Glückliches Ländle

13.03.2001 von in Ingrid
Karlsruhe und Stuttgart bei den Universitäten, Furtwangen und Esslingen bei den Fachhochschulen – so lautet die Rangliste der attraktivsten deutschen Informatik-Lerntempeln. Befragt wurden im Auftrag von Computerwoche und Young Professional 224 Arbeitgeber.

Lange Gesichter in München, allen Grund zum Jubeln dagegen in Karlsruhe und Stuttgart: Dort suchen Unternehmen am liebsten nach Absolventen des Studienfaches Informatik. 21,7 Prozent der Befragten gaben an, dass die badische Hochschule zu ihren Favoriten gehört. Sicher spricht auch die lange Tradition des Fachbereichs für die Beliebtheit. Die Technische Universität gehörte zu den ersten Hochschulen, die 1969/70 das Studienfach Diplominformatik in ihr Curriculum aufnahmen. Bereits 1972 gab es eine eigene Fakultät, und mittlerweile haben mehr als 3500 Absolventen dort ihr Diplom erworben.

Beim letzten Ranking der Computerwoche im Jahr 1997 belegte die Technische Universität den ersten Platz. Auf den zweiten Platz wählten die Vertreter der Wirtschaft die Universität Stuttgart. Obwohl die Informatikfakultät dort später gegründet wurde und weniger Studierende ihren Abschluss erwerben, steht die Hochschule in der Gunst der Personaler ganz weit oben. Neben einem Diplominformatik-Abschluss bietet die schwäbische Universität einen Magisterstudiengang in Informatik und ein Lehramtstudium für das Fach an. Ein Grund für das hohe Ansehen könnte die Praxisnähe der Hochschule sein, denn es bestehen enge Verbindungen zu Industrie und Verwaltung.

Auf dem dritten Platz der Beliebtheitsskala folgt die Technische Universität Darmstadt. Gemeinsam mit Karlsruhe zählt sie zu den ältesten und traditionsreichsten Informatikuniversitäten. Zwar streiten die beiden Hochschulen, wer als erste eine Informatikausbildung anbot, bei der Beliebtheit besteht dagegen kein Zweifel: Darmstadt liegt vorne. Bei den Fachhochschulen darf Baden-Württemberg ebenfalls alle Siegeslorbeeren für sich in Anspruch nehmen: Auf die erste Stelle schaffte es die Fachhochschule in Furtwangen, dicht gefolgt von der Fachhochschule Esslingen, Hochschule für Technik (FHT).

Im Auftrag der Computerwoche befragte Westerwelle Consulting & Media AG im Herbst 2000 insgesamt 1920 Unternehmen. An der Studie beteiligten sich 244 Firmen, darunter 11,9 Prozent Startups, 27,9 Prozent mittelständische Betriebe und fast zur Hälfte (48,8 Prozent) Großunternehmen. Jede vierte befragte Firma kommt aus dem Großraum Frankfurt. Als Arbeitsschwerpunkte nannten 23 Prozent der Befragten Software und E-Commerce, 20,1 Prozent rechnen sich zum Consulting-Bereich. Finanzdienstleistungen und Produzierendes Gewerbe folgen auf dem dritten und vierten Platz. Aus den Branchen Medien, Kommunikation und Handel war die Rücklaufquote des Fragebogens gering.

Die beliebetesten Informatik-Hochschulen

1.

Universität Karlsruhe (TH)

21,7 %

2.

Universität Stuttgart

19,3 %

3.

Technische Universität Darmstadt

17,6 %

4.

RWTH Aachen

16,4 %

5.

Technische Universität München

15,6 %

6.

Universität Mannheim

14,3 %

7.

Fachhochschule Furtwangen

12,3 %

8.

Fachhochschule Technik Esslingen

11,9 %

9.

Universität Frankfurt/Main

11,5 %

10.

Universität Dortmund

10,7 %

11.

Universität Ulm

9,8 %

12.

Universität Saarbrücken

9,4 %

13.

Universität Gesamthochschule Paderborn

8,6 %

14.

FHTW Berlin

8,2 %

15.

Universität Hamburg

7,8 %

16.

Fachhochschule Wedel

7,8 %

17.

