Zahlenmenschen aufgepasst

Haben Techniker wirklich Angst vor Innovationen?

24.03.2010 von Renate Oettinger
Die unternehmensinterne Personalauswahl spült primär die pragmatischen "Macher" nach oben. Das ist schlecht für die Firmen, sagt Bernhard Kuntz.

Viele Manager scheuen Innovationen, denn deren Erfolg lässt sich nur bedingt vorhersagen. Eine Ursache hierfür ist: Die firmeninterne Personalauswahl spült primär pragmatische Macher und Zahlenmenschen nach ganz oben. Wer neue Wege beschreiten möchte, kann sich dabei aber nur selten auf Zahlen stützen.

Das ist der Grund, warum viele Manager Angst vor Innovationen haben, wie Dr. Georg Kraus im Kontakt mit Unternehmensführern immer wieder feststellt. Dabei gehört es zu ihren Kernaufgaben, dafür zu sorgen, dass ihr Unternehmen auch künftig mit Erfolg agiert.

Quelle: Fotolia, M. Schäfer
Foto: Fotolia, M. Schäfer

Eine Ursache hierfür ist laut Aussagen des Inhabers der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal: "Das operative Tagesgeschäft erfordert von Managern ein hohes Maß an Pragmatismus und Bodenständigkeit. Deshalb bleiben im Auswahlprozess auf dem Weg nach oben oft die pragmatischen Macher übrig." Diese betrachten Innovationen primär als Business-Cases und gehen sie erst an, wenn klar ist: Das rechnet sich. Innovationen haben aber stets etwas Schöpferisches. Neues soll geschaffen werden. Deshalb lässt sich das, was aus dem (Such-)Prozess herauskommt, nur bedingt vorher sagen.

Innovationshemmnis: bisheriger Erfolg

Vielen Managern fällt es schwer, sich zu entscheiden, wenn sie keine Rechengrundlage haben. Das stellt auch Prof. Dr. Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) Hannover, immer wieder fest. "Deshalb erliegen gerade Manager von Unternehmen, deren Business-Modell bisher sehr erfolgreich war, leicht der Versuchung, dieses einfach fortzuschreiben - so, als sei dieses ewig tragfähig."

Entsprechend schwer fällt es vielen Managern auch, Menschen oder Bereichen "einfach so" Ressourcen für Innovationen zur Verfügung zu stellen - in der Hoffnung "Dabei kommt vielleicht etwas hieraus". Das zeigt sich laut Kraus zum Beispiel, wenn man ihnen vorschlägt: "Machen Sie doch mal als ersten Schritt einen ‚Quantensprung-Workshop’, in dem Experten aus verschiedenen Disziplinen gemeinsam neue Ideen kreieren" - sei es für neue Produkte, Organisationsstrukturen oder Vertriebskonzepte. Dann ist ihre spontane Reaktion meist: "Und wer garantiert mir, dass dabei etwas Umsetzbares heraus-kommt?". Und ihre zweite Frage lautet: "Und wer trägt die Kosten, wenn am Schluss keine zukunftsfähige Idee steht?". Dabei ist die Suche nach Innovationen, so Kraus, stets ein Prozess, für den es keine Erfolgsgarantie gibt. Also müssen Manager sich auf dieses Risiko einlassen.

Auch Top-Manager müssen umdenken

Ein Schritt in die richtige Richtung kann sein, im Unternehmen ein Budget zu schaffen mit dem Titel "Noch keine Ahnung, was dabei herauskommt". Denn wer Quantensprünge erzielen möchte, muss ganz neue, ungewohnte (Denk-)Wege beschreiten, betont Johann Scholten von der WSFB Beratergruppe Wiesbaden. "Das setzt auch ein Umdenken bei den Top-Managern voraus."

Denn entgegen dem Irrglauben mancher Unternehmensführer gilt laut Scholten: "Alleine können sie ihre Unternehmen nicht in Richtung Zukunft führen. Sie brauchen Mitstreiter." Deshalb sollten Unternehmensführer ihre Mitarbeiter immer wieder in eine kreative Unruhe versetzen, empfiehlt Kraus - "zum Beispiel, indem sie für diese erlebbar machen, was in den Märkten wirklich ‚abgeht’". Denn Mitarbeiter sehen zumeist keine Notwendigkeit zur Veränderung, solange es im Unternehmen noch nicht brennt." Also muss sie ihnen vor Augen geführt werden.

Als wichtig erachtet Scholten auch, innovative Mitarbeiter zu ermutigen - "selbst wenn ihre Initiativen eher magere Erfolge zeigen". Die Mitarbeiter müssen spüren: Ich werde von meinen Vorgesetzten beim Beschreiten neuer Wege unterstützt. Diese gilt insbesondere für die Nachwuchskräfte, "denn sie prägen die Kultur von morgen".

Personalauswahl überdenken

Externe Betrachter erschreckt oft, wie "obrigkeitshörig" das Denken und Verhalten der High Potentials in vielen Unternehmen ist; des Weiteren, wie schnell sie sich die Newcomer dem Firmengeist unterwerfen. An diesem Punkt sollten, so Kraus, "die Unternehmen einmal ihre Personalauswahl überdenken". Sie sollten zudem, empfiehlt, Prof. Müller-Siebers erwägen, "in ihrer Organisation Kreativ-Inseln zu schaffen, in denen sich High Potentials als Unternehmer betätigen können - zum Beispiel in Form kleiner Start-ups". Möglichkeiten, die Innovationskraft von Unternehmen zu erhöhen, gibt es nach seiner Auffassung viele. "Entscheidend ist der Wille, einen solchen Spirit in der eigenen Organisation zu schaffen." (oe)

Der Autor Bernhard Kuntz ist Inhaber des Büros für Bildung & Kommunikation, Darmstadt.

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