Trotzdem glaube ich, dass staatliche Förderung nicht viel bringt. Für Neugründungen, das ist meine Überzeugung, erachte ich eine Alimentierung von Staatsseite ohnehin nicht für richtig. Das Venture-Capital-Modell ist diesbezüglich der staatlichen Subventionierung weit überlegen. Sollen sich doch ruhig die, die das Geld haben, finanziell engagieren und ihr Kapital in die Spielbank für Investitionen bringen - das ist wünschenswert und erfolgsträchtig. Vom Risikokapital haben doch beide Seiten etwas: Diejenigen, die einen Teil ihrer Firma in die Waagschale werfen, und die, die das Risiko einer Finanzierung solcher junger Unternehmen auf sich nehmen.

Zurückhaltung wegen Irak

Intelligente, mutige, kreative Geister brauchen eine Anschubfinanzierung. Das werden Kapitalgeber aus Deutschland leisten müssen. Denn aus dem Ausland kommt nicht so viel Geld. Ein Grund für die Zurückhaltung ist zum einen die Irak-Geschichte. Zum anderen herrscht aber im Ausland wohl auch die Vorstellung vor, Deutschland sei ein Auslaufmodell. „Da warten wir doch erst einmal ab, ob das alles so funktioniert in Deutschland“, sagen sich viele ausländische Kapitalgeber.

Für mich hat sich in den letzten Jahren, in denen ich mir Gedanken über mich und meine künftigen Ambitionen gemacht habe, immer wieder die Frage gestellt: Was kann ich tun? Immer wieder habe ich das mit Menschen diskutiert. Sollte ich mich politisch engagieren? Na, da sag ich zu den Leuten: „Hört mir auf damit. Das ist nicht das, was ich will.“ Kommt prompt die Gegenrede, ich könne mich doch an Gründungen beteiligen. Sag ich: „Das mach ich doch schon, ich beteilige mich doch an jungen Unternehmen.“ „Nein“, sagt ein Bekannter mir, „mach mal selbst etwas, halt selbst die Fahne hoch und gründe etwas und schau mal, was dabei rauskommt.“ Na, so bin ich zu Hasso-Plattner-Ventures gekommen.

Ja sicher ist die Frage legitim, was an HP-Ventures so besonders ist. Eigentlich gar nichts - bis auf die Tatsache, dass es kein reines Finanz-Venture ist, sondern ich dort eine Mischung aus Kapitalgeber und Förderer bin, also eigentlich ein Inkubator. So werden die HP-Ventures Leuten mit Ideen einen Platz zur Verfügung stellen, an dem sie arbeiten können. Da kümmert man sich in den ersten zwei, drei Jahren auch in anderen Belangen um sie. Zum Beispiel um die bei einer Firmengründung so wichtige juristische Beratung. Oder um die finanztechnische Unterstützung. Oder um Hilfestellungen für das Marketing. Bei HP-Ventures bekommen diese Jungunternehmer auch Ratschläge, um Engineering-Probleme schneller zu lösen, Designhilfen nennen wir das.

Das wird auch für mich eine interessante Erfahrung. Herauszufinden beispielsweise, ob es überhaupt genug Ideen gibt hierzulande. Es wird auch spannend, jungen Unternehmen zu helfen, nicht so viele Haken zu schlagen. Ich werde ja sehen, wie sich das entwickelt. In zwei Jahren können Sie mich wieder fragen, ob ich was Positives auf die Beine gestellt oder vielleicht einen Flop abgeliefert habe.

Man muss auch leiden können

Natürlich erwarten wir viel von den Kandidaten, die sich jetzt vorstellen. Na, vor allem müssen sie ein Übermaß an Energie haben. Sie sollen auch unternehmerischen Spirit besitzen. Und unbedingt müssen sie den Willen haben, Dinge zu erreichen. Die müssen in der Lage sein, Leute anzuleiten, zu motivieren, zu begeistern. Sie müssen ihre Vision so glaubwürdig präsentieren können, dass auch andere Menschen daran glauben.

Und - ja, ich weiß, das hört sich jetzt ziemlich heftig an - aber wer von uns als Jungunternehmer gefördert werden will, der muss auch die Bereitschaft haben zu leiden. Ich meine, im Sport wird man auch nichts, wenn es nicht wehtut.

Übrigens, in diesem Zusammenhang muss ich mal eins sagen: Wenn ich mir Deutschland ansehe, komme ich zu dem Schluss, dass wir hierzulande ein gesellschaftliches Problem haben. Und dieses Problem heißt nicht Rentenversorgung. Das heißt nicht Lohnnebenkosten. Und auch nicht soziale Sicherung. Keine Frage, das sind erhebliche Schwierigkeiten. Die müssen wir alle lösen. Aber diese Probleme haben andere Länder auch. Richtig, sie sind alles andere als leicht zu lösen. Auch wir werden da in Deutschland sehr wohl Kompromisse schließen müssen. Das hat die rot-grüne Regierung ja auch begriffen - und dafür, dass sie entsprechend agiert, auch Prügel bezogen.

Was uns eigentlich fehlt, ist aber die Neigung, durch positive Motivation zu Erfolg zu kommen. Es fehlt der Mut, sich hohe Ziele zu setzen, etwas erreichen zu wollen. Wissen Sie, woran es uns fehlt? Es fehlt an Courage, sich mal etwas vorzunehmen, was auf den ersten Blick überhaupt nicht erfüllbar, gar nicht erreichbar scheint. Ja, diese Formulierung gefällt mir gut. Da bin ich jetzt richtig froh, dass sie mir eingefallen ist.

…dann geht es rasant aufwärts

Denn immer wieder, wenn man auf das scheinbar Unmögliche zielt, kann man erleben, dass es tatsächlich funktioniert.Und dann erleben Sie, was ich als Kamineffekt bezeichne - dann geht es rasant aufwärts.

Ja, ja, klar, das höre ich auch immer wieder: Die schier unüberwindlichen bürokratischen Hürden hier in Deutschland. Also ich sage Ihnen, wenn ich wirklich in Deutschland eine Firma gründen will, dann gehe ich eben zum Rechtsanwalt. Gut, das kostet mich ein bisschen was. Aber dafür habe ich dann eben meine GmbH gegründet. Leider herrscht hier aber ein Zeitgeist - dieses Unwort -, keine Wagnisse eingehen zu wollen. Da heuert man doch lieber wieder als Angestellter bei einer großen Firma an.

Wissen Sie, ich rede hier von einer Grundstimmung in Deutschland. Die können Sie ja auch ständig im Fernsehen erleben: Sehen Sie da Sendungen, in denen die Rede ist von tollen Projekten, von innovativen Ideen? Da geht es doch nie drum. Stattdessen kreisen alle Nachrichten, alle Meldungen, alle Interviews ständig um die Frage: „Wie lösen wir unsere sozialen Probleme?“ Die werden wir aber nicht lösen, wenn wir es nicht schaffen, zuallererst mehr Dinge zu produzieren und zu verkaufen, an denen auch wir selbst Spaß haben. Und hierzu brauchen wir viele neue Unternehmen. Die alten Unternehmen? Die werden es nicht richten! Das können Sie getrost vergessen. Auch eine SAP, die ja wächst und wächst, wenn auch prozentual langsamer - kann es nicht richten. Mit Blick auf ganz Deutschland gesprochen, brauchen wir viele neue Firmen, damit es einige wenige zu den Googles und Amazons dieser Welt schaffen.“

* Das Gespräch mit Hasso Plattner hielt CW-Redakteur JAN-BERND MEYER fest. [jbmeyer@computerwoche.de]