Berufsbild SCM-Berater

Geübter Blick auf Schwachstellen

09.09.2011 von Michael  Schwengers
Berater für Supply-Chain-Management verbessern Abläufe entlang der gesamten Lieferkette.

Wie sind die einzelnen Arbeitsplätze in der Fertigungshalle angeordnet? Welche Wege müssen Mitarbeiter und Güter zurücklegen? Und wie funktioniert der Informationsaustausch zwischen Fertigung und Lager? Und zwar nicht nur innerhalb eines Unternehmens, sondern über die Unternehmensgrenzen hinweg - vom Lieferanten bis zum Kunden?

Mit Fingerspitzengefühl Fragen stellen ist das A und O, wenn Berater Ernesto Hernández-Cervantes sich daran macht, Logistikketten zu optimieren.
Foto: MHP

Wenn Ernesto Hernández-Cervantes mit einem neuen Projekt bei einem Kunden beginnt, dann hat er zunächst einmal eine ganze Menge Fragen. Denn der 25-jährige Wirtschaftsingenieur ist Berater für Supply-Chain-Management (SCM) bei der Prozess- und IT-Beratung Mieschke Hofmann und Partner (MHP) und hat als Mitglied eines Teams den Auftrag, die Material-, Informations- und Werteflüsse von Unternehmen neu zu gestalten. Neu, das heißt vor allem optimiert und schlank. Denn es gilt, Schwachstellen zu erkennen und zu beseitigen. Im Idealfall sollen so sämtliche Logistikabläufe entlang der Wertschöpfungskette bestmöglich zum Unternehmenserfolg beitragen - von der Beschaffung beim Lieferanten über die Produktion bis zur Lieferung an den Kunden und zum Service im After Sales. "Dabei geht es nicht nur darum, Zeit und Kosten einzusparen", sagt Cervantes: "Genauso wichtig ist es, durch geeignete Abläufe die Produktqualität sicherzustellen oder die Mitarbeiter zu motivieren."

Analysieren, konzipieren, realisieren

SCM-Berater beobachten in der Regel intensiv die Abläufe direkt beim Kunden vor Ort.
Foto: Fotolia, Sascha F.

Um das zu erreichen, müssen SCM-Berater bei jedem Projekt im ersten Schritt die Ist-Situation erfassen und analysieren. Dazu dienen zum einen Workshops mit den Mitarbeitern aus den einzelnen Fachbereichen. Zum anderen ist es meist erforderlich und hilfreich, die Abläufe direkt vor Ort zu beobachten. Liegen genügend Informationen vor, lassen sich diese zum Beispiel mithilfe einer Wertstromanalyse bewerten. Auf diese Weise wird schnell klar, welche Prozesse bereits gut organisiert sind und in welchen Bereichen noch Optimierungspotenzial steckt. Auf Basis dieser Erkenntnisse entwickeln SCM-Berater im zweiten Schritt ein Konzept für die Neuorganisation der Abläufe. Ausgehend von den erlangten Erkenntnissen werden die Prozesse dabei weiter optimiert und im Idealfall über einen prototypischen Ansatz in einem System abgebildet. Dies hat den Vorteil, dass die Berater Veränderungen dem Kunden praxisnah gespiegelt aufzeigen. In den Blick nehmen sie dabei nicht nur die Prozesse selbst, sondern auch die IT. Denn erst sie ermöglicht in vielen Fällen perfekt laufende Prozesse. Wenn beispielsweise die Lagermitarbeiter von sich aus und zum richtigen Zeitpunkt die benötigten Teile an die Arbeitsplätze in der Fertigungshalle liefern sollen, müssen sie stets über die aktuelle Situation informiert sein. Effizient lässt sich das nur mit einem entsprechenden IT-System leisten - hier kann etwa die RFID-Technologie eine wichtige Rolle spielen. Ist das Konzept ausformuliert und abgenommen, wird es im dritten Schritt beim Unternehmen umgesetzt. Jetzt gilt es, die Prozesse vor Ort gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern neu zu organisieren und falls erforderlich auch die Strukturen zu verändern. Gleichzeitig ist das IT-System an die neuen Gegebenheiten anzupassen und in den meisten Fällen noch um zusätzliche Elemente zu erweitern.

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Tipps für angehende Berater
Sie wollen als Berater Ihr Geld verdienen? Dann sollten Sie sich schleunigst von den gängigen Klischees verabschieden. Hier finden Sie einige Tipps, was Sie für eine erfolgreiche Existenz als Berater brauchen
Tipp 1: Sorgen Sie für eine erkennbare Spezialisierung
Die habe ich", sagen zum Beispiel viele (angehende) Verkaufs- und Vertriebsberater. Doch verkaufen ist nicht gleich verkaufen. Beim Verkauf von Brötchen in einer Bäckerei sind andere Fähigkeiten als beim Verkauf von Fabrikanlagen nach China gefragt. Also sollten sich die Berater spezialisieren. Sonst besteht für Unternehmen kein Anlass, sie zu kontaktieren und zu engagieren.
Tipp 2: Schaffen Sie sich ein klares Profil
Wenn Unternehmen oder Personen einen Berater engagieren, möchten sie, dass er zu ihnen passt. Schließlich soll er sie und ihre Anliegen verstehen. Deshalb sollten Berater auch persönlich Profil zeigen. Denn während manche Kunden hemdsärmlige Typen bevorzugen, suchen andere den professoralen Eierkopf.
Tipp 3: Definieren Sie sich eine Zielgruppe
Viele Berater glauben, wenn sie ihre Zielgruppe zum Beispiel mit der Formulierung "Führungskräfte in Unternehmen" beschreiben, dann sei diese klar bestimmt. Doch es gibt Klein- und Großunternehmen, Dienstleistungs- und Produktionsunternehmen. Die ticken teilweise völlig anders. Und nicht nur der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank ist eine Führungskraft, sondern auch der Vorarbeiter einer Putzkolonne.
Tipp 4: Schaffen Sie ein "Beuteschema"
Eine Katze weiß, dass es vergebene Liebesmühe ist, ein Reh zu jagen. Also fängt sie Mäuse. Ein solches Beuteschema, das ihnen sagt, bei welchen Personen oder Organisationen sie eine realistische Chance haben, einen Auftrag zu erlangen, brauchen auch Berater. Sonst gleichen sie Jägern, die mit Schrot in den Wald ballern in der Hoffnung, dass hinter den Bäumen ein Reh steht.
Tipp 5: Entwickeln Sie Produkte
Berater sollten aus ihren Dienstleistungen handfeste Produkte entwickeln, damit sie potenziellen Kunden etwas Konkretes anbieten können - zum Beispiel einen "Quick-Check" zur Bedarfsermittlung. Oder einen halbtägigen Workshop, um ...
Tipp 7: Formulieren Sie eine Marketing- und Vertriebsstrategie
Beratungsleistungen kaufen Kunden nicht so spontan wie ein Eis am Stiel. Unter anderem, weil diese aus Kundensicht stets teuer sind. Zudem weiß man bei ihnen letztlich nie, was man für sein Geld bekommt. Deshalb erstreckt sich der Kaufentscheidungsprozess bei den Kunden oft über Monate, teils sogar Jahre. Entsprechend wichtig ist, dass Berater wissen: Wie vermittle ich Kunden, dass es mich gibt und wofür ich der Spezialist bin?
Tipp 6: Sorgen Sie für zwei, drei "Schaufensterprodukte"
Die meisten Unternehmen existieren seit 10, 50 oder gar 100 Jahren. Also haben sie zumeist auch schon Berater - sei es für Vertriebs-, Rechts- oder IT-Fragen. Deshalb sagen sie, wenn ihnen zum Beispiel ein Vertriebsberater seine Leistungen per Telefon anbietet: "Kein Bedarf." Anders ist dies, wenn derselbe Anbieter einen mittelständischen Industriezulieferer anruft und sagt: "Herr Vertriebsleiter, Ihre Kunden haben in den letzten Jahren Ihre Preise Jahr für Jahr gedrückt.
Tipp 8: Achten Sie auf Ausdauer, Hartnäckigkeit und Geduld
Um sich als Berater selbstständig zu machen, braucht man weniger Geld als zum Eröffnen einer Imbissbude. Dafür haben Berater keine Laufkundschaft - also Kunden, die von alleine und zufällig zu ihnen kommen. Sie müssen sich ihre Aufträge erarbeiten. Die hierfür nötige Ausdauer fehlt vielen. Deshalb gewinnen oft nicht die besten Berater das Rennen um die begehrten Aufträge, sondern diejenigen, die Marathonläufer- statt Sprinterqualitäten zeigen.

Technisches Know-how und Fingerspitzengefühl

Um eine Karriere als SCM-Berater einzuschlagen, sollte ein Studium in einem technischen oder wirtschaftlichen Fach abgeschlossen sein. "Neben dieser formalen Voraussetzung ist für uns bei Einstellungen enorm wichtig, dass die Bewerber sich sowohl mit betriebswirtschaftlichen als auch mit applikationsseitigen Themen auskennen. Denn in unserer Arbeit werden beide Welten stets zusammengeführt", sagt Thomas Savoir, der bei MHP gemeinsam mit Christiane Sagkob die Service-Unit SCM leitet und unter anderem für die Mitarbeiterauswahl zuständig ist. Vorteilhaft ist zudem, wenn der Mitarbeiter neben dem umfassenden Überblick über die betriebswirtschaftlichen Prozesse und die technologischen Möglichkeiten auch methodische Erfahrungen mitbringt.

"Berater müssen immer über ein gewisses Fingerspitzengefühl verfügen und offen im Umgang mit Menschen sein. Diese Fähigkeiten sind bei unserer Arbeit besonders gefragt. Wir brauchen viel Verständnis, eine Menge Geduld und ein hohes Maß an Empathie", weiß MHP-Manager Savoir. Das ist besonders wichtig, weil die Mitarbeiter im Rahmen von SCM-Projekten in der Regel vertraute Arbeitsweisen aufgeben und sich mit neuen Lösungen beschäftigen. "Das fängt schon damit an, dass ein Beschäftigter beim Kunden nach unserer Einsatz plötzlich mit einem anderen System arbeiten muss oder einem anderen Arbeitsablauf als bisher zu folgen hat. SCM-Berater sollten daher Freude daran haben, mit Menschen zu arbeiten, sie bei den Veränderungen zu begleiten und Workshops zu moderieren."

All das lässt sich nur im engen Kontakt zum Unternehmen und den verantwortlichen Mitarbeitern erreichen. SCM-Berater verbringen daher einen großen Teil ihrer Arbeitszeit direkt beim Kunden. "Sich immer wieder auf neue Situationen und andere Menschen einzustellen, ist für mich äußerst reizvoll", sagt Cervantes. "Hinzu kommt, dass wir immer in einem Team arbeiten, das für jeden Auftrag neu zusammengestellt wird. Auf diese Weise lernt man gerade als Berufseinsteiger sehr schnell sehr viel."

Fasziniert von industrieller Produktion

Nach Deutschland geführt hat Ernesto Hernández-Cervantes seine Faszination für die Abläufe bei Industrieunternehmen. So kam er nach dem Abschluss seines Studiums im Fach Wirtschaftsingenieurwesen in seiner mexikanischen Heimat nach Stuttgart, um Technologie-Management zu studieren. Seine zweite Diplomarbeit schrieb Ernesto Hernández-Cervantes beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation. Dort hörte er auch zum ersten Mal von Mieschke Hofmann und Partner (MHP), seinem späteren Arbeitgeber. Seit Juni 2010 arbeitet der Mexikaner nun als Mitglied eines etwa 80-köpfigen Teams im Bereich Supply Chain Management. Seitdem war er unter anderem an Projekten in Deutschland, der Schweiz und China beteiligt.

Seit 15 Jahren Prozessoptimierer

"Berater brauchen eine Menge Geduld und ein hohes Maß an Empathie." weiß Thomas Savoir von MHP aus langjähriger Erfahrung.
Foto: Thomas Savoir, MHP

Mit der Prozessoptimierung innerhalb der Supply Chain über Unternehmensgrenzen hinweg kennt sich Thomas Savoir bestens aus. Schließlich ist der Wirtschaftsinformatiker und Betriebswirt schon seit 15 Jahren in diesem Bereich - sieben Jahre davon bei Mieschke Hofmann und Partner (MHP). Als einer von zwei Leitern der Service-Unit SCM ist er heute unter anderem für die strategische Ausrichtung verantwortlich. Er sieht seine Aufgabe darin, "den Unternehmen zu helfen, ihre Prozesse zu leben. Begriffe wie Change Management, das "kontrollierte Steuern von Veränderungen", sind für ihn wichtiger Bestandteil der Beratungstätigkeit. Auch neue technische Möglichkeiten wie RFID und Cloud Computing oder der Einsatz von mobilen Endgeräten unterstützen die steigenden Anforderungen von Unternehmen in Bezug auf Transparenz und Wirtschaftlichkeit.