Wie gesund ist das Kerngeschäft um PPS, CAD und Personalwirtschaft?

Geldgeber läßt Strässle trotz Sanierung im Stich

03.01.1997

Vom Konkurs betroffen sind die Strässle Informationssysteme Holding GmbH, die Töchter Strässle Informationssysteme und Geo Informationssysteme sowie Auslandsgesellschaften in der Schweiz und in Singapur. Die Geschäftsführer nennen Zahlungsunfähigkeit als Grund für den Zusammenbruch. Der alleinige Gesellschafter Christian Straube, ein in Liechtenstein ansässiges Mitglied der Opel-Familie, habe unerwartet den Geldhahn zugedreht, nachdem das Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten war.

Nach Darstellung von Strässle-Geschäftsführer Burkhard Vogel gab es vor allem in der Holding und der Geo massiven Finanzbedarf - Geschäftszweige, die hohe Kosten, aber kaum Gewinn brachten. Diese Bereiche hätten die produktiveren Geschäftszweige, insbesondere die Strässle Informationssysteme GmbH, "heruntergerissen".

In Folge eines erheblichen Forderungsausfalls im November stand Strässle Anfang Dezember 1996 mit leeren Kassen da und wandte sich an den Gesellschafter. Der hatte sich laut Vogel ursprünglich bereit erklärt, im Rahmen eines auf zwei Jahre angesetzten Sanierungsplans liquide Mittel nachzuschießen, wenn es zu Engpässen käme - doch die Zahlungen blieben aus.

Auf die Frage, warum Straube die benötigten rund vier Millionen Mark nicht beisteuern wollte, meinte Vogel gegenüber der CW:

"Ein Einzelgesellschafter, der aus einer sehr großen bekannten Familie stammt, wird mir kaum seine Vermögensverhältnisse offenbaren. Jede Erklärung liefe aber darauf hinaus." Straube selbst sei derzeit für niemanden zu erreichen - auch für den Strässle-Chef nicht.

Seit seinem Amtsantritt, so Vogel, hänge über dem Softwarehaus ein Damoklesschwert. Konkursreif habe er das Unternehmen übernommen sein Sanierungsplan habe Straube davon überzeugen können, daß es sich lohne, weiter auf die Softwarekarte zu setzen. Die Restrukturierung sei auch gut vorangekommen, man habe jederzeit voll im Plan gelegen.

Schwierigkeiten gab es allerdings mit der Tochtergesellschaft Geo, die für den Geschäftsbereich Geographische Informationssysteme (GIS) verantwortlich zeichnet und ursprünglich schon seit März 1996 an die kanadische H.J. Sieber Gruppe verkauft sein sollte. Obwohl laut Vogel der Vertrag bereits unterzeichnet war, weigerte sich Sieber im letzter Sekunde, den Kaufpreis zu zahlen. "Das Geld ist er uns bis heute schuldig geblieben", so Vogel, es laufe eine Schadensersatzklage gegen die Kanadier.

Um die Altlast doch noch loszuwerden, traf Strässle schließlich ein Migrationsabkommen mit der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG, von der die Schwaben das CAD-System Sigraph gekauft hatten. Mit Strässle-Unterstützung sollten die GIS-Anwender auf das entsprechende System von SNI wechseln - laut Vogel entstand hier zusätzlicher Finanzbedarf.

Offene Forderungen in Millionenhöhe sieht Vogel als zweite Ursache für die Schwierigkeiten. Den mittelständischen Kunden sei es im vergangenen Jahr schlecht gegangen. Gerade im November hätten sich Zahlungsverzögerungen und -ausfälle gehäuft.

Dieses Argument mag Wolfgang Dietrich, der Ende 1995 im Streit mit dem Gesellschafter ausgeschiedene Vorgänger Vogels, nicht gelten lassen. Forderungsausfälle konnten sich nach seinen Ausführungen nicht ergebnismäßig niederschlagen, weil Strässle umfassend dagegen versichert gewesen sei.

Geschockt vom Untergang seines "Lebenswerkes", erklärte er, die Gesellschaft sei zum Zeitpunkt seines Ausscheidens in einem exzellenten Zustand gewesen. Alle eventuellen Altlasten, ob es sich nun um Expansionskosten oder Abschreibungen jedweder Art handle, seien in der Bilanz vom 30. September 1995 vollständig bereinigt worden. "Die jetzt aufgetretenen Defizite können nur aufgrund operativer Verluste, durch Umsatzeinbrüche etc. entstanden sein", behauptet Dietrich.

Fakt sei, daß Strässle unter der neuen Geschäftsführung im Rohertrag massiv verloren habe. Den maroden GIS-Bereich für den Konkurs verantwortlich zu machen führe in die Irre. Dieser Geschäftszweig, von dem sich die Strässle-Gesellschafter in der Tat nicht früh genug getrennt hätten, erzeuge nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtkosten im Unternehmen. Strässle hat laut Dietrich nach seinem Weggang noch nicht einmal den vorhandenen Auftrags- und Wartungsbestand angemessen bedient.

Der heutige Geschäftsführer der VMM Consulting GmbH, Stuttgart, "weiß" eigenen Angaben zufolge definitiv, daß es nach seinem Ausscheiden bei Strässle einen massiven Einbruch im Kerngeschäft gab. Vor allem bei den Systemen für PPS- und Personal-Management sei es zu Umsatzeinbußen gekommen, nachdem ein Gutteil hochkarätiger Mitarbeiter aus Management, Entwicklung und Vertrieb das Unternehmen verlassen habe und viele Kunden mitgezogen seien.

Überhaupt nicht einleuchten mag dem Schwaben, daß sich der Gesellschafter Straube sang- und klanglos seinen Verpflichtungen entziehen kann. "Bei meinem Ausscheiden gab es eine rechtliche Situation, die eine Konkurserklärung eigentlich unmöglich machte." Offenbar habe die heutige Geschäftsführung ihren Vertrag mit dem Gesellschafter geändert, sei entweder nicht in der Lage oder bereit, diese Verpflichtungen einzufordern.

Sequestor Klaus Albert Meier, Rechtsanwalt in Stuttgart, hat es nun in der Hand, wie es mit der rund 340 Mitarbeiter starken Company weitergeht. Nach Ansicht Vogels könnte Strässle - von den Altlasten befreit - mit entsprechendem Kapital schnell wieder im Markt Fuß fassen.