Das in nationalen wie internationalen Medien gelegentlich als "Facebook der Wissenschaft" etikettierte Startup Researchgate hat seit der Gründung vor zwei Jahren 40 Mitarbeiter in IT und Marketing eingestellt. Heute arbeiten in der Berliner Zentrale 72 Personen. Das Unternehmen verzichtet beim Recruiting auf Headhunter ebenso wie auf das aktive Bewerben durch Stellenanzeigen. Die ideale Form der Bewerberauswahl beschreibt Geschäftsführer Ijad Madisch von Researchgate so: "Die beste Werbung für uns sind unsere Mitarbeiter, die uns weiterempfehlen."Nicht immer jedoch führen die Kontaktnetzwerke der Gründer zum Ziel. Und nicht immer steht jedes gerade frisch ins Rennen gegangene junge Unternehmen im unmittelbaren öffentlichen Rampenlicht.
Erst Wohnküche, dann 300 Mitarbeiter
Beim deutlich weniger bekannten Online-Shop für Elektronik- und Medienprodukte reBuy etwa stellen hippe Accessoires wie der Kicker oder die Tischtennisplatte keinesfalls das ausschlaggebende Kriterium für oder gegen einen Arbeitgeber dar. "Trotzdem ist es ein netter Benefit", sagt Human-Ressources-Manager Steffen Kleinert. Das Unternehmen hat sich in den letzten acht Jahren von den ersten Anfängen in einer Wohnküche auf derzeit rund 300 Mitarbeiter erweitert. Um die richtigen Kollegen anzuheuern, setzen die Personalverantwortlichen auf eine differenzierte Recruiting-Mixtur. Die Belegschaft spricht zum einen über die eigenen Netzwerke potenzielle neue Kollegen an. Die Verantwortlichen verzichten aber auch nicht auf die klassische Jobbörse, und man nutzt bei komplexeren Ausschreibungen auch Personalberater.
Die klassische Print-Stellenanzeige hingegen ist bei reBuy weitgehend out. Das Beispiel steht für einen Trend: Das Internet spielt längst die erste Geige, wenn es darum geht, High Potentials anzuheuern. Und umgekehrt setzen laut einer Studie von Potentialpark bereits 94 Prozent aller Jobsuchenden auf das Netz, um die eigene Karriereplanung vorwärts zu treiben. Ein nützliches Hilfsmittel, um die mittlerweile auch via Social Media Ausschau haltenden Bewerber zu erfassen und anzusprechen, stellt dabei E-Recruiting-Software dar. "Diese unterstützt die Verzahnung der verschiedenen Kanälen wie Jobplattformen, soziale Netzwerke, eigene Homepage oder Printanzeige", skizziert Geschäftsführer Hermann Arnold vom Schweizer Talent-Management-Spezialisten Umantis.
Mit Hilfe der elektronischen Unterstützung im Personal-Management behält das Unternehmen den Überblick über die Bewerberlage und kann rasch reagieren. Als weitere Vorzüge nennt Arnold die papierlose Weiterleitung der Unterlagen, Terminvereinbarungen oder die Unterstützung von Assessments und Einstellungsverfahren.
Mit einer regelrechten Flut von rund 2000 Bewerbungen pro Monat sieht sich der Entwickler von Online-Spielen Wooga konfrontiert. Um aus der Masse die passenden Bewerber heraus zu fischen, sind auch kreative Ideen gefragt. So zeigt das Unternehmen nicht nur regelmäßig Präsenz auf einschlägigen Branchen-Events, um aussichtsreiche Talente direkt anzusprechen und einzuladen. Von Vorteil seien auch unkonventionelle Methoden. "Für die Game Developers Conference in San Francisco haben wir spezielle Flugtickets gedruckt und die besten Bewerber direkt eingeladen", betont Sina Kamala Kaufmann, Head of Communications and Partnerships bei Wooga.
Neue Mitarbeiter durch Empfehlung
Auch handfeste Vorteile zählen, ähnlich wie bei Konzernen oder großen Mittelständlern. Einmal im Unternehmen angekommen erhält jeder Mitarbeiter von Wooga ein eigenes Weiterbildungs-Budget für den Besuch einer Konferenz oder einer fachlichen Fortbildung. Darüber hinaus bietet das Unternehmen interne Veranstaltungen an wie Deutschkurse für ausländische Mitarbeiter oder Präsentationstrainings. Was die passende Recruiting-Mixtur angeht, so steht für Kaufmann die persönliche Empfehlung von Mitarbeitern ganz oben auf der Prioritätenliste, um interessante Kandidaten aus dem unmittelbaren Umfeld für ein Startup zu begeistern. Im Erfolgsfall spendiert Wooga dem vermittelnden Kollegen schon mal als kleines Dankeschön einen kurzen Wochenendtrip, ein iPad oder ein Flachbild-Fernsehgerät.
Der IT-Dienstleister Softgarden wiederum verweist auf das individuelle Flair im szenetypischen Ambiente von Startups. "Wir zeigen den Bewerbern Fotos von unserer Espressomaschine, von der benachbarten Imbissbude oder vom Dönerladen um die Ecke, die das Umfeld möglichst plastisch und wirklichkeitsnah beschreiben", skizziert Geschäftsführer Dominik Faber.
6 Wunderkinder: Bewerber für eine Vision begeistern
Fest steht: Eine allgemeingültige Philosophie oder gar ein Patentrezept gibt es im Recruiting in der Gründerszene kaum. Eher schon kann eine unternehmerische Leitvision die künftigen Mitarbeiter für ein hochgestecktes unternehmerisches Ziel begeistern und motivieren. Festmachen lässt sich dieser Trend am Beispiel der 6Wunderkinder, ein Startup, bei dem neben der guten Idee auch das clevere Marketing eine wichtige Rolle spielt. Mit dem Wunderkit kreierten die Softwareentwickler nicht nur eine App, um die virtuelle Zusammenarbeit zwischen Freunden und Kollegen einschließlich der sozialen Netzwerkanbindung zu verbessern.
Mehr noch: Durch die auch von Werbestrategen als innovativ angesehene Recruiting-Kampagne "Let’s put a dent in the Universe" gewann das Unternehmen eine breite öffentliche Aufmerksamkeit. Die 6Wunderkinder demonstrierten, wofür das Unternehmen mit Blick auf die Kandidatensuche steht, nämlich für die Vision, den Umgang der Nutzer mit Software neu zu denken und zu gestalten. Mag ein derart hochgesteckter inhaltlicher Anspruch auch danach nicht vollständig einzulösen sein, so bildet er doch einen attraktiven Ausgangspunkt, um das eigene Talentreservoir sukzessive auszubauen, bei dem frisch eingestellte Mitarbeiter ab dem ersten Tag verantwortliche Aufgaben übernehmen.
Recruiting-Strategien: Worauf es ankommt
In der Regel punkten junge Unternehmen vor allem mit dem Argument der individuellen beruflichen Entwicklungsperspektive. Im Idealfall bedeutet die Tätigkeit in einem Startup weniger starre Hierarchien und Entscheidungsabläufe - also mehr Gestaltungsspielräume, Freiheitsgrade und vor allem rasche Aufstiegsmöglichkeiten, sofern das Unternehmen sich am Markt etablieren kann. Dadurch versuchen Startups auch Nachteile wett zu machen, wie die oftmals geringere Vergütung oder eine weniger gut ausgebaute betriebliche Altersvorsorge.
Das Recruiting spielt sich gerade in der ersten Phase meist über persönliche Netzwerke ab. Mitarbeiter empfehlen Freunde oder alte Studienkollegen. Junge Unternehmen suchen aber auch aktiv über soziale Netzwerke. Im Idealfall kann dies Streuverluste minimieren, birgt jedoch das Risiko in sich, den Blick auf geeignete Kandidaten durch eine zu selektiv angesprochene Interessengruppe zu verengen.
Zielgerichtet Foren nutzen
Die Suchfunktionen der großen Jobbörsen eignen sich zwar meist für standardisierte Anforderungsprofile in Wirtschaft und Industrie. Jedoch sind die Bedürfnisse und das Arbeitsumfeld von jungen Unternehmen meist recht individuell. Tipp: Spezialisierte Blogs und Foren offerieren hier ergänzend zur klassischen Print- oder Online-Stellenanzeige einen ergänzenden Nachrichtenkanal für versierte Insider.
Beispiele: Venture Village oder die Plattform ‚dasauge’ für Designer. Hilfreich kann es für Startups auch sein, spezielle Details in Entwicklerforen wie beispielsweise "Code Schnippsel" zu bloggen, ohne natürlich allzu sensible Details aus dem Innenleben des Unternehmens zu verraten. Beispiel: Auf der Plattform stackoverflow tummeln sich Softwareentwickler, weil sie nach spezifischen Antworten zu programmiertechnischen Fragestellungen Ausschau halten. (Quelle: Softgarden/Rebuy)