Google drängt mit Online-Office in die Unternehmen

28.02.2007 von Wolfgang Sommergut 
Die Web-Company kündigte eine kommerzielle Variante ihrer gehosteten Office-Applikationen an. Im Gegensatz zu den kostenlosen Versionen garantiert Google dafür hohe Verfügbarkeit und Support. Vorerst stellen die leichtgewichtigen Web-Tools kaum eine Konkurrenz für Microsoft dar.

Unter der Bezeichnung "Google Apps Premier Edition" fasst das Unternehmen eine Reihe von bereits vorhandenen Anwendungen für Unternehmenskunden zusammen. Zu diesen Tools gehören "Google Mail", die Textverarbeitung und Tabellenkalkulation "Text & Tabellen", das Chat- und VoIP-Tool "Google Talk", ein Kalender sowie eine Einstiegsseite im Stil eines Portals. Firmen sollen dafür 50 Dollar pro Benutzer und Jahr bezahlen.

Ein derartiges Anwendungspaket existierte bis dato unter dem Namen "Google Apps für Ihre Domain". Diese kostenlose Version soll als "Standard Edition" weiterhin verfügbar sein. Im Gegensatz zu den Consumer-Varianten erlaubt sie Anwendern, Mail-Adressen unter ihrer eigenen Internet-Domäne einzurichten, also etwa user@meinefirma.de statt user@googlemail.com.

Google Text & Tabellen speichert sämtliche Dokumentversionen aller Bearbeiter.

Das neue kostenpflichtige Paket wartet mit einigen erweiterten Features auf. Dazu gehören 10 GB Speicherplatz pro Benutzer für Mail (anstatt 2 GB in der Gratisausführung), Schnittstellen zur Integration von externen Anwendungen oder firmeninternen Verzeichnisdiensten. Im Kalender lassen sich Büroressourcen wie etwa Konferenzräumen verwalten. Darüber hinaus garantiert Google eine Verfügbarkeit für E-Mail von 99,9 Prozent und bietet Rund-um-die-Uhr-Support. Schließlich bleibt die kostenpflichtige Variante frei von kontextabhängigen Werbeanzeigen.

Konkurrenz zu Microsoft?

In den Apps Premier Edition sehen viele Berichterstatter einen direkten Angriff auf Microsofts Office-Monopol. Google selbst beschreibt seine Tools hingegen als Ergänzung zu den klassischen Desktop-Werkzeugen. Tatsächlich versucht das Unternehmen nicht, die herkömmlichen Office-Anwendungen im Browser nachzubauen. So orientieren sich weder das selbst entwickelte Mail-Programm noch die von Writely zugekaufte Textverarbeitung in puncto Bedienerführung an Microsoft. Marktbeobachter, die einen unmittelbaren Wettbewerb zwischen den Google Apps und MS Office sehen, nehmen die Online-Tools nicht als eigene Produktkategorie wahr. Vielmehr vergleichen sie den Funktionsumfang der beiden Pakete und attestieren den Applikationen des Suchmaschinenbetreibers zumeist eine magere Ausstattung.

Die Vorzüge der gehosteten Applikationen bestehen jedoch in den neuen Möglichkeiten der Teamarbeit und des universellen Zugriffs per Browser - eine lokale Installation von Software entfällt. In Text & Tabellen können mehrere Autoren gleichzeitig an einem Dokument arbeiten, ohne Versionskonflikte zu riskieren, weil die Änderungen eines Bearbeiters allen anderen in Echtzeit angezeigt werden. Außerdem müssen Anwender keine Dokumente mehr als Mail-Anhänge durch die Firma schicken, vielmehr reicht ein Link auf die betreffende Datei im Web. Dort findet sich nicht bloß die aktuelle Version, sondern die gesamte Historie des Dokuments.

Derzeit arbeitet Google an der Integration des zugekauften Wiki-Systems Jotspot in sein Online-Office.

Google verzahnte seine Online-Tools in den letzten Monaten immer stärker, so dass sie sich zu einer integrierten Arbeitsumgebung zusammenfügen. So kann man sich per Single-Sign-on an allen Anwendungen anmelden, MS-Office-Dateianhänge aus Google Mail mit Text & Tabellen öffnen oder im Kalender für den Versand von Einladungen auf die Kontaktliste von Mail zugreifen. Derzeit arbeitet Google an der Integration von "Jotspot", einem Wiki-System, das die Firma im Oktober letzten Jahres gekauft hat. Voraussichtlich wird es mit den bestehenden Anwendungen verschmolzen, so dass diese Tools nicht nur einzelne Dateien erzeugen können, sondern sich auch für größere Projekte wie etwa Dokumentationen eignen.

Ergänzung zu Desktop-Anwendungen

Zwei weitere Aspekte sprechen ebenfalls dafür, dass die Google Apps derzeit die bestehenden Desktop-Schwergewichte nur ergänzen sollen. Die Web-Company möchte mit diesen Anwendungen besonders solche Mitarbeiter in Unternehmen erreichen, die über keinen festen Büroarbeitsplatz verfügen und daher von der internen IT häufig keinen Mail-Zugang erhalten. Dazu zählen beispielsweise Angestellte in Warenlagern oder Produktionsstätten. Denkbar wäre aber auch, dass Sachbearbeiter mit geringeren Anforderungen an Office-Anwendungen auf die Google Apps umsteigen und Microsoft hier Marktanteile streitig machen. Angesichts der gewaltigen Einsparungsmöglichkeiten scheint das nicht unrealistisch: Bereits die Studentenversion von Office 2007 kostet genauso viel wie die Nutzung von Google Apps über drei Jahre.

Aufgrund mangelnder Offline-Fähigkeiten ist das Google-Paket auf Fat Clients angewiesen, wenn Dateien unterwegs ohne Internet-Anbindung bearbeitet werden sollen. Die Dokumente können über die vorhandene Exportfunktion in Microsoft oder Open Office geladen werden, für Mails bedarf es eines POP3-fähigen Mail-Programms. Wie "Scrybe", ein Online-Organizer der gleichnamigen Startup-Firma eindrucksvoll beweist, gibt es allerdings keine grundsätzlichen technischen Hindernisse für eine Synchronisierung von gehosteten Browser-Anwendungen mit dem Desktop. Daher könnte Google eine solche Funktionalität durchaus noch nachliefern.