Gehalt: Druck aus Osteuropa wächst

04.03.2005 von Hans Königes
Die europäischen Einstiegsgehälter stagnieren oder gehen sogar leicht zurück - dies trifft auf Deutschland, Frankreich und Italien zu. Oder sie steigen ganz langsam, mit Raten zwischen zwei und fünf Prozent, etwa in Österreich, der Schweiz, Spanien, den Niederlanden und England. Das ergab die jüngste Gehaltsumfrage des Beratungsunternehmens Towers Perrin.

Ob man es wahrhaben will oder nicht - seit dem Eintritt Osteuropas in die EU ist der Druck auf die Gehälter stark gestiegen, und überdurchschnittliche Zuwächse werden künftig die Ausnahme sein. Auch die Einsteiger stellen fest, dass ihnen ein rauer Wind ins Gesicht bläst und die Gehaltsspielräume nicht besonders groß