Hamburger Kurierzentrale „Inline“ vermittelt Botenfahrten per Handy

Hamburger Kurierzentrale „Inline“ vermittelt Botenfahrten per Handy

25.01.2006
COMPUTERWOCHE VERLEGERPUBLIKATION - Großflächige GSM-Netzabdeckung und fallende Preise für Datenübertragung machen mobile Lösungen auch für mittelständische Unternehmen immer attraktiver. Statt eines vollautomatischen Dispositionssystems nutzt die Hamburger Kurierzentrale „Inline“ eine Kombintion von Sprachfunk und normalen Handys für die Übermittlung der Aufträge in mehr als 200 Fahrzeuge.

Die meisten Kurier- oder Taxizentralen setzen seit einigen Jahren auf proprietäre vollautomatische Systeme für die Disposition, Fakturierung und Übermittlung der Daten in die Fahrzeuge. Dabei werden die Auftragsdaten über Betriebsfunkfrequenzen gesendet, die schon vorher für die Sprachkommunikation genutzt wurden. Die Hamburger Kurierzentrale „Inline“, eine der größten Stadtkurierzentralen Europas, hat sich diesem Trend bewusst widersetzt. Bereits unmittelbar nach der Firmengründung im Jahr 1997 hat Inline eine Hamburger Softwarefirma damit beauftragt, eine maßgeschneiderte Lösung für Disposition, Vermittlung und Fakturierung zu entwickeln.

„Eine Software von der Stange bietet nicht annähernd die Flexibilität, die erforderlich ist, um den individuellen Anforderungen unserer Kunden und Fahrer gerecht zu werden. Wenn wir unsere gute Marktposition weiter ausbauen wollen, müssen wir besonders für unsere Großkunden Lösungen anbieten, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind“, sagt Willy Siemers, Geschäftsführer der Kurierzentrale. Inline setzt dabei dennoch auf Standardkomponenten wie handelsübliche Handys als mobile Endgeräte und Open-Source-Software, um die Kosten in einem vernünftigen Rahmen zu halten.

Die vom Software-Anbieter Mikado in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber entwickelte Lösung erfüllt alle Anforderungen des Inline-Geschäftsführers. Bis zu acht Mitarbeiter der Telefon- und Funkzentrale nutzen das System für Auftragsannahme und Vermittlung. Zahlreichen automatisierte Funktionen unterstützen das Zentralenpersonal. Schon bei der Aufnahme von Touren ermittelt das Programm automatisch Wegstrecke und Preis für die Sendung.

Inline-Kunden mit einem hohen Auftragsvolumen, etwa große Verlage oder Werbeagenturen, sind über einen VPN–Tunnel oder das Internet direkt an das System angeschlossen. Die Kunden geben ihre Aufträge selbst in das Dispositionssystem ein; damit haben sie ständigen Zugriff auf Auftragsstatus und Rechnungsdaten. Eine komfortable Bestellmöglichkeit bietet auch ein browser-basiertes Webinterface, das alle Stammkunden nutzen können.

Der Funker verteilt die Aufträge per Sprachfunk an die Fahrzeuge - ein absichtliches Festhalten an der seit Jahren bewährten Praxis. Denn es gilt, die unterschiedlichsten Anforderungen zu berücksichtigen: Vom Fahrradkurier bis zum Transporter, von der 300-Meter-Tour bis zur Fahrt in umliegende Städte reicht das Angebot des Kurierunternehmens. „Eine vollautomatische Auftragsverteilung ist im Vergleich zur bewährten Sprachvermittlung für uns eindeutig die schlechtere Wahl“, sagt Kurier-Chef Siemers. „Das beste automatische Dispositionssystem ist nicht in der Lage, die im Sekundentakt eintreffenden Touren so auf die Fahrzeuge zu verteilen, dass sich die bestmögliche Routen-Zusammenstellung für Fahrer und Kunden ergibt.“ Die Erfahrung des Funkpersonals und der Fahrer sei hier noch unersetzlich. Auch zukünftig will er auf die Erfahrung und die Kunden- und Stadtkenntnisse seiner Mitarbeiter, sowie die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Zentrale und Fahrern nicht verzichten.

Trotzdem arbeitet digitale Technik in der Kurierzentrale. Denn sofort nach der Sprachvermittlung an den Kurier werden die Daten zusätzlich digital in das Fahrzeug übermittelt. Um die Auftragsdaten abzufragen, benötigt der Fahrer lediglich ein handelsübliches Wap–fähiges Handy. Zusätzlich zu den Adressdaten erhält der Fahrer eine Vielzahl weiterer Informationen. Egal, ob der Kunde spezielle Angaben bei der Bestellung aufgegeben hat oder Tipps von Kollegen im Stammdatensatz hinterlegt wurden, alle bekannten Informationen zu Kunden und seinen spezifischen Wünschen sind sofort zugänglich. Telefonnummern von Ansprechpartnern kann der Kurier auf Knopfdruck mit seinem Handy anwählen.

Falls Kunde und Adresse nicht bekannt sind, ist sogar eine für das Handydisplay aufbereitete Umgebungskarte mit Wegbeschreibung zur Zieladresse abrufbar. Alle Auftragsdaten kann sich der Kurier jederzeit – auch rückwirkend - anzeigen lassen. Das System überträgt die Daten auf einen Standard Wap–Browser. Deswegen war die Entwicklung einer aufwendigen Client–Software nicht nötig. „Ein modernes Handy bietet alle Möglichkeiten, um zu navigieren und Texte oder kleine Grafiken anzuzeigen.“ sagt Uwe Schmidt, Geschäftsführer der Softwarefirma Mikado. Weiterer Vorteil: Es ist kein Installationsaufwand erforderlich. Der Kurier kann sich mit jedem beliebigen Handy am System anmelden.

Die Daten werden grundsätzlich verschlüsselt übertragen. Einige Handys sind über einen VPN–Tunnel direkt mit dem System verbunden – die meisten Kuriere greifen jedoch über das Internetgateway ihres Netzbetreibers auf den Inline-Webserver zu. Das dazu erforderliche monatliche Datenvolumen überschreitet bei normaler Nutzung selten fünf Megabyte. Weil ein Handy für Kuriere ohnehin obligatorisch ist, fallen die Übertragungskosten kaum ins Gewicht: Der Preise dafür liegt bei den großen Netzbetreibern in der Größenordnung von fünf bis zehn Euro im Monat.

Die Applikation auf dem Webserver ist in der Open-Source–Sprache PHP geschrieben. Das Programm generiert die Navigationsmenüs zur Laufzeit und versendet die Daten im WAP-Format. Auch die Kommunikation mit dem Routenplaner auf dem Inline-Server läuft über diese Schnittstelle. Sämtliche Daten, wie Auftrags-, Kunden- und Stammdaten der Kuriere sind in einer Open-Source PostgreSQL–Datenbank gespeichert.

Mit der intelligenten Kombination des bewährten und verlässlichen Sprachfunks mit digitaler Technik ist Kurier-Chef Siemers ausgesprochen zufrieden: Es ging uns auch darum, die Kosten für die angeschlossenen Kurier-Unternehmen niedrig zu halten und ihnen die Ausgaben für spezielle Hard- und Software zu ersparen.“ Auch deswegen ist die Wahl auf Open-Source-Systeme und das Handy als mobiles Endgerät gefallen. „Für unsere Bedürfnisse ist das die optimale Lösung“, resümiert Siemers.

Sven Althon