Geschäftsprozesse nachhaltig überwachen

30.06.2004 von Christian Zillich
Wenn Unternehmen ihre Geschäftsprozesse restrukturieren, ist dies erst die halbe Miete. Nur Firmen, die damit verbundene Änderungen messen, können Erfolge auch belegen und verbleibende Störfaktoren systematisch beheben.
Nur die Auswertung von geeigneten Daten zeigt, ob Prozessänderungen die gewünschten Effekte erzielen. Foto: Deutsche Bahn AG

In seiner Eröffnungs-Keynote der Process World, der Anwenderkonferenz von IDS Scheer, gab sich Unternehmensgründer und Aufsichtsratsvorsitzender August-Wilhelm Scheer optimistisch: "Der Gedanke der Geschäftsprozessoptimierung ist bei den Unternehmen mittlerweile angekommen", so sein Credo, und die Zahl von rund 900 Tagungsteilnehmern in Wien scheint ihm Recht zu geben. Mit der Modellierung und Dokumentation von verbesserten Geschäftsprozessen allein geben sich viele Unternehmen mittlerweile jedoch nicht mehr zufrieden. Anstatt die erarbeiteten Prozesslandkarten in Aktenschränken verstauben zu lassen, suchen sie nach Möglichkeiten, den Erfolg der daraus abgeleiteten Maßnahmen zu messen und Störungen in der Prozesskette schnell zu bemerken.

Effizienzdelle nach SAP-Projekt

"Wir wollen eine Zunahme von offenen Bestellungen sofort erkennen und nicht erst vier Wochen später einen Bericht dazu erhalten", brachte es Raimund Browarzik, Leiter Information Management UT bei der Henkel KGaA, auf den Punkt. Er berichtete von einem Projekt zur Überwachung von Geschäftsprozessen - neudeutsch Business Process Monitoring. Damit wollte der Konzern die Folgen eines großen SAP-R/3-Projekts für den Standort Heidelberg und die französischen Niederlassungen in den Griff bekommen. Henkel habe noch nach jeder SAP-Einführung einen kurzzeitigen Effizienzrückgang erlebt, erklärte Browarzik: "Bei neuen Enterprise-Resource-Planning-Systemen stellt sich der Nutzen nicht von selbst ein, da muss man sich schon aktiv und intensiv darum kümmern." Bei dem genannten Projekt habe unter anderem die Steuerung von Prozessen mit Standardkennzahlen Probleme bereitet, da die anfallenden Datenmengen zu groß geworden seien.

Um Abhilfe zu schaffen, hat Browarzik, der sich als Verächter von IDS Scheers "Aris"-Prozess-Modellierungs-Tools outete, das ebenfalls von dem Saarbrücker Hersteller entwickelte Werkzeug "Process Perfomance Manager" (PPM) zur Überwachung einzelner Prozesse eingeführt. Damit ließen sich Abläufe, beispielsweise der Belegfluss, im Ist-Zustand abbilden, anstatt Darstellungen zu erhalten, wie die Prozesse idealtypisch aussehen sollten. Das Werkzeug greift an verschiedenen Stellen des SAP-Moduls SD (Sales & Distribution) Daten und Kennzahlen ab und erlaubt deren Auswertung. Über eine grafische Oberfläche lassen sich Controlling-Cockpits generieren, die auch als Frühwarnsystem dienen können.

Probleme mit der Lieferkette

Mit den Erfahrungen zeigte sich Browarzik zufrieden und kündigte an, das Verfahren auch für das Material-Management und die Überwachung des Stammdatensystems einzusetzen: "Wir wollen PPM zusammen mit dem SAP-Business-Warehouse (BW) zum zentralen Monitoring-Tool machen", so der IT-Manager. Obwohl durch die Einführung von ERP-Systemen die Prozesse im Unternehmen eigentlich besser abgebildet sein sollten als vorher, scheint die von Browarzik geschilderte Effizienzdelle keineswegs die Ausnahme darzustellen. Wie Henkel schlug sich auch BASF mit den Folgen einer großen SAP-Einführung herum, nachdem der Konzern die Software an seinem größten und wichtigsten Standort Ludwigshafen eingeführt hatte. Die internen Lieferketten hatten mit Problemen zu kämpfen, die Prozessqualität konnte nicht gemessen werden, und die Zahl der Kundenbeschwerden nahm zu. Insgesamt war die Lieferzuverlässigkeit schlechter als vor der ERP-Einführung. Als wichtigste Gründe machte der Konzern System-, Organisations- und Schulungsdefizite aus.

In der Folge rief BASF eine Stabsstelle für Geschäftsprozessoptimierung ins Leben. Deren Leiter, Christian Gumpinger, begann die Kernprozesse unter die Lupe zu nehmen und beschloss in Absprache mit allen beteiligten Fachabteilungen, zuerst den Prozess vom Auftragseingang bis zur Fakturierung anzugehen. Im April vergangenen Jahres ging Gumpingers Team die entsprechenden Abläufe bei zwei sehr unterschiedlichen Geschäftseinheiten an, wobei Verkaufs- und Produktionsplanung nicht einbezogen wurden. In einem ersten Schritt befragte sein Team mehr als 40 am Prozess beteiligte Mitarbeiter und ermittelte so eine Reihe von Störfaktoren. Deren Auswirkungen untersuchten die BASF-Leute zusammen mit den hinzugezogegen IDS-Scheer-Consultants. Schließlich analysierte Gumpingers Mannschaft, welche Optimierungspotenziale und Aufwände mit Prozessänderungen in den einzelnen Bereichen verbunden sind. So ließen sich Faktoren nach ihrer Bedeutung und Häufigkeit ordnen. Außerdem galt es, die wichtigsten Störfaktoren messbar zu machen. Mit dieser Vorgehensweise machte Gumpinger drei kritische Bereiche aus, die einen Großteil der Probleme verursachten. Zur Abhilfe entwickelte BASF 60 Maßnahmen, wovon die 20 wichtigsten tatsächlich umgesetzt wurden. Um die Wirksamkeit zu überprüfen, setzte auch BASF den PPM ein. Seit dem erfolgreichen Abschluss des Projekts nutzt der Konzern das Tool, um die kritischen Einflussfaktoren im Auge zu behalten und weiter zu optimieren.

Dass sich die beschriebenen Verfahren in abgewandelter Form auch für die Verbesserung der Prozesse innerhalb von IT-Abteilungen eignen, zeigte der Vortrag von Roman Studenic, Manager Factory Systems beim Agrarmaschinenhersteller John Deere in Mannheim.

IT-Prozesse bewerten

Um die IT-Abteilung schlagkräftiger aufzustellen und als internen Dienstleister zu positionieren, krempelte Studenic die Prozesse der IT-Abteilung kräftig um. Für die Neuausrichtung griff er auf die Best Practices der Information Technology Infrastructure Library (Itil) zurück. Das Prozessdesign der neuen IT-Strategie erstellte Studenic mit Hilfe des Aris-Toolsets, für das IT-Prozess-Controlling setzt er "Aris PPM" ein. Damit überwacht Studenic die Kennzahlen wichtiger Abläufe, beispielsweise die Zeiten für die Abwicklung von Serviceanfragen oder die Zahl der notwendigen Kontakte mit den Fachabteilungen, bis ein Problem gelöst ist. Die Daten für die entsprechenden Auswertungen holt sich der PPM aus dem bei BASF eingesetzen Helpdesk-Tool "Service Desk" von Hewlett-Packard. "In den Bereichen Incident-, Service-, Request-, Complaint- und Problem-Management haben wir durch das Monitoring mittels PPM erhebliche Verbesserungen erzielen können", freut sich Studenic. Außerdem habe das Verfahren auch die Festlegung geeigneter Service-Level-Agreements unterstützt. Für das Management der IT-Abteilung hat Studenic ferner eine IT-Balanced Scorecard eingeführt. Damit ließen sich Planung und aktueller Stand der angestrebten Prozessveränderungen in der IT-Abteilung gut vergleichen. Die Balanced Scorecard erfülle darüber hinaus eine Kommunikationsfunktion, weil so alle Beteiligten genau wüssten, wie die Key Performance Indicators (KPIs) entständen und worin deren Bedeutung für die Umsetzung der IT-Strategie liege.