Fachhochschule Augsburg

7,4 %

18.

Technische Universität Dresden

7,4 %

19.

Universität Bremen

7,0 %

20.

Fachhochschule Karlsruhe

6,6 %

21.

Fachhochschule Darmstadt

6,1 %

22.

Technische Universität Chemnitz

5,7 %

23.

Universität München

5,3 %

24.

Fachhochschule Dortmund

5,3 %

Quelle: Westerwelle

In einem weiteren Schritt baten die Marktforscher die Unternehmen, aus ihrer Perspektive die Leistungen der Hochschulen zu bewerten. Zu den Fragen gehörte, wie gut die Professoren die Studieninhalte vermitteln, welchen Wert eine Hochschule auf den Praxisbezug legt und ob die Theorievermittlung an erster Stelle der universitären Ausbildung steht. Die vierte Frage beschäftigte sich mit der internationalen Ausrichtung der Ausbildungsstätten.

Welchen Stellenwert hat der Fremdsprachenunterricht, sind Gastprofessoren beschäftigt sind und gibt es einen intensiven studentischen Austausch? Auf einer 100-Punkte-Skala fiel die Bewertung nach den vier Kriterien Theorievermittlung, Praxisbezug, Internationale Ausrichtung und Qualität der Professoren anders aus als das Ranking. Die Technische Universität München belegt bei der Theorievermittlung mit 91,25 Punkten den ersten Platz. Auf dem zweiten Rang folgen mit 88,75 Punkten die Technische Universität Darmstadt und auf dem dritten Platz die RWTH Aachen. Die Universität Stuttgart belegt bei der Theorievermittlung nur den vierten Platz, Karlsruhe muss sich bei dieser Bewertung mit dem sechsten Platz zufrieden geben.

Erwartungsgemäß belegen die Fachhochschulen bei der Frage nach einem hohen Praxisbezug die ersten Ränge. Die Spitzenposition mit 87,50 Punkten sicherte sich die Fachhochschule Wedel bei Hamburg, dicht gefolgt von der FHT Esslingen mit nur 0,5 Punkten Rückstand. Auf dem dritten Platz findet sich die Fachhochschule Furtwangen. Ganz knapp schaffte es die Universität Ulm auf den vierten Platz, und mit nur 0,5 Punkten Unterschied belegt die Fachhochschule Karlsruhe den fünften Rang. So schlecht scheint es mit dem Theorie-Praxis-Bezug an den Universitäten nicht bestellt zu sein, denn die Universität in Dortmund konnte sich den sechsten Platz sichern.

Die internationale Ausrichtung ist den Unternehmen zwar nicht besonders wichtig, wenn sie Personal suchen, allerdings spielt ein Auslandssemester oder zumindest ein Praktikum an einer Partneruniversität für die Studierenden eine immer größere Rolle. Die besten internationalen Kontakte hat nach Meinung der Unternehmen mit deutlichem Abstand die FHT Esslingen, denn die schwäbische Fachhochschule erhielt mit 91,50 die höchste Bewertung. Auf dem zweiten Platz, allerdings mit deutlichem Abstand, liegt die Universität Saarbrücken, die Technische Universität München folgt mit 72,50 Punkten auf dem dritten Platz, und die RWTH Aachen muss sich mit 70 Punkten mit dem vierten Platz begnügen.

Bei der vierten Frage, welche Hochschulen über die höchste Qualität bei den Professoren in der Lehrtätigkeit verfügen, fiel das Ergebnis denkbar knapp aus. Mit 83,50 Punkten eroberte sich die RWTH Aachen knapp Rang eins, dicht gefolgt von der Universität in Frankfurt. Zwar konnte die hessische Alma Mater bei den anderen Fragen nicht unter die Spitzenplätze vorrücken, die Lehrtätigkeit ihrer Professoren bewerteten die befragten Unternehmen mit 83 Punkten dagegen als ausgezeichnet. Auf dem dritten Platz folgt die Universität Karlsruhe, und die Technische Universität Darmstadt belegt mit 80 Punkten den dritten Platz. Die Universitäten in Saarbrücken, München und Stuttgart folgen auf den weiteren Rängen. Belegte die Fachhochschule Wedel beim Thema Praxisbezug noch den ersten Platz, liegt sie bei der Qualität ihrer Professoren nach Meinung der befragten Unternehmen mit nur 59,25 Punkten auf der hinteren Skala der Rangliste. Allerdings müssen sich die Studierenden keine ernsthaften Sorgen über die Qualität der Lehre an den Hochschulen machen, denn keine erhielt die Beurteilung ”schlecht”.

In der Studie ging es nicht nur um die besten Hochschulen, sondern auch um die Frage, wie die Unternehmen Informatiker rekrutieren, was sie von den Studierenden erwarten und wie groß ihr künftiger Bedarf an Absolventen sein wird. Ein Trend wird in der Studie besonders deutlich: Um an die knappen Informatiker zu kommen, müssen sich die Arbeitgeber schon früh um die Studierenden bemühen. Das Hochschul-Marketing hat deshalb Hochkonjunktur.

Den Unternehmen stehen dabei vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung: Vom schlichten Werbeplakat über Vorträge, Praktika und Diplomarbeiten bis hin zu gesponserten Forschungsaufträgen oder gar einem Lehrstuhl sind den guten Ideen keine Grenzen gesetzt. Die Unternehmen investieren hier bereits kräftig. Bei nur 27 Prozent liegt der Etat unter 100 000 Mark, gut ein Drittel gibt zwischen 100 000 und 500 000 Mark aus, und 10,2 der befragten Firmen lassen sich das Hochschul-Marketing zwischen 500 000 und eine Million Mark kosten, der Durchschnitt liegt mit 421 385 Mark immerhin bei einer knappen halben Million Mark jährlich.

Schon heute betreut bei 14 Prozent der Unternehmen eine eigene Abteilung die Hochschulaktivitäten, während bei den anderen Firmen die Personalabteilungen dafür zuständig sind. Allerdings gibt es Unterschiede bei den Branchen. Die Finanzdienstleister lassen sich die Nachwuchssuche durchschnittlich 604 800 Mark kosten. Dagegen geben jüngere Branchen aus den Bereichen E-Commerce und Software mit 288 367 Mark vergleichsweise wenig aus. Auch Consulting-Unternehmen lassen sich mit 580 811 Mark die Bewerbersuche einiges kosten.

Bei der kreativen Mittelverteilung könnte allerdings ein wenig mehr Phantasie nicht schaden. Das meiste Geld, nämlich 42,2 Prozent, das Unternehmen für das Hochschul-Marketing ausgeben, fließt in Print- oder Online-Anzeigen, 28,9 Prozent werden für Hochschul-, Fach- und Recruiting-Messen ausgegeben, und nur bescheidene 3,6 Prozent fließen in das Sponsoring von Hochschulen. Die regionale Nähe sowie der Studienort des IT-Verantwortlichen beeinflussen laut Studie die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wenig.

Die Personalpolitik nach dem Motto ”Wir rekrutieren bevorzugt von der Hochschule, an der der Chef studiert hat” ist nur für 15,4 Prozent von Bedeutung. Ganz wichtig ist dagegen der Praxisbezug der Hochschule. Bei 82,8 Prozent ist dies das ausschlaggebende Kriterium. Einen optimal zum Unternehmen passender Schwerpunkt berücksichtigen 62,7 Prozent bei ihrer Entscheidung. Für mehr als die Hälfte der Befragten kommen eine hohe Reputation des Fachbereiches und die Nähe der Hochschule als Entscheidungskriterium dazu. Dagegen spielt die internationale Ausrichtung der Universitäten nur bei 26,2 Prozent der Befragten eine Rolle. Überraschend ist auch das Ergebnis, dass nur 10,2 Prozent der Firmen aufgrund eines hohen Forschungsstandards mit einer Hochschule zusammen arbeiten.

In welchen Bereichen arbeiten Unternehmen und Hochschulen am intensivsten zusammen? Die Antwort hierzu fiel ganz klar aus: Unternehmenspraktika nannten 84,8 Prozent. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Firmen holen sich für relativ wenig Geld gut ausgbildete Arbeitskräfte ins Unternehmen, die Studierenden können Praxisluft schnuppern. Um genügend freie Plätze müssen sie sich nicht sorgen, denn der Bedarf bei den Firmen steigt. 81,9 Prozent der Unternehmen gab an, IT-Studenten zu beschäftigen. Für viele Praktikanten mündet der Studentenjob in eine Festanstellung; 78,4 Prozent der Betriebe bestätigten, dass die jungen Leute eine gute Chance auf eine Übernahme hätten.

Immer beliebter wird die Vergabe von Diplomarbeiten als Kooperationsaspekt. Schon heute nützt mehr als die Hälfte die Möglichkeit. Auch wenn Praktika und Diplomarbeiten fleißig vergeben werden, sind nur neun Prozent der Unternehmen mit der Zusammenarbeit mit den Hochschulen zufrieden. Fast 80 Prozent der Befragten wünschen sich einen direkten Ansprechpartner an den Hochschulen, der sie auf dem Laufenden hält. Kritisch sehen die Unternehmen die Theorielastigkeit der Hochschulen, die in ihren Augen als ”sinnlos” tituliert wird .

Nach wie vor unglücklich sind die Firmen darüber, dass der IT-Arbeitmarkt so eng ist. Suchten die Arbeitgeber 1998 noch durchschnittlich 28,9 Informatiker, stieg die Zahl zum Ende des Jahrtausends auf 65,6 Mitarbeiter an. In diesem Jahr erwarten die Unternehmer allerdings keinen weiteren dramtischen Anstieg. Für das Jahr 2001 bezifferten sie ihren Bedarf mit 69,1 Mitarbeiter, was einer bescheidenen Steigerungsrate von 5,3 Prozent entspricht. Die Unternehmen suchen vorrangig Leute für den Bereich Anwendungsentwicklung und Programmierung, 89,9 Prozent meldeten hier großen Bedarf an. Fast zwei Drittel der Befragten möchten die neu angeheuerten Informatiker in der Netzwerkbetreuung einsetzen, und bei 59 Prozent sollen die Absolventen künftig in der Beratung tätig sein.

Neben den Informatikern und Wirtschaftsinformatikern haben auch Absolventen anderer technischer Studienfächer gute Einstiegschancen bei IT-Arbeitgebern. Betriebswirte sind bei 55 Prozent der Unternehmen willkommen, 51 Prozent möchten Mathematiker engagieren und 46 Prozent Absolventen der Ingenieurstudiengänge. Schlusslicht bei den gesuchten Studienfächern sind Physiker, denen nur 32 Prozent einen hohen Stellenwert zusprechen. Die Frage “Universitäts- oder Fachhochschulabschluss?” spielt nur bei einem Viertel der Firmen eine Rolle, bei drei Viertel der Unternehmen genießen beide Studienabschlüsse das gleiche Ansehen.

Kritischer sind die Firmen gegenüber Absolventen anderer Studienfächer. 29 Prozent gaben an, dass ein allgemeines Studium und eine zusätzliche Informatikausbildung nicht ausreichen, 43 Prozent machen ihre Entscheidung vom Umfang der Zusatzausbildung und der Qualität abhängig, und 28 Prozent lehnen diese Form der Qualifikation ganz ab. Quereinsteigern mit guten Fachkenntnissen schreibt die aktuelle Studie jedoch gute Chancen zu. Ein Studium allein reicht nicht mehr als Schlüsselkriterium aus.

 Zusätzlich zu den Fachkenntnissen schätzen die Firmen die so genannten Soft Skills als ein immer wichtiger werdendes Einstellungskriterium. Faktoren wie Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Flexibilität und Kreativität sind für fast die Hälfte der Befragten sehr wichtig. Immerhin gaben 75 Prozent der Firmen an, dass sie ihren Mitarbeitern eine vertiefende betriebseigene Weiterbildung anbieten. Trotz Kooperationen und neuen Rekrutierungsmöglichkeiten bleibt der Arbeitsmarkt für Informatiker angespannt. 52,7 Prozent der Befragten sprachen deshalb von großen Schwierigkeiten bei der Suche nach neuen Mitarbeitern, 16,9 Prozent sogar von sehr großen. Kaum Probleme haben nach eigenen Angaben lediglich drei Prozent.