Studie über Arbeitsalltag

Gehetzt und gestresst durch den Job

20.04.2012 von Andrea König
Die Mehrheit der Angestellten arbeitet gehetzt und muss mehr als früher leisten, auch in der Freizeit. Abschalten klappt bei vielen nicht mehr, so eine DGB-Studie.

Hetze bei der Arbeit wird für immer mehr Angestellte zu einer Alltagserfahrung. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten (52 Prozent) müssen sehr häufig oder oft gehetzt arbeiten. Selten gehetzt fühlen sich bundesweit 36 Prozent, nie gehetzt zwölf Prozent der Angestellten. Zu diesen Ergebnissen kommt der DGB-Index Gute Arbeit, für den mehr als 6000 Arbeitnehmer zu den Themen Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung befragt wurden.

Je länger die wöchentliche Arbeitszeit, desto größer der Stress.
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63 Prozent berichten davon, dass sie seit Jahren immer mehr in der gleichen Zeit leisten müssen. Die Arbeitsintensivierung trifft Beschäftigte unabhängig von der Einkommensgruppe und der Branche. Generell gilt: Je stärker die Arbeit intensiviert wird, desto mehr muss gehetzt werden. Und je länger die wöchentliche Arbeitszeit eines Angestellten ist, desto größer ist der Arbeitsstress. Ein gutes Drittel der Arbeitnehmer glaubt, sie müssten eher nicht (22 Prozent) oder überhaupt nicht (15 Prozent) intensiver arbeiten als früher.

Jeder Dritte kann nicht abschalten

Die Ergebnisse zeigen, dass bei zahlreichen Beschäftigten die Grenzen von Arbeitsleben und Privatem verschwimmen. Gut ein Viertel (27 Prozent) der Beschäftigten muss laut eigenen Angaben sehr häufig oder oft auch in der Freizeit für den Job erreichbar sein. Weitere 33 Prozent müssen in ihrer Freizeit selten erreichbar sein, von 40 Prozent der Befragten wird eine Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit nie erwartet. Besonders Vorgesetzte müssen in ihrer Freizeit sehr häufig oder oft für Berufliches erreichbar sein (40 Prozent), bei Angestellten ohne Führungsposition sind es nur 23 Prozent.

15 Prozent der Befragten arbeiten sehr häufig oder oft unbezahlt in ihrer Freizeit, heißt es in den Umfrageergebnissen. 36 Prozent tun dies selten, knapp die Hälfte der Befragten nie (49 Prozent). Mehr als ein Drittel der Angestellten (34 Prozent) berichtet von Problemen, nach der Arbeit abzuschalten. 37 Prozent müssen auch zu Hause an Schwierigkeiten bei der Arbeit denken, unter den Gehetzten sind es sogar 53 Prozent.

Abschalten
Typ1: Wer ermüdet ist,
braucht Regeneration im Urlaub.
Typ 2: Wem die Routine im Berufsalltag stresst,
sollte für Abwechslung im Urlaub sorgen.
Typ3: Wer unter Stress leidet,
braucht dringend Entspannung.
Typ 4: Wer Frust und Ärger im Job verspürt,
braucht in seiner Auszeit Erfolgserlebnisse.
Zeit für sich allein
Menschen, die nur noch für ihren Job brennen, wissen nicht, was ihnen guttut. Deswegen kann es hilfreich sein, vor dem Sommerurlaub mit der Familie ein paar Tage nur für sich zu haben. Wenn das nicht geht: Zeiten vereinbaren, in denen man sich zurückziehen kann. Spazieren gehen, in der Sonne liegen, über den Wochenmarkt streifen.
Ein medizinischer Check-Up...
sollte folgende Fragen klären: Stimmen die Blutwerte, wie hoch ist das Herzinfarktrisiko, was machen die inneren Organe und der Stoffwechsel? Stimmt das biologische mit dem tatsächlichen Alter überein? Wie hoch sind der Stresspegel und die mentale Leistungsfähigkeit? Was machen der Rücken und die körperliche Flexibilität?
Welche Nährstoffe....
fehlen dem Körper? Welcher Sport ist ideal?
Nach dem Urlaub weitermachen
Mit der Familie frühstücken, meditieren oder eine Runde um den Block laufen - wer sich morgens positiv auf den Tag einstimmt, hat nicht das Gefühl, von früh bis spät fremdgesteuert zu sein, und bleibt nach dem Urlaub länger gelassen.
Zeitfresser enttarnen
Wer täglich zwei Stunden mit Kollegentalk, Netzwerken auf Xing und E-Mails beantworten befasst ist, sollte genau hinschauen: Was davon bringt mich wirklich weiter? Wie viele Personen müssen wirklich auf cc gesetzt werden?
Neuer Umgang mit E-Mails
Übung: Mails nur alle drei Stunden und nicht alle 15 Minuten abfragen und beantworten.
Finger weg vom Mountainbike
Wer erschöpft und gestresst ist, sollte nicht mit dem Mountainbike über die Alpen preschen.

Nur 30 Prozent der Angestellten arbeiten so lange wie vertraglich festgelegt. Drei Prozent arbeiten weniger, zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland arbeiten insgesamt pro Woche länger, als das in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Jeder Fünfte berichtet in der Umfrage von mindestens zehn Überstunden pro Woche. Bei 22 Prozent sind es fünf bis neun Überstunden, bei einem Viertel der Befragten bis zu fünf Überstunden.

Jeder Zweite geht krank zur Arbeit

Viele Umfrageteilnehmer kurieren sich bei einer Krankheit nicht aus. Fast die Hälfte (49 Prozent) der Arbeitnehmer geben an, dass sie im vergangenen Jahr mindestens zweimal zur Arbeit gegangen sind, obwohl sie sich "richtig krank" gefühlt haben. Unter den Beschäftigten, die sehr häufig gehetzt arbeiten müssen, liegt dieser Anteil sogar bei 70 Prozent.

"Die psychischen Belastungen durch Arbeitsstress, Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung sind so hoch, dass die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten gefährdet sind", kommentiert DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach die Ergebnisse. Man brauche kein Konditionstraining für die Beschäftigten, sondern vor allem Arbeitsbedingungen, die weniger Stress produzieren, fordert Buntenbach.

Die Umfrageergebnisse stammen aus dem DGB-Index Gute Arbeit GmbH. Dafür wurden 6083 Arbeitnehmer zum Thema Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung befragt. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben "Gute Arbeit" nach eigenen Angaben zu ihrem Leitbild für die Entwicklung der Arbeitswelt gemacht. Gute Arbeit bedeutet: faires Einkommen, berufliche und soziale Sicherheit sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz, der hilft, gesund das Rentenalter zu erreichen. Der Begriff "Gute Arbeit" geht auf den englischen Begriff "Decent Work" zurück, der wörtlich so viel wie "menschenwürdige Arbeit" bedeutet.

Der Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO.