Messechef Raue zur CeBIT 2010

Hannover speckt ab

18.09.2009 von Heinrich Vaske
Im CW-Interview erklärt CeBIT-Chef Ernst Raue, wie sich die weltgrößte ITK-Schau 2010 aufstellt.

CW: Haben Sie angesichts der schwachen Konjunktur einen Emergency-Plan für die kommende CeBIT?

Raue: Nein, und angesichts der Reaktionen im Markt zurzeit werden wir den auch nicht brauchen. Wir haben einen normalen Messeplan aufgestellt, der etwas anders aussieht als 2009. In der jetzigen Zeit lohnt sich ein Auftritt für Unternehmen umso mehr, weil ein so einzigartiger Marktplatz wie die CeBIT die besten Chancen auf Stabilisierung und vor allem Ausbau des eigenen Geschäfts bietet.

CW: Werden in diesem Jahr einige Hallen leer bleiben?

Raue: Unser Ziel für 2010 ist klar: Wir wollen mehr Fläche verkaufen. Wir haben eine Planung gemacht, die enger ist als in den Vorjahren, uns aber gleichzeitig Potenzial für Wachstum gibt. Wir planen die kommende CeBIT so, wie für andere Großmessen auf unserem Gelände üblich. Ost-, Mittel-, und Südachse werden komplett gefüllt sein. Freie Flächen, die zurzeit nicht in der Planung sind, nutzen wir zum Beispiel für Corporate Events.

CW: Hat das Gros der Aussteller denn schon fest gebucht?

Raue: Wir sind mitten im Verkauf, aber ja - viele wichtige Unternehmen haben bereits gebucht. Neu sind konkrete Nachfragen von Herstellern, die uns wegen ihrer Hausmessen verlassen hatten, jetzt aber wiederkommen wollen. Einige möchten ihre Hausveranstaltung an die CeBIT anflanschen - dann haben sie nicht nur Kontakt zu ihren Bestandskunden, sondern auch zu weiteren vielversprechenden Interessenten.

CeBIT Impressionen 2009
Warnstreik
Zum Feiern war den in Hannover demonstrierenden EDS- und Avaya-Mitarbeitern nicht zumute. Sie protestierten am Messebahnhof/Skywalk vor den Toren der CeBIT gegen die Entlassungenpläne in ihren Unternehmen.

Wird die CeBIT kleiner?

CW: Langfristig rechnen Sie demnach damit, dass die CeBIT schrumpfen wird…

Raue: Die Bedeutung einer CeBIT lässt sich nicht in Quadratmetern ausdrücken. Sie ist die größte Kommunikationsplattform der internationalen ITK-Industrie. Und sie wird intelligenter, schlanker, effizienter. Gemeinsam mit der Industrie werden wir sie weiter auf die Anbahnung von Geschäftskontakten und Wissensvermittlung ausrichten. Sie bleibt die wirtschaftspolitische Plattform Nummer eins für die ITK-Branche. Die Branche ist 60 Milliarden Euro schwer und braucht, ähnlich wie die Automobilbranche, ein internationales wirtschaftspolitisches Sprachrohr. Es gibt noch viel Potenzial in neuen Anwendungen von IKT.

CW: Worin liegt für Aussteller auf Dauer der Reiz dieser Messe?

Raue: Es gibt im Wesentlichen drei Ziele, die mit der CeBIT verbunden werden: Erstens: Das eigene Geschäft ausbauen durch Generieren hochwertiger Leads; zweitens: das Networking mit Kunden und in der Branche; drittens: das Branding. Der dritte Punkt wird meines Erachtens wieder wichtiger werden. Allein durch die Firmenübernahmen gibt es gute Gründe für die CeBIT, auf der man sich als neue Firma hervorragend darstellen und Stärke zeigen kann. Eine ganze Weile war dieses Thema ja eher im Hintergrund, für Image wollte niemand Geld ausgeben. Jetzt kommt es stärker wieder.

Cloud Computing und Enterprise 2.0

CW: Enterprise 2.0., Networking, Cloud Computing - aktuelle Themen wie diese sind erklärungsbedürftig und schwierig zu präsentieren. Wie wird die Messe damit fertig?

Raue: Die CeBIT als Marktplatz prägt sich heute anders aus als früher. Damals wurde auf großen Ständen viel Hardware gezeigt. Jetzt hängt unser Erfolg viel mehr davon ab, wie wir erklärungsbedürftige Lösungen darstellen. Wir haben deshalb die CeBIT längst umgebaut. Früher haben wir nach Hardware, Software und Communications sortiert. Heute orientieren wir uns an Anwendungen, zum Beispiel für Security, die öffentliche Hand, Human Resources oder die Produktion. Es gibt unendlich viele Anwendungen, die wir intelligent clustern - auch auf wichtige Branchen und Zukunftsmärkte bezogen: Etwa Banking & Finance oder die TeleHealth für das Gesundheitswesen. Niemand hätte es doch vor sieben oder acht Jahren für möglich gehalten, dass der Besuch einer CeBIT für niedergelassene Ärzte eine anerkannte Fortbildungsmaßnahme ist. Informationstechnik ist erklärungsbedürftig, deshalb haben wir ja auch die CeBIT Global Conferences aus der Taufe gehoben. Das Format hat sich voll etabliert. Früher hieß es: Kongresse funktionieren parallel zu großen Messen nicht. Inzwischen würde ich sagen, ohne einen großen Kongress funktioniert keine Messe mehr.

CW: Werden Sie weiterhin keine gesonderten Eintrittsgelder für die Kongresse nehmen?

Raue: Für 2010 steht die Entscheidung: Für den Zutritt zu den CeBIT Global Conferences wird kein zusätzliches Eintrittsgeld verlangt. Das bedeutet, dass der CeBIT-Besucher auch 2010 bei dem weltweit wohl am besten besetzten ITK-Kongress so teilnehmen kann.

CW: Solange sich Ihr Geschäftsmodell an verkauften Quadratmetern orientiert, müssten Sie doch froh sein, wenn Ihnen die Hersteller die Hallen weiträumig zubauen…

Raue: Wir müssen - da ist das Messegeschäft keine Ausnahme - langfristig planen und uns mit der Branche entwickeln. Generell gilt doch: Nur wem es gelingt, den Anforderungen des Kunden gerecht zu werden, hat eine nachhaltige Zukunft. Wobei wir für eine Messe bedenken müssen, dass wir - mit Ausstellern und Besuchern - zwei Kundengruppen haben, die wir berücksichtigen müssen.

CeBIT-Thema Connected Worlds

CW: Welches Schwerpunktthema wird die CeBIT 2010 beherrschen?

Raue: Das Thema lautet - und das ist in enger Zusammenarbeit mit der Industrie neu entstanden - Connected Worlds. Verbundene Welten. Wir werden die Vernetzung der weltweiten Märkte abbilden - und das unter den drei Fragestellungen: Living, Business und Future. Ein Aspekt ist unter anderem die Konvergenz der Technologien. Für Smartphones gibt es Tausende von Softwarelösungen für den Privat- und zunehmend den Business-Bereich. Wir zeigen außerdem Beispiele für eine Global-IT. Die Maschinen und Anlagen des deutschen Mittelstands, die im Ausland produzieren - sei es in Indien oder in Osteuropa - werden per Breitbandlösungen überwacht und gesteuert.

Auch auf der CeBIT 2010 soll das Thema Green IT eine tragende Rolle spielen.

Zudem knüpfen wir an ein Kernthema an, das wir schon 2009 erfolgreich präsentiert haben: Enterprise 2.0. Wir werden unsere Webciety weiterentwickeln - im Bereich der Business-Anwendungen, aber auch im Bereich der Privatanwendungen. Viele Business-Anwendungen basieren bereits auf dem Web - und die Zahl steigt rasant. Die Webciety Area wird größer werden - sowohl in Richtung Business-Lösungen als auch in Bezug auf Verbraucherthemen. Der dritte große Bereich Green IT wird ebenfalls ausgebaut. Die CeBIT setzt mit Schwerpunkten wie Green IT, Webciety oder Connected Worlds Trends, die dann längerfristig begleitet werden. Wir stehen dabei für Nachhaltigkeit.

CW: Connected Worlds klingt sehr generisch. Was gibt’s denn dort zu sehen?

Raue: Wir werden auf der Ausstellungsebene einen fixen Anlaufpunkt schaffen und arbeiten zurzeit an der konkreten Ausgestaltung. Auch in den Global-Conferences wird es Thema sein, beispielsweise mit Firmenvorträgen.

CW: Ein klassischer Zweck von Messen ist das Thema Lead-Generierung. Das können inzwischen aber auch Internet-Portale, meist sogar billiger. Wie reagieren Sie? Gehen Ihre Internet-Aktivitäten auch in diese Richtung?

Raue: Wir werden das Internet noch intensiver nutzen, um Angebot und Nachfrage auf der CeBIT effizienter zusammenzuführen. Dazu werden wir 2010 neue netzbasierte Instrumente zur Verfügung stellen. Aber lassen Sie mich noch einen Gedanken hinzufügen: Bisherige Ansätze, virtuelle Messen zu veranstalten, sind gescheitert. Das hat jeder versucht, auch wir. Wir haben uns deshalb entschlossen, jetzt einen anderen Weg zu gehen und werden in Kürze ein sehr spannendes Konzept für die Generierung hochwertiger Leads in Netz präsentieren. Wir haben durch unser Kerngeschäft und unseren ständigen Kontakt zu all unseren Ausstellern einen beeindruckenden Fundus an Informationen, den wir in dieses Konzept integrieren werden. Wichtig ist uns, dass auch kleine Unternehmen von diesem virtuellen Marktplatz profitieren werden.

CIO Executive Forum

CW: Wird es das CIO Executive Forum wieder geben?

Raue: Das war in diesem Jahr ein ganz großer Erfolg. Ich habe ausschließlich positive Rückmeldung bekommen. Damit haben wir der Kernzielgruppe, den IT-Großanwendern, eine passende Plattform bieten können. Im Club können sie sich untereinander austauschen, Termine wahrnehmen und sich perfekt organisieren. Natürlich werden wir das weiterführen.