Google: Der fleißige Spider

05.01.2007 von Jürgen Liebherr
Google ist schon längst nicht mehr nur Suchmaschine. Gerade in letzter Zeit dringt das kalifornische Internet-Unternehmen immer weiter in die Bereiche Office, Media und Mobile vor.

Raten Sie mal, wie viele Google-Dienste es gibt. Klar, da fällt einem die typische Suchfunktion ein, dann Froogle, Google News; von Desktop und Toolbar hat man schon gehört und Web-Profis kennen natürlich Adsense oder Google Earth und Maps... Auf der deutschen Übersichtsseite von Google stehen alleine 24 Dienste, auf der amerikanischen 36. Je nach Zählweise (Tools und Inoffizielles mitgerechnet) kommt man aber sogar auf rund 60! Die Entwickler in den so genannten Google Labs sind unglaublich produktiv. Mit jeder Betaversion wird das Spinnen-Netz der Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin dichter, größer; immer mehr Unternehmen (wie zuletzt YouTube) werden assimiliert. Kritiker sprechen nicht zu unrecht von einem Internet-Imperium, von einer ungesunden Vormachtstellung im Web.

Googles Weg an die Spitze

Dabei scheint die Strategie des in Kalifornien, Mountain View ansässigen Unternehmens besonders in jüngerer Zeit nicht immer klar erkennbar zu sein. Doch blicken wir zurück:

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre geht es bei Google noch ausschließlich um die Optimierung der Suchfunktionen. Erfolgreich. Denn schon 1999 werden täglich rund eine halbe Million Suchanfragen bearbeitet. Im Jahr 2000 werden die Benutzerströme in bare Münze umgesetzt - durch Anzeigen ("Ads") in den Ergebnislisten. Das Geschäftsmodell steht damit auf relativ festen Beinen. 2001 kommt die Bildersuche Google Images mit einem Index von 250 Millionen Bildern dazu. 2002 startet die Nachrichtensuche Google News sowie die Produktsuchmaschine Froogle. Das erste große Fragezeichen in der bis dahin meist logischen Expansions-Strategie erfolgt 2003. Google kauft die Blogging-Software-Firma Pyra Labs - doch zu welchem Zweck? Will Google Weblogs durchsuchen, selber welche erstellen? Das Jahr 2004 steht dann wieder deutlich im Zeichen der Suche: Mit der Einführung der lokalen Suche wird ein weiterer Schritt in Richtung kommerzielle Nutzung gegangen. Auch die kurz darauf vorgestellte personalisierte Suche verspricht Umsatzsteigerung durch Werbeeinnahmen. Denn durch die Vorauswahl von Interessengebieten bei einer Suchanfrage werden nicht nur die Ergebnisse optimiert sondern auch die darüber eingeblendeten Anzeigen. Drei weitere wichtige Ereignisse passieren 2004: Im April startet der E-Mail-Dienst Gmail und im Juli wird überraschenderweise die frisch aufgekaufte Foto-Software Picasa kostenlos als Download bereitgestellt. Warum, weiß keiner so genau. Der Börsengang von Google im August kommt weitaus weiniger überraschend. Mit den so gefüllten Kassen scheint es für die frisch gebackene Aktiengesellschaft kein Halten mehr zu geben. Die folgenden zwei Jahre stehen ganz im Zeichen der unaufhaltsamen Expansion.

Ein paar Fakten...

  • Google wurde 1998 von Larry Page und Sergey Brin offiziell gestartet.

  • Heutiger Börsenwert zirka 150 Milliarden Dollar - damit Platz 14 der US-Unternehmen und Platz 3 der weltweiten IT-Unternehmen.

  • Jahresumsatz 2006 voraussichtlich über 10 Milliarden Dollar.

  • Mit 49,5 Prozent Marktanteil weltweiter Spitzenreiter in Sachen Online-Suche.

Google hebt ab

Als 2005 Google Earth in der Betaversion gelauncht wird, ist die Internetgemeinde verzückt. Ein webbasiertes Programm, mit dem man quasi über unseren Planeten, über Länder, über einzelne Gebäude "fliegen" kann. Respekt. Wenige Monate später folgt der nächste strategisch kluge Schachzug: Google Maps und Google Local werden zusammengeführt. Die lokale Suche nach beispielsweise einem Restaurant wird mit Kartenausschnitt und Wegbeschreibung kombiniert. Optionale Bilder von Google Earth machen das Ganze noch interessanter. Und so wird einem erst einige Zeit später bewusst, was für ein Potential in Google Earth steckt. Mittlerweile nutzen auch schon einige Reisebüros den Geo-Dienst, um einen genauen Blick auf ein Urlaubsgebiet, die Lage eines Hotels zu werfen. Und Google verdient natürlich mit daran.

Dieser Ansatz - ein Projekt unbekümmert zu entwickeln, zu kaufen, zu launchen, bis dann hin zu (teils) unerwarteten Erfolgen - scheint fast schon symptomatisch für die Google Denkart. Nicht alles ist bis ins i-Tüpfelchen durchdacht, Page und Brin sind nicht nur Wissenschaftler sondern auch Spieler - und werden somit zu erfolgreichen Visionären.

Google greift an

2006 kommt der nächste Schlag: Google eröffnet seinen Video-Store mit bezahlpflichtigen Inhalten und zieht sich damit selbst die Eintrittskarte in die Medienwelt. Geschickt vorbereitet wurde das Ganze bekanntermaßen durch die genau ein Jahr zuvor gestartete Online-Video-Plattform Google Video.

Dann, ebenfalls im letzten Jahr, dringt Google sogar direkt auf den heimischen Rechner vor. Die mittlerweile optimierte Version von Google Desktop sucht mit dem bewährten Algorithmus auf unserer Festplatte. Das Programm indexiert E-Mails, Outlook-Adressbücher, Dateien der Formate Excel, Word, PDF sowie Musik- und Bild-Files. Bei den "ganz nebenbei" mitgelieferten/angebotenen, entzückenden und praktischen Gadgets vergisst so mancher das eingebaute Gefahrenpotential: Immerhin ist die Desktop-Suchfunktion auch mit der Außenwelt verbunden, über das Internet! Und Google ist beileibe nicht dafür bekannt die Hüter des Datenschutz-Grahls zu sein.

Auch bei einem der jüngsten Coups sträuben sich Datenschützern die Nackenhaare: Google versorgt jeden der will, mit Online-Office-Tools. Möglich wurde der Angriff auf den Software-Giganten Microsoft durch die Übernahme des "Docs and Spreadsheets"-Vorgängers "Writely" Anfang 2006. Die zweifellos genialen Programme der Kategorien Textverarbeitung und Tabellenkalkulation laufen direkt im Browser. Aber auch wenn dank neuster Axaj-Magie schnell und ohne große Nachladeaktionen das Web-Office läuft, sollte doch nie vergessen werden, dass man immer online ist, ohne SSL-Verschlüsselung. Und auch der große Vorteil, Dokumente mit anderen Teilnehmern online zu tauschen, zu bearbeiten, sie im Web abzulegen, kann logischerweise schnell zum Sicherheitsrisiko werden.

Ein Online-Pendant zu Microsofts Outlook existiert ebenfalls. ((ist doch in erster Linie Mailclient))Google Calendar hat die üblichen Anzeigemodi wie Tages-, Wochen- und Monatsansicht, erinnert an Termine. Und natürlich ist auch hier der Zugriff auf die Einträge für andere Benutzer möglich, sofern erlaubt. Eine direkte funktionale Anbindung an Google Mail ist wohl schon in der Pipeline.

Apropos Pipeline: Die jüngst publizierten Ergüsse aus den Google Laboratorien scheinen sich wieder mal auf die ursprünglichen Intentionen des Suchmaschinen-Primus zu besinnen: Mit Google Archive und Google Patent Search geht es wieder ganz klar in Richtung Suchen&Finden. Archive gliedert sich an den Nachrichtendienst Google News an. Damit kann man endlich auch erfolgreich in weiter zurückliegenden Pressepublikationen, wie dem Time-Magazin und dem Guardian, stöbern. Es werden aber auch kostenpflichtige Artikel aus der New York Times, dem Wall Street Journal und der Washington Post angezeigt.

Google Patent Search durchsucht mehr als sieben Millionen Patente. Im Rahmen der Suchergebnisse werden nicht nur eine Textbeschreibung rund um das Patent angezeigt, sondern auch die dazugehörigen Zeichnungen und bildlichen Erklärungen.

Google in der Zukunft

In punkto Aussagen über die Zukunft gibt sich Google genauso so verschlossen wie Apple. In Mountain View spart man mit vollmundigen Ankündigungen, platziert lieber gleich die berühmten Beta-Versionen im Netz. Doch natürlich köchelt auch bei Google die Gerüchteküche. Angeblich will der Suchmaschinenanbieter gemeinsam mit dem Mobilfunkanbieter Orange ein Handy mit Google-Software und Location Based Services (Empfehlungen für nahe gelegene Restaurants, Kinos etc.) auf den Markt bringen. In einer Meldung des Observer heißt es sogar, eine Delegation des Mobilfunkanbieters habe im Google-Hauptquartier entsprechende Verhandlungen geführt. Das für 2008 erwartete Handy könnte vom taiwanesischen Hersteller HTC gebaut werden. Kommentar eines Google-Sprechers: "Wir kommentieren keine Marktspekulationen oder Gerüchte, aber wir haben unseren Fokus auf dem Mobilsektor." Insider hatten schon lange die Ausrichtung in Sachen Handy prophezeit; Anzeichen dafür gab es immer wieder. Zuletzt im Herbst 2006 mit der Veröffentlichung einer Java-Anwendung für den mobilen Zugriff auf Google-Mail-Accounts. Die "Mobile App" läuft auf (zunächst nur) diversen amerikanischen Java-fähigen Handys.

Eine ganz andere kommerzielle (Aus-) Richtung zeigt eine im Dezember publizierte Meldung. Google steigt jetzt anscheinend auch in das Geschäft mit der Registrierung von Internet-Domains ein. In Zusammenarbeit mit GoDaddy.com und eNom sollen Nutzer künftig Domainnamen der Endungen .com, .net, .biz und .info beim Suchmaschinengiganten registrieren können. Google will für diesen Service jährlich zehn US-Dollar verlangen.

Fazit: Google webt sein Spinnennetz unablässig. Es gibt wohl bald kaum mehr einen Bereich des Internets, ja überspitzt gesagt sogar der modernen Medienwelt, den der Suchmaschinenspezialist noch nicht mit seinen Fäden übergezogen hat. Sollte Google die daraus resultierenden Information und Daten verknüpfen, auswerten oder gar unrechtmäßig nutzen, so bekämen die zahlreichen Datenschützern und Kritiker von Google recht. Und aus der braven kleinen Such-Spinne könnte eine mutierende Riesen-Daten-Tarantel werden. Tatsache ist: Weder in der Medien- noch Internet-Landschaft sollte es zu einer Monopolisierung kommen. Fragt sich bloß, was man dagegen tun soll? Google meiden, neue Gesetze entwerfen - oder lieber darauf hoffen, dass der Spider Google seinem Motto "Don't be evil" wirklich treu bleibt, und letztendlich niemanden auffrisst?

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