Unlauterer Wettbewerb

Gesetz erleichtert Abmahnungen

11.02.2009 von Martin Schweinoch und Daniel Kaboth
Anbieter müssen künftig auch über Nachteile ihres Produktes oder Services informieren. Das ist nur ein Punkt des geänderten Wettbewerbsrechts, das den Verbraucherschutz weiter stärkt und mehr Abmahnungen ermöglicht.

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) war schon bislang Grundlage für eine Vielzahl kostenpflichtiger Abmahnungen zwischen Wettbewerbern und durch Verbraucherverbände. Einen Schwerpunkt bilden Abmahnungen wegen Verstößen gegen Verbraucherschutzvorschriften, etwa wegen eines falschen Wortlauts der Widerrufsbelehrung im Online-Business oder wegen unzureichender Angaben im Impressum einer Website.

Foto: Falco/Fotolia.com
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Ein am 29. Dezember 2008 verkündetes Gesetz erweitert nun den Anwendungsbereich des UWG und stärkt den Verbraucherschutz weiter. Die Neuregelungen setzen eine EU-Richtlinie um und sind seit dem 30. Dezember 2008 wirksam. Die Regelungen gegen unlauteren Wettbewerb gelten nun allgemein für die gesamte Geschäftsbeziehung, von der Vertragsanbahnung bis zum Ende der Vertragsdurchführung. Bisher galten sie nur bis zum Vertragsabschluss. Jetzt werden neben der Werbung auch Handlungen eines Anbieters nach Vertragsschluss ausdrücklich erfasst und abmahnfähig, vor allem Verhalten bei der Umsetzung des Vertrages. Dazu zählen auch seine Unterlassungen, etwa bei der Abwicklung von Gewährleistungsfällen.

"Fachliche Sorgfalt" als neuer Maßstab

Schwerpunkt der Änderungen ist der Verbraucherschutz. Dafür wird als neuer Maßstab die "fachliche Sorgfalt" eingeführt. Das Gesetz beschreibt diesen Begriff mit dem Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, dessen Einhaltung der Verbraucher von einem Unternehmer in dessen Tätigkeitsbereich nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten billigerweise erwarten darf. Schon die unscharfe Definition dieses Begriffs bietet reichlich Interpretationsspielraum und damit Stoff für Auseinandersetzungen zwischen Wettbewerbern und mit Verbraucherverbänden. Es wird dauern, bis die Gerichte der "fachlichen Sorgfalt" durch Urteile erste Konturen verleihen und damit das Risiko der Neuregelung für Anbieter einschätzbar machen.

Anbieter müssen auch über Negatives informieren

Deutlich erweitert werden die Informationspflichten der Anbieter: Verbraucher müssen bei Angeboten aktiv informiert werden über alle für deren Entscheidung wesentlichen Merkmale der angebotenen Leistung. Das gilt auch für - aus Sicht des Verbrauchers - negative Merkmale der Ware oder Dienstleistung. Die üblichen Verweise auf weitere Informationen, etwa auf der Website, genügen diesen Anforderungen nicht. Dem durchschnittlichen Verbraucher muss alles aktiv mitgeteilt werden, was für seine Entscheidung wichtig ist. Zwar sind dabei Beschränkungen des Kommunikationsmittels zu berücksichtigen und über Merkmale, die sich bereits aus den Umständen des Angebots ergeben, muss nicht nochmals informiert werden.

Streit über Inhalte und Details ist aber programmiert. Tendenziell sollte der Anbieter lieber zu viel als zu wenig über positive wie auch negative Merkmale seiner Leistungen informieren, um das Risiko von Abmahnungen zu verringern. Daneben bleibt es bei den bestehenden Pflichtangaben (etwa Impressum einer Website) und wie schon bisher bei den Belehrungspflichten über Rechte des Verbrauchers, etwa dem Widerrufsrecht im Online-Business.

Auch ein Online-Shop für Software oder Hardware, der bislang alle Anforderungen eingehalten hat, muss die Produkt- und Leistungsbeschreibungen also um - aus Sicht des Verbrauchers - negative Eigenschaften der Leistungen erweitern, um Abmahnungen zu entgehen. Das gilt nicht nur für Onlineshops und Webauftritte, sondern im Verbrauchergeschäft für alle Arten der Werbung, Geschäftsanbahnung und Vertragsabwicklung, auch per E-Mail, Post oder Telefax. Gerade Verstöße gegen Informationspflichten waren schon bisher häufig Gegenstand von Abmahnungen und Rechtsstreiten. Die Neuregelungen bieten dafür verbreiterte Grundlagen.

Schwarze Liste: Was Anbieter nicht dürfen

Ebenfalls neu eingeführt wird eine Liste von 30 Verhaltensweisen, die gegenüber Verbrauchern immer verboten sind (so genannte "Black List"). Darunter finden sich zumeist Fälle, die schon bisher von der Rechtsprechung als unzulässig eingestuft wurden. Dazu gehören etwa Angaben über eine vermeintlich nur kurze Verfügbarkeit des Angebots oder über einen dann nicht verfügbaren Kundendienst außerhalb des Anbieterlandes. Auch für Details der 30 Punkte dieser Black List sind Diskussionen zu erwarten. Neu ist jedenfalls das Verbot zur Aufforderung von Kindern, eine beworbene Leistung selbst zu beziehen oder Erwachsene dazu zu veranlassen.

Regeln für E-Mail-Werbung

Klarer gefasst wurden daneben die Voraussetzungen für aktive Werbung per E-Mail und Telefon gegenüber Verbrauchern: Für Telefonanrufe ist eine vorherige Einwilligung des Verbrauchers notwendig, für E-Mails sogar eine ausdrückliche vorherige Einwilligung. Ein stillschweigendes oder vermutetes Einverständnis reicht für Werbung per E-Mail also gerade nicht. Die aktuelle Rechtsprechung (Payback-Urteil des Bundesgerichtshofs) wird dadurch zur gesetzlichen Regelung.

Schließlich wurde auch noch ausführlicher als bisher - ausdrücklich - in der Neufassung des Gesetzes geregelt, in welchen Fällen unwahre oder unklare Angaben gegenüber Verbrauchern oder Wettbewerbern irreführend sind. Hier geht es insbesondere um das Verhalten des Unternehmers im Zusammenhang mit den Gewährleistungsrechten des Kunden und gewährten Garantien, dem Umgang mit Mängeln und Ersatzlieferungen.

Auch wenn einige Details der Neuregelungen teilweise noch unklar sind, ist eines sicher. Die Anbieter haben nicht nur ihre Werbung, sondern auch die Vertragsanbahnung und die gesamte Geschäftsabwicklung anhand der geänderten Vorschriften zu überprüfen und an die Neuerungen anzupassen. Das meint sogar der Gesetzgeber ausdrücklich in seiner Begründung der Änderungen. Betroffen ist nicht nur das Verbrauchergeschäft und die dabei zu übermittelnden Informationen, sondern jegliche Werbung, Vertragsanbahnung und Geschäftsabwicklung. Gerade notwendige Ergänzungen der Beschreibung angebotener Leistungen um Negativmerkmale werden im Vertrieb wenig Begeisterung auslösen. Trotzdem ist für Anbieter rasches Handeln ratsam. Die Neuregelungen gelten ohne Übergangsfristen seit dem 30. Dezember 2008. Die ersten Abmahnungen werden nicht lange auf sich warten lassen.