ERP, CRM und SCM

Globale Prozesse steuern und Transparenz schaffen

08.09.2008 von Frank Niemann
Firmen benötigen neben dem ERP-Kernsystem Zusatzbausteine, um effizienter zu produzieren, zu verkaufen und zu transportieren.

Unternehmen beschäftigen sich intensiv damit, Geschäftsprozesse über alle Standorte hinweg auszurollen. Da Firmen in anderen Ländern Produkte anbieten, produzieren sowie dafür Dienstleistungen anbieten wollen, müssen sie vor Ort die entsprechenden Abläufe beherrschen , diese aber gleichzeitig mit der Unternehmenszentrale verzahnen. Wirkt die bestehende Unternehmenssoftware hier als Bremsklotz, schauen sich die Firmen nach anderen Produkten um.

Internationale ERP-Prozesse

In dieser Situation finden sich nicht mehr nur Großunternehmen wieder. Viele mittelständische Betriebe sehen sich gezwungen, ihre Geschäftsapplikationen auf die weltweite Expansion vorzubereiten. Selbst manche Gesellschaften mit nur 100 Angestellten stehen vor der Aufgabe, eine Niederlassung in China mit ERP-Software (Enterprise-Resource-Planning) auszustatten.

Zahlreiche Unternehmen stellen fest, dass ihre Programme - oft sind es mehrere, schlecht miteinander integrierte - für diese Anforderungen ungeeignet sind. Beispielsweise verwenden Standorte einer Firma unterschiedliche Buchhaltungs- und Materialwirtschaftssysteme, die für sich genommen funktionieren. Sie taugen aber kaum, um unternehmensweite Transparenz herzustellen sowie Auftragsabwicklung und Distribution über mehrere Filialen hinweg lückenlos zu steuern.

Davon profitieren können Softwareanbieter, die ERP-Lösungen nicht nur in verschiedenen Länderversionen anbieten, sondern auch in der Lage sind, über die eigene Organisation oder Partnerfirmen internationale Projekte umzusetzen. Besonders anspruchsvoll sind in diesem Zusammenhang die bereits erwähnten ERP-Einführungen in China.

Gute Karten haben ferner Softwarelieferanten, die mit breitem Branchen-Know-how aufwarten können. Denn nicht nur der Anlagen- und Maschinenbau benötigt neue ERP-Systeme, sondern beispielsweise auch Firmen aus dem technischen Handel, Automobilzulieferer und Dienstleister. Produzierende Unternehmen wollen nicht nur Buchhaltungsprogramme, sondern Funktionen, die ihnen beispielsweise helfen zu entscheiden, ob es günstiger ist, ein Teil im eigenen Haus herzustellen oder bei einem Fremdfertiger (Make or Buy). Firmen wie beispielsweise Proalpha und Infor ("ERP.COM") haben ihre Produkte entsprechend ausgebaut.

Mehr als Fibu und Materialwirtschaft

Nach wie vor zählen zu den meistgekauften ERP-Modulen solche für die Finanzbuchhaltung. Je nach Branche kommt die Materialwirtschaft hinzu. Vermehrt möchten Unternehmen darüber hinaus Software zur Fertigungssteuerung an die ERP-Kernsysteme anbinden. Auf diese Weise wollen sie ohne Brüche und Datenverluste überprüfen können, welche Bauteile für in der ERP-Auftragsverwaltung gespeicherte Kundenaufträge bereits produziert sind - die Prozesskette von der Buchhaltung bis zur Werkstatt soll sich schließen. Hierbei helfen beispielsweise Manufacturing Execution Systems (MES) weiter.

Auswertung von ERP-Daten

Nutzer von ERP-Systemen benötigen darüber hinaus Funktionen, um Geschäftsdaten auszuwerten und Berichte abzufassen. Ferner wollen sie Programme, die sie bei strategischen Entscheidungen unterstützen. Berichte über Kosten, Bestände und Auftragseingang sollen möglichst auf Knopfdruck vorliegen. Da die bisherigen Bordmittel der ERP-Software hier oft nicht ausreichen, greifen Anwender zur Notlösung Excel.

Weil Auswertungsfunktionen für ERP-Systeme immer stärker gefragt sind, haben die Softwarehäuser ihre Angebote erweitert - allen voran SAP mit dem Kauf von Business Objects. Für SAP hat das Marktsegment Business Intelligence so große Bedeutung, dass das Unternehmen sein bisheriges Prinzip, vor allem organisch zu wachsen, über Bord warf: Mit der milliardenschweren Übernahme erwarb SAP nämlich auch Tausende von Kunden.

