Unkalkulierbare Kosten

Generative AI - für Anbieter ein teurer Spaß

11.10.2023 von Heinrich Vaske
Microsoft, Google, Adobe und andere haben viel Geld in die Hand genommen, um Generative-AI-Angebote an den Start zu bringen. Doch noch ist nicht klar, ob ihre Rechnung aufgeht.
Das haben sich Microsoft, Google und Co. so nicht gedacht: Generative AI verursacht eine Kostenexplosion. Noch ist nicht klar, was die Anwender für entsprechend aufgewertete Produkte zu zahlen bereit sind.
Foto: William Potter - shutterstock.com

E-Mails schreiben, Softwarecode entwickeln, Präsentationen generieren - das Versprechen von generativer KI ist gigantisch. Fakt ist aber auch, dass die verfügbaren Werkzeuge noch neu, weitgehend unerprobt und teuer im Betrieb sind. Sie brauchen leistungsstarke Server mit teuren Grafikchips, die viel Strom verbrauchen. Deshalb experimentieren die Big-Tech-Konzerne noch damit, lukrative Lösungen zu entwickeln und zu vermarkten.

Wie das Wall Street Journal (WSJ) mit Bezug auf Insiderinformationen berichtet, soll Microsoft mit seinen ersten Gen-AI-Produkten Geld verloren haben. Demnach werde der Softwaregigant jetzt genauso wie Google an der Preisschraube drehen, um an seinen KI-gestützten Software-Upgrades zu verdienen. Adobe setzt indes Obergrenzen für die monatliche Nutzung seiner Tools und berechnet Kosten nach dem Verbrauch - ein Beispiel, dem andere Anbieter folgen dürften.

GenAI-Kostenexplosion besorgt Anbieter und Kunden

Das WSJ zitiert AWS-Chef Adam Selipsky mit den Worten: "Viele Kunden, mit denen ich gesprochen habe, sind unzufrieden mit den Kosten, die für den Betrieb einiger dieser Modelle anfallen." Selipsky bezieht sich damit nicht auf einzelne Anbieter, sondern auf die ITK-Branche insgesamt. Und Chris Young, Leiter der Unternehmensstrategie bei Microsoft, kommentiert: "Wir sind eindeutig an einem Punkt angelangt, an dem wir die Begeisterung und das Interesse in echte Akzeptanz umwandeln müssen."

KI hat andere Skaleneffekte als die gängige Standardsoftware: Jede Abfrage kann intensive neue Berechnungen erfordern. Je mehr Kunden die Cloud-basierten Produkte nutzen, desto stärker können aus Sicht der Anbieter die Infrastrukturkosten ausufern. Dieser kaum kalkulierbare Aufwand setzt den großen Playern zu: Erheben sie Pauschalgebühren für KI, ist das Risiko einer Kostenexplosion kaum beherrschbar.

GitHub Copilot - sehr beliebt und sehr teuer

Ein Beispiel ist Microsoft, das mithilfe seines GPT-Partners OpenAI den GitHub Copilot eingeführt hat. Der Dienst hilft Entwicklern beim Erstellen, Korrigieren und Übersetzen von Softwarecode. Copilot hat sich schnell etabliert, die Programmierer sind überwiegend begeistert. Mehr als 1,5 Millionen Entwickler haben den Dienst bereits genutzt. Sie erstellen im Mittel fast die Hälfte ihres Codes damit und reduzieren so ihren Zeit- und Arbeitsaufwand erheblich.

Wie das WSJ berichtet, ist GitHub Copilot für Microsoft aber sehr teuer im Betrieb. Der Dienst sei nicht profitabel. Private Entwickler zahlen zehn Dollar pro Monat für den KI-Assistenten, doch in den ersten Monaten dieses Jahres soll Microsoft im Durchschnitt mehr als 20 Dollar pro Monat und Nutzer verloren haben. Einige Entwickler kosteten Microsoft sogar bis zu 80 Dollar monatlich. Auch hier bezieht sich das WSJ auf eine "mit den Zahlen vertraute Person".

IT-Anbieter hoffen auf sinkende Computing-Kosten

GitHub Copilot und andere KI-gestützte Assistenten werden wohl erst dann verlässlich profitabel sein, wenn die Kosten für Rechenoperationen signifikant sinken. Microsoft setzt erst einmal bei seinem nächsten KI-Software-Upgrade auf einen höheren Preis. Für die Basisversion von Microsoft 365 nimmt das Unternehmen von Geschäftskunden momentan rund zirka 12 Euro an monatlichen Gebühren je Anwender. Für die KI-fähige Version sollen zusätzlich knapp 30 Euro im Monat verlangt werden. Der Hersteller verspricht, dass Kunden enorme Vorteile haben, da sie automatisiert E-Mails verfassen, PowerPoint-Präsentationen erstellen oder Excel-Tabellen generieren können.

Auch Google, das für seine Workspace-Software einen ähnlichen KI-Assistenten herausbringt, will knapp 30 Euro pro Monat zusätzlich zu den regulären Abogebühren verlangen. Diese liegen in der Standardversion derzeit bei 11,50 Euro im Monat. Beide Anbieter kalkulieren offenbar, dass die pauschal zu zahlenden Zusatzgebühren ihre Kosten für den Betrieb der Technologie nicht nur decken, sondern dass auch etwas übrigbleibt.

GPT-4 ist zu mächtig, um nur Mails zusammenzufassen

die KI-Modelle benötigen viel Energie und belasten die Prozessoren weit stärker als Standardsoftware oder herkömmliche Cloud-Dienste. "Eine E-Mail mit dem GPT-4-Modell zusammenfassen zu lassen, ist, als würde man mit einem Lamborghini Pizzas ausliefern", unken die Redakteure des WSJ. Und das Technologieportal "The Information" zitiert Insider, denen zufolge Microsoft bereits weniger leistungsstarke und dafür billigere KI-Tools für seine Bing-Suche ausprobiert haben soll, darunter auch solche, die mit der Open-Source-KI-Software von Meta Platforms entwickelt wurden.

Der Videokonferenz-Spezialist Zoom kennt das Problem ebenfalls und hat dem WSJ zufolge eine kleinere, billigere Software für seinen KI-Assistenten entwickelt. Dieser basiert offenbar auf mehreren Modellen, darunter denen von OpenAI und Meta. Weil man teure KI vermeide, müsse man für das Tool, das Meetings zusammenfassen und Chat-Nachrichten schreiben kann, keinen Aufpreis verlangen, sagt Zoom-Managerin Smita Hashim. Sie fügt hinzu: "Wir sind ziemlich erstaunt und schockiert über die hohen Preise, die wir bei einigen Wettbewerbern sehen."

Adobe deckelt die Firefly-Nutzung

Anders als Microsoft und Google verwendet Adobe ein Credit-System, damit sein KI-Bildgenerator Firefly von Anfang an profitabel ist. Kunden erhalten ein monatliches Guthaben für die Nutzung. Ist es aufgebraucht, verlangsamt sich die Geschwindigkeit des Dienstes, so dass eine übermäßige Nutzung verhindert wird.

Im IT-Markt gehen die Anbieter generell davon aus, dass GenAI-Funktionen im Laufe der Zeit billiger werden. Dieser Effekt war auch bei vielen anderen Technologien zu beobachten, etwa bei Cloud-Speicher oder 3D-Animationen. Neue Chips und andere Innovationen dürften die Verarbeitungskosten senken. Doch angesichts der enormen KI-Blase, die sich an den weltweiten Börsen gebildet hat, besteht erst einmal das Risiko für Rückschläge, denn profitabel dürfte der Ausflug in die KI-Welt zu Beginn für die wenigsten Anbieter verlaufen. (hv)