Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Gesetzesänderung erschwert Scrum-Projekte

08.12.2016 von Mareike Gehrmann und XXX XXX  IDG ExpertenNetzwerk
Am 01. April 2017 tritt das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in Kraft. Die Gesetzesänderung soll missbräuchliche Werkvertragsgestaltungen im Lohndumpingsektor verhindern. Der Nachteil - die Gesetzesänderung erschwert zugleich neue Geschäftsmodelle in der IT-Branche und bremst damit die Digitalisierung in Deutschland.

Die Würfel sind gefallen. Der Bundesrat hat am 25. November 2016 das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze verabschiedet. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten soll es am 01. April 2017 in Kraft treten.

Im Fokus des neuen Gesetzes stehen eine deutlich restriktivere Ausgestaltung des Rechts der Arbeitnehmerüberlassung sowie die Sanktionierung von "Scheinwerkverträgen". Dabei steht zu befürchten, dass durch die Gesetzesänderung auch solche Branchen in den Fokus der Prüfbehörden geraten, die die der Gesetzgeber gar nicht im Blick hatte.

Ursprünglich sollte durch die Gesetzesreform verhindert werden, dass im Bereich prekärer Arbeitsverhältnisse Werkverträge missbräuchlich gestaltet werden. Nunsind alle Branchen - und damit auch die IT-Branche - betroffen. Und dies nicht nur beim Einsatz von IT-Freelancern, sondern auch bei der Anwendung neuer - agiler - Prozessmethoden.

Bitkom kritisiert Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

Kritisch sieht daher der Bitkom die verabschiedete Gesetzesänderung: "Mit der Neuregelung werden wichtige IT-Projekte ausgebremst, der Zugang der Unternehmen zu IT-Spezialisten wird unnötig erschwert." Noch eindeutiger äußert sich der Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder: "Es ist richtig, dass die Bundesregierung gegen prekäre Arbeitsverhältnisse vorgeht. Die Reform hätte sich allerdings auf Problembranchen mit Lohndumping beschränken müssen. IT-Unternehmen gehören definitiv nicht dazu. Die Gesetzesverschärfungen bringen für die Digitalbranche, ihre Kunden und ihre Mitarbeiter ausschließlich Nachteile."

Agiles Programmieren wird zum Risiko

Kritisch gestaltet sich die Gesetzesänderung beim Einsatz agiler Methoden wie Scrum. Während bei der "Wasserfall"-Methode" die Software auf Basis der Anforderungen des Auftraggebers vom Auftragnehmer konzipiert und im Anschluss von ihm programmiert wird, werden bei Scrum Konzeptions- und Programmierleistungen iterativ, also schrittweise, bestimmt und fortentwickelt. Dies geschieht in enger Abstimmung zwischen Aufraggeber und Auftragnehmer und insbesondere auch zwischen den Mitarbeitern des Auftraggebers und Mitarbeitern des Auftragnehmers. Als rechtlicher Rahmen für derartige Softwareentwicklungsprojekte dient zumeist ein Werk-, in einigen Fällen auch ein Dienstleistungsvertrag.

Aufgrund der eng verzahnten Zusammenarbeit besteht das Risiko, dass die Grenze zur - unerwünschten - Arbeitnehmerüberlassung überschritten wird. Vor dem Hintergrund haben einige IT-Unternehmen bislang eine vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis für den Fall beantragt, dass die zwischen ihnen und ihrem Auftraggeber praktizierte Vertragsbeziehung zu einer Arbeitnehmerüberlassung umgedeutet wird.

Agile Methoden wie Scrum erfordern eine enge Abstimmung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Letztere dürfen aber keine unmittelbaren Arbeitsanweisungen vom Auftraggeber ( Product Owner) mehr erhalten.
Foto: Netpioneer GmbH

Gefahr des Scheinwerkvertrages

Dieser Weg ist künftig versperrt. Ab dem 01. April 2017 wird ein Rückgriff auf die "Vorrats-Arbeitnehmerüberlassung" nicht mehr möglich sein. Vielmehr müssen sich die Vertragspartner vor Aufnahme der Tätigkeit entscheiden, ob sie einen Werk- oder Dienstvertrag oder einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abschließen möchten und dies auch entsprechend im Vertrag kenntlich machen. Geschieht dies nicht oder wandelt sich im Laufe der Vertragsbeziehung ein zunächst zutreffend als Werk- oder Dienstvertrag eingeordnetes Vertragsverhältnis in eine (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung, drohen erhebliche Sanktionen:

Lösung: Vertragsgestaltung und Vertragsleben anpassen

Vor diesem Hintergrund wird es gerade für IT-Unternehmen, die sich der agilen Projektmethode bedienen, umso wichtiger, im Vorfeld klare Regelungen zu treffen und den Vertrag auch tatsächlich so zu leben, um eine verdeckte (unzulässige) Arbeitnehmerüberlassung und das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Mitarbeiter des IT-Unternehmens zu vermeiden.

Bei Vertragsgestaltung und Umsetzung sind deshalb die auch bislang von der Rechtsprechung verwandten Abgrenzungskriterien zu beachten. Dies hat auch der Ausschuss für Arbeit und Soziales in seiner Beschlussempfehlung zur AÜG-Reform festgestellt: "Die Neuregelung soll dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen sind. Auch für solche Einsätze und für die Tätigkeit von Beratern sollen die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkleistungen auf der einen und Arbeitnehmerüberlassung auf der anderen Seite weiterhin zur Anwendung kommen."

Was spricht rechtlich gegen einen Werkvertrag?

Die von der der Rechtsprechung verwendeten Kriterien, die gegen einen Werkvertrag sprechen, sind insbesondere folgende:

Viele dieser genannten Aspekte finden sich jedoch ähnlich bei der agilen Programmierung wieder. Damit stellt sich die Frage, ob agiles Programmieren weiterhin noch möglich ist.

Möglich ja, aber unter erschwerten Bedingungen. Dies zeigt sich bereits bei der Vertragsgestaltung. Um aus rechtlicher Sicht das Risiko einer Arbeitnehmerüberlassung zu minimieren, ist die Vereinbarung eines Werkvertrages zu empfehlen. Bereits hier sträuben sich viele IT-Unternehmen. Sie wollen Dienstleistungsverträge schließen, um ihre vertragsrechtliche Haftung zu minimieren. Unbeschadet dessen, dass die Erstellung einer Software nach Ansicht der Rechtsprechung sowieso bereits dem Werkvertragsrecht unterfällt, ist eine klare Abgrenzung zwischen Dienstleistungsvertrag und Arbeitnehmerüberlassung nur sehr schwer möglich.

Wichtige Punkte für den korrekten Werkvertrag

Der Werkvertrag sollte zur Schaffung einer solchen Abgrenzung deshalb vor allem folgende Punkte berücksichtigen:

Fazit

Die rechtssichere Anwendung agiler Programmierungsmethoden ist aufgrund der AÜG-Reform jedenfalls nicht einfacher geworden. Deshalb ist den Betroffenen dringend anzuraten, bei Softwareprojekten die oben angesprochenen Kriterien für die Abgrenzung der Vertragstypen genau zu beachten, um die erheblichen Sanktionen zu vermeiden. Doch Achtung: Es genügt nicht, nur den Vertrag "schön zu schreiben". Die gelebte Vertragswirklichkeit muss mit dem Vertragstext übereinstimmen, da die Behörden und Gerichte es nicht bei der Prüfung des Vertrages belassen, sondern auch die gelebte Vertragswirklichkeit genau unter die Lupe nehmen werden.