Doch SAP ist nicht der einzige Anbieter mit BI-Ambitionen. Infor Global Solutions vermarktet mit "Infor Performance Management" eine ERP-Produktfamilie. Microsoft wertet die eigenen ERP-Produkte "Dynamics NAV" und "Dynamics AX" mit BI-Funktionen auf, die auf den Reporting- und Analysis-Services der hauseigenen Datenbank "SQL Server 2005" aufsetzen.

Andere ERP-Spezialisten gehen Kooperationen ein, um den Kunden eine bessere Auswertung ihrer Geschäftsdaten zu ermöglichen. Das in Karlsruhe ansässige Unternehmen AP AG hat hierzu eine Software des Partners IMS in die eigene "APplus"-Umgebung eingebaut. Anwender können über "Cockpits" auf Kennzahlen unterschiedlicher Unternehmensbereiche zugreifen und in Details verzweigen. Beide Produkte setzen auf Microsofts .NET-Technik auf, weshalb nach Überzeugung des ERP-Herstellers die Integration keine großen Schwierigkeiten bereiten soll.

ERP on Demand

Hatten sich die ERP-Hersteller bisher vor allem darauf konzentriert, Software zu entwickeln und ihren Kunden Lizenzen zu verkaufen, startete SAP vor einigen Monaten eine weitere Initiative. Mit "Business ByDesign" präsentierte der Konzern eine komplette betriebswirtschaftliche Standardsoftware, die Firmen nicht bei sich installieren, sondern mieten. Business ByDesign soll unter anderem Unternehmen überzeugen, die sich lange Einführungsprojekte nicht leisten können. Die standardisierten Funktionsbausteine der Mietlösung sollen zudem so aufeinander abgestimmt sein, dass Integrationsarbeit entfällt. Noch ist es zu früh, SAPs ambitionierten Vorstoß zu bewerten. Allerdings hat der Softwareanbieter schon zugeben müssen, die komplexen Bedürfnisse der mittelständischen Klientel unterschätzt zu haben. Unter anderem den Funktionsumfang wollen die Walldorfer noch erweitern. Aus diesem Grund hat SAP die Einführung des neuen Systems in den Massenmarkt verschoben.

Mit CRM Kundenbeziehungen pflegen

ERP-Systeme können zwar viel, aber eben nicht alles. Kunden-Management zum Beispiel zählt zu den Disziplinen, für die sie oft nicht ausreichen. Hier kommen dann Produkte für das Kundenbeziehungs-Management (Customer Relationship Management, kurz CRM) ins Spiel. Firmen, die ihre Backend-Prozesse weitgehend standardisiert haben, können sich anderen Aufgaben zuwenden. CRM ist eine davon. Marktforschungsunternehmen wie Gartner haben festgestellt, dass der Absatz von CRM-Software deutlich schneller wächst als der von ERP-Produkten.

Die Mehrheit der Unternehmen, die in CRM-Lösungen und -Beratung investieren, hofft, auf diese Weise die eigenen Kunden besser zu binden. Damit steht in enger Verbindung, den Kundenservice einerseits effizienter zu gestalten, sich andererseits damit aber vom Wettbewerb abzuheben.

Nach wie vor ist die Verkaufssteuerung die meistgefragte CRM-Funktion. Doch nicht nur Industriebetriebe wünschen sich darüber hinaus Applikationen, um Nutzer ihrer Produkte kompetent zu beraten. Dazu verwendet ein Industrieunternehmen unter anderem technische Dokumentationen, Einsatzberichte, Service- und Wartungspläne und Ersatzteillisten. Effiziente Kundenkommunikation schließt auch Web-gestützte Informationsangebote sowie E-Mail-Management mit ein.

Aus diesem Grund hat zum Beispiel Update Software, CRM-Spezialist aus Wien, die Support- und Service-Funktionen seines Produkts "Update.seven" ausgebaut. Mitarbeiter können einfacher als bisher während eines Telefongesprächs auf Vertragsinformationen über den jeweiligen Kunden zugreifen. Solche Eigenschaften fragen dem Hersteller zufolge Anwender aus dem Maschinenbau und dem Finanzwesen nach.

Self-Service via Web

Vor allem Firmen, die zahlreichen Kunden Service bieten wollen, sind an Software interessiert, mit der sie via Web Kundenanfragen beantworten können. Site-Besucher sollen in Wissensdatenbanken Lösungen für Probleme etwa mit einem Produkt selbst finden können.

Während im ERP-Segment Mietlösungen (Software as a Service, kurz SaaS) noch dünn gesät sind, nimmt ihre Zahl im CRM-Markt ständig zu. In der Rangliste des Beratungs- und Marktforschungshauses Gartner rangiert der CRM-Mietlösungsanbieter Salesforce.com bereits auf Platz acht in Deutschland. Weitere SaaS-Player sind Sugar CRM und Rightnow. Oracle fährt im CRM-Geschäft zweigleisig. Der Softwarekonzern hatte den Spezialisten Siebel übernommen, der neben der Kaufsoftware ein On-Demand-System entwickelt hat. Ganz offensichtlich fließen bei Oracle im Augenblick die meisten Investitionen in die Mietsoftware. Firmen erhoffen sich vom Software-as-a-Service-Ansatz einen schnellen Einstieg.

Moderne Frontends für verwöhnte Vertriebsleute

Alle CRM-Anbieter bemühen sich darum, die Frontends ihrer Produkte zu modernisieren. In der Vergangenheit waren zahlreiche CRM-Einführungen bei großen Firmen nicht zuletzt daran gescheitert, dass Vertriebsleute gezwungen waren, umständliche Masken zu bedienen. Sie ließen die teuren Softwareprodukte links liegen und konzentrierten sich aufs Verkaufen. Deshalb hat beispielsweise SAP im aktuellen Release "CRM 2007" die Benutzeroberfläche umgebaut. Anwender können verschiedenen Benutzergruppen individuelle Frontends zur Verfügung stellen. Zudem sollen sich Web-Dienste sowie RSS-Feeds leicht integrieren lassen. Die CRM-Spezialisten reagieren auch darauf, dass Firmen Vertriebsfunktionen nicht nur zentral, sondern in ihren Niederlassungen benötigen. Die CAS Software AG macht ihre Software "Genesisworld" fit für den weltweiten Einsatz. Dazu zählt die Unicode-Funktion (alle Sprachen über eine Codepage abbilden) sowie eine Datenreplikation, so dass sich Kundendaten zwischen Standorten abgleichen lassen.

Energiekosten zwingen Firmen zu effizienteren Lieferketten

Neben Software für das Management von Kundenbeziehungen benötigen Firmen, die weltweit Waren versenden, Software, um ihre Lieferketten zu steuern. Nachdem der Absatz solcher Programme vor sich hindümpelte, sind sie nun wieder gefragt. Da Unternehmen einerseits über den Globus verteilt fertigen und Kunden in unterschiedlichen Regionen bedienen wollen, andererseits aber die Energie- und Transportkosten in die Höhe schnellen, müssen sie Wege finden, Produkte beziehungsweise Produktionsgüter möglichst preisgünstig zu verschiffen. "In den letzten 18 Monaten haben wir festgestellt, dass Firmen SCM wiederentdeckt haben, um die Kunden- und Lieferantenzufriedenheit zu steigern, besser planen zu können und für Transparenz zu sorgen", so Chad Eschinger, Research Director bei Gartner. Allerdings entfällt ein großer Teil der Nachfrage auf China und Indien, wo oft noch keine SCM-Lösungen vorhanden sind. In Europa ist die Situation eine andere, denn hier hatten viele Firmen in der Vergangenheit schon in SCM-Komponenten investiert. "Unternehmen in Europa haben bereits Funktionen für Bedarfsvorhersagen und Planung etabliert", kommentiert Simon Braggs, European Research Director bei ARC Advisory Group. Einige suchten jetzt nach Software für die Analyse von SCM-Daten. Damit wollen Unternehmen ermitteln, wie sie die Lieferkette leistungsfähiger und kosteneffizienter gestalten können. Gefragt sind effizientere Lagerverwaltungssysteme, über die sich auf viele Standorte verteilte Warenbestände ermitteln und bewerten lassen. Auch hier steigt der Bedarf, Prozesse über Ländergrenzen hinweg zu steuern.

Laut Braggs nutzen Firmen Analysewerkzeuge aber auch, um Preise und Margen zu optimieren. Dabei gehe es um die Frage, ob ein Kunde bei bestimmten Transportkosten und Preisnachlässen noch profitabel ist.

Allerdings decken Nutzer von SCM-Funktionen ihren Bedarf inzwischen überwiegend mit Modulen von ERP-Lieferanten. Firmen wie Infor, SAP, Microsoft und Oracle bieten Bausteine für das Lieferketten-Management als Ergänzung zu ihren ERP-Suiten an. Dennoch haben auch die zahlreichen Spezialisten ihr Auskommen.