Großer Katzenjammer um die BenQ-Pleite

04.10.2006
Die Zukunft des Unternehmens steht weiter in den Sternen, auch wenn ich inzwischen sämtliche Interessengruppen für einen Erhalt stark machen.

Nach der Pleite von BenQ Mobile wollen Politik und Wirtschaft die frühere Siemens-Handysparte in deren Überlebenskampf unterstützen. Siemens selbst hatte nach der scharfen öffentlichen Kritik einen 35-Millionen-Euro-Fonds zur Unterstützung der BenQ-Mitarbeiter eingerichtet. Bayern will das insolvente Unternehmen im Streit um Patente unterstützen und plädierte dafür, dass noch ausstehende Zahlungen von rund 150 Millionen Euro an den taiwanesischen Mutterkonzern BenQ stattdessen den Beschäftigten vor Ort zugute kommen.

Die Zukunft der Handyfirma mit 3.000 Beschäftigten in Deutschland ist jedoch weiter ungewiss. Der Mobilfunk-Provider T-Mobile legte derweil seine Bestellungen auf Eis. Nach der Insolvenz müssten nun einige Fragen wie Kundenservice und die Versorgung mit Ersatzteilen geklärt werden, sagte ein Sprecher der Telekom-Tochter in Bonn und bestätigte damit zum Teil einen Bericht der "Financial Times Deutschland". "Ziel der Gespräche mit dem Insolvenzverwalter ist es aber, weiterhin BenQ-Handys zu verkaufen." T-Mobile ist nach Angaben aus Branchenkreisen mit einigen hunderttausend verkauften Geräten einer der größten Kunden von BenQ. Nach diesen Informationen stoppte auch Vodafone D2 seine Bestellungen bei BenQ. Ein Sprecher von Vodafone D2 sagte dazu: "Wir sind im Gespräch mit dem Insolvenzverwalter von BenQ."

Siemens-CEO Klaus Kleinfeld muss für ein Jahr Verzicht üben.
Foto: Siemens AG

Die Betriebsratsvorsitzende Susanne Kahlweg rechnet in jedem Fall mit einem deutlichen Stellenabbau - nur verschlankt habe das Unternehmen die Chance, einen Investor zu finden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte in einem Telefonat mit Siemens-Chef Klaus Kleinfeld an das Verantwortungsbewusstsein von Deutschlands größtem Elektrokonzern. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte, es sehe alles danach aus, als habe BenQ seine Verpflichtungen gegenüber den deutschen Werken und Mitarbeitern verletzt. Er plädierte nach einem Treffen mit Kleinfeld dafür, ausstehende Zahlungen von Siemens an BenQ sollten den deutschen Mitarbeitern zugute kommen. "Statt dieses Geld in den Tiger in Taiwan zu stecken, sollte es in Deutschland bleiben." Nach Siemens-Angaben stehen noch zwei Raten in Höhe von rund 150 Millionen Euro aus. Siemens hatte BenQ bei der Übergabe der Sparte vor einem Jahr rund 350 Millionen Euro in Aussicht gestellt. BenQ verteidigte den Insolvenzantrag am Dienstag. "Seit wir das Mobiltelefongeschäft im vorigen Oktober von Siemens übernommen haben, hat BenQ rund 840 Millionen Euro verloren", sagte Vorstandsmitglied Rick Lei in Taipeh. "Um BenQ Mobile zu retten, hätten wir nochmals 800 Millionen Euro investieren müssen."

Der vorläufige Insolvenzverwalter will die Produktion zumindest bis Ende des Jahres fortsetzen. Wenn bis dahin kein Investor gefunden ist, droht das Aus. Siemens will mit dem Härtefonds betroffenen Beschäftigten bei der Weiterbildung und der Suche nach neuen Jobs helfen. "Wenn BenQ die Mitarbeiter im Regen stehen lässt, wollen wir tatkräftig helfen", sagte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Von der Pleite sind 1.400 Mitarbeiter in der Zentrale in München betroffen. Hinzu kommen 1.600 Beschäftigte in der Fertigung in Nordrhein-Westfalen.

Hello Kitty: Handy von BenQ Mobile.
Foto: BenQ - Siemens

"Wir sind entsetzt, was BenQ tut", sagte Kleinfeld am Montagabend im Fernsehen. Arbeitnehmervertreter und Politiker hatten Siemens für die Pleite mitverantwortlich gemacht. Dabei wurde auch die geplante Anhebung der Vorstandsgehälter um 30 Prozent scharf kritisiert. Der Vorstand setzt die Erhöhung nun für ein Jahr aus und gibt die fünf Millionen Euro in den Fonds. Merkel sagte der "Bild"-Zeitung, Siemens stehe in einer besonderen Verantwortung. "Angesichts dieser Gesamtverantwortung begrüße ich es, wenn Siemens jetzt alles tut, um möglichst vielen Beschäftigten eine Zukunftsperspektive zu geben." Die IG Metall hingegen kritisierte die geplanten Hilfsmaßnahmen. "Mit einem Nothilfefonds ist es bei weitem nicht getan", sagte der nordrhein-westfälische IG-Metall-Bezirksleiter Detlef Wetzel. "10.000 Euro pro Kopf ersetzen keine Arbeitsplätze." Das sei noch nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagte Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer.

Bayern will das insolvente Unternehmen im Streit um Patente mit dem taiwanesischen Konzern unterstützen. Das Bundesland wolle sich an einer Clearing-Stelle beteiligen, der auch Vertreter der Gewerkschaften und von Siemens angehören sollen, sagte Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU). Ziel sei es, alle rechtlichen Möglichkeiten im Sinne der Mitarbeiter auszuschöpfen. Dabei solle auch geklärt werden, in welchem Umfang Patente an BenQ abgeflossen seien und was man dagegen tun könne.

Unterdessen könnten es Medienberichten aus Taiwan zufolge einen Rechtsstreit um die Nutzung des Markennamens Siemens geben. BenQ-Manager Lei wollte das nicht kommentieren: "Wir haben nichts schriftliches dazu vorliegen." Er wies darauf hin, dass die bei der Übernahme des Mobiltelefongeschäfts geschlossenen Verträge BenQ erlauben, fünf Jahre lang den Markennamen Siemens zu nutzen. Siemens war für eine Stellungnahme dazu nicht zu erreichen, und ein BenQ-Sprecher wollte sich nicht äußern. (dpa/ajf)