Beratergeschichten

Geschäfte in Shanghai: Mit Karaoke läufts besser

03.06.2010
In Berlin hat Andreas Leidloff eine Niederlassung vor dem Aus gerettet, in Fernost eine gegründet. Heute pendelt der IT-Berater zwischen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und ist immer wieder fasziniert davon.

Endlich angekommen. Elf Stunden Flug und eine nicht enden wollende Taxifahrt liegen hinter ihm. Jetzt steht Andreas Leidloff am Fenster seines Büros im 47. Stock und überblickt halb Shanghai. Die kommenden zwei Wochen wird er hier verbringen, so wie immer. Einmal monatlich pendelt er zwischen Berlin und der Stadt am Jangtsekiang. Hier hat er vor knapp zwei Jahren die Niederlassung aufgebaut und seiner Firma damit den Zugang zu einem vielversprechenden Markt verschafft.

Wie man einen vorlorenen Auftrag gewinnt

Der dynamische Endvierziger sucht die Herausforderung. Seine erste Akquisition bei Itelligence war eine solche: Es ging um das Überleben der Berliner Niederlassung. Die schrieb seit geraumer Zeit tiefrote Zahlen. Plötzlich winkte ein Großauftrag bei einem renommierten Stahlproduzenten. Und die Aussicht, für mindestens ein Jahr ausgelastet zu sein. Der Kunde entschloss sich, die finalen Verhandlungen mit den zwei übrig gebliebenen Bewerbern parallel zu führen. Itelligence in einem Raum, der Konkurrent im anderen. Der Kunde wechselte hin und her, acht Stunden ging das so. Kein Frühstück, kein Mittag - nur Wasser und abgestandener Kaffee. Schließlich kam es zur "Urteilsverkündung": Leidloff und seine Kollegen hatten verloren.

Andreas Leidloff, Itelligence: Hartnäckigheit zahlt sich aus.
Foto: Andreas Leidloff

Doch Leidloff, der Macher, gibt so schnell nicht auf. Er hatte einen guten Draht zum IT-Leiter des Stahlherstellers. Von ihm erfuhr er, dass der Konkurrent drei Wochen nach der Entscheidung immer noch keinen Vertrag vorgelegt hatte. Es haperte an wichtigen Details. Leidloff ließ sich die strittigen Punkte nennen, fasste sich ein Herz und ging zu seinem Vorstand. 24 Stunden später hielt Leidloff ein neues Angebot in den Händen, das auf alle Wünsche des Stahlherstellers einging. Der war von der Hartnäckigkeit Leidloffs so beeindruckt, dass er nachgab: Er revidierte seine Entscheidung und unterschrieb bei Itelligence.

Noch mehr Beratergeschichten...

...finden sich in dem Buch "Helden für den Mittelstand", herausgegeben von Herbert Vogel und Dieter Schoon, itelligence AG, 176 Seiten, deutsch- englisch, Axel Dielmann-Verlag KG Frankfurt am Main, ISBN 978-3-86638-145-2.

sap-berater in Shanghai
Leben und Arbeiten in Shanghai
...heißt es seit zwei Jahren für SAP-Berater Andreas Leidloff, der jeden Monat zwei Wochen in Shanghai arbeitet.
Die Niederlassung von Itelligence in Shanghai...
....hat Andreas Leidloff (Bildmitte) aufgebaut. In China musste er umdenken. So hat ein unterschriebener Vertrag weniger Bedeutung als in Deutschland.
Von der fremden Kultur....
...ist Leidloff fasziniert. Er hat gelernt, dass man in China nicht so stark zwischen Privatem und Geschäftlichem trennt. Und dass beim Essen und Karaoke-Abende oft wichtige Kontakte geknüpft und Entscheidungen getroffen werden.
Andreas Leidloff, Itelligence, ...
...weiß aber auch, dass man nie sofort zum Geschäftlichen kommen sollte. Wichtig ist die Kunst, Umwege zu gehen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren; sich Zeit zu lassen für wichtige Entscheidungen.
Nicht nur beim Einkaufen....
kommt man als Europäer ohne Chinesischkenntnisse schnell an seine Grenzen. Leidloff war überrascht, dass in der 16-Millionen-Metropole kaum Englisch gesprochen wird.
In Herrn Zhu...
...fand IT-Berater Leidloff dennoch einen guten Ansprechpartner. Von ihm lernt er jedes Mal etwas Neues über Tee - der Sprachbarriere zum Trotz.
Teetrinken als Oase in der Hektik des Shanghaier Alltags
Leidloff lernte etwa von Herrn Zhu, den Tee immer erste nach dem zweiten Aufguss zu trinken. Der erste Aufguss ist nur dazu da, die Blätter zu öffnen und dem tee die Bitterkeit zu entziehen.

Zu neuen Ufern nach China

Leidloff schmunzelt und blickt versonnen in den Shanghaier Himmel. Eine spannende Zeit war das damals, er möchte sie auf keinen Fall missen. Auch wenn ihm später Deutschland zu klein wurde als "Jagdrevier". Raus wollte er, die Welt sehen. Als seine Firma beschloss, weiter zu expandieren, schlug Leidloffs Stunde. Vor zwei Jahren war es dann soweit: In der chinesischen Niederlassung eines mittelständischen Druckmaschinenherstellers sollte das deutsche SAP-Template eingeführt werden, zusammen mit einem Dienstleister vor Ort. Was verheißungsvoll klang, entpuppte sich bald als "clash of cultures". Zu unterschiedlich waren die Mentalitäten. Leidloff: "In Europa erwartet man von einem Berater Eigenständigkeit und Initiative. In China dagegen müssen die Mitarbeiter viel stärker geführt werden. Selbst wenn sie wissen, was sie zu tun haben, erwarten sie genaue Instruktionen." Entscheidungen würden zudem nur von ausgewählten Personen getroffen.

Hinzu kamen fachliche Unzulänglichkeiten. Kaum einer sprach gut Englisch, auch nicht beim lokalen Partner. Berater mussten wegen Inkompetenz ausgetauscht werden, fähige waren von einem Tag auf den anderen verschwunden. Ein geschlossener Vertrag ist in China noch lange keine endgültige Vereinbarung. Leidloff musste auch hier umdenken.

Andreas Leidloff, IT-Berater bei Itelligence, verbringt die Hälfte seiner Arbeitszeit in Shanghai.

Heute macht er manches anders. Er arbeitet nur mit Partnern zusammen, die sowohl in der westlichen als auch in der östlichen Kultur zu Hause sind. Die Vermittlerrolle ist für ihn das A und O. "Man braucht eine starke Persönlichkeit, um die Leute zu überzeugen und das Projekt voranzubringen; andererseits darf man nicht anmaßend auftreten und seine Lösung als die einzig richtige darstellen." Das widerspreche der chinesischen Diskussionskultur, die von Zurückhaltung und Respekt geprägt sei.

Nicht bekehren, sondern zuhören

Leidloff erklärt: "Wir erwarten, dass sich ein Land wie China automatisch an die europäische Kultur anpasst. Doch warum soll es unsere Werte übernehmen, wenn diese nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen?" Es sei ein Irrtum zu glauben, dass Entwicklung immer westlich geprägt sein muss. Vielmehr müsse man lernen, eigene Verhaltensweisen zu hinterfragen, jeden Tag neu. Nicht werten, sondern beobachten, ist Leidloffs Prinzip.

Plötzlich piepst sein Mobiltelefon. Es ist Kent Jiang, sein chinesischer Counterpart, der die Geschäfte während seiner Abwesenheit leitet. Ob die Reise gut gewesen sei, will Kent wissen und lädt ihn für heute Abend zum Essen ein. In den knapp zwei Jahren, die beide jetzt zusammenarbeiten, ist so etwas wie Freundschaft entstanden. "Ich habe viele Kontakte geknüpft. Wer die asiatische Kultur kennt, weiß, dass vieles nur über persönliche Beziehungen läuft." Die zu Kent hat ihm geholfen, verlässliche und kompetente Berater zu finden. Auch heute noch stellt Leidloff neue Mitarbeiter nur auf persönliche Empfehlung ein.

Ohne Vitamin B läuft nichts in Asien

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps - als Preuße kennt er den Spruch, der das deutsche Arbeitsethos auf den Punkt bringt. Die strikte Trennung zwischen Job und Freizeit funktioniert in China nicht. Hier verbringt man auch privat viel Zeit miteinander. Gemeinsame Essen, Karaoke-Abende, Sportveranstaltungen, Oper- und Theateraufführungen - in China sind sie, mehr als anderswo, die eigentlichen Foren, in denen Geschäfte gemacht werden. Leidloff weiß: Ohne Netzwerk ist man nichts in Asien. Auch das hat er in den letzten Monaten gelernt. Genauso wie das ungeschriebene Gesetz, niemals sofort zum Geschäftlichen zu kommen. Die Kunst, Umwege zu gehen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren; sich Zeit zu lassen für wichtige Entscheidungen - sie ist es, die Leidloff bewundert.

Leidloffs persönlicher Kulturschock

Er ist gern hier, liebt es, immer wieder aufs Neue mit einer Welt konfrontiert zu werden, die so anders ist als die eigene. "Als ich das erste Mal am Flughafen stand, habe ich meinen ganz persönlichen Kulturschock erlebt", erinnert er sich. Er war überrascht, dass in der 16-Millionen-Metropole kaum Englisch gesprochen wird. Viele hier sind zugewanderte Landarbeiter. Nur eine kleine intellektuelle Oberschicht spricht Fremdsprachen. Auf der Fahrt zum Hotel dann der "Schock": der Verkehr, der keiner Ordnung zu folgen schien. Leidloff, der wie jeder Europäer verinnerlicht hat, dass die Abwesenheit von Regeln zwangsläufig zum Chaos führen muss, war sich sicher: Die Unfallzahlen müssen immens sein. Er hat sich geirrt. "Chinesen achten nicht auf Regeln, sondern auf ihre Umgebung", erklärt er. Wo der Europäer stur auf seiner Vorfahrt beharre, beobachte man hier genau die Situation und passe sich ihr an. Deshalb gebe es auch nicht mehr Unfälle als dort, wo man an die Allmacht von Vorschriften und Regeln glaubt.

Es ist das Spiegelbild der chinesischen Kultur: Rücksicht und das genaue Beobachten des Gegenübers sind wichtig, um hier vorwärts zu kommen. Im Privaten genauso wie im Geschäftlichen. Vieles in Fernost entzieht sich der Ratio des Westens - und begeistert Leidloff gerade deshalb. So sehr, dass er seinen Aktionsradius ausweiten will. Kuala Lumpur und Singapur haben es ihm angetan.

Der Text über Andreas Leidloff findet sich in dem Buch "Helden für den Mittelstand", herausgegeben von Herbert Vogel und Dieter Schoon, itelligence AG, 176 Seiten, deutsch- englisch, Axel Dielmann-Verlag KG Frankfurt am Main, ISBN 978-3-86638-145-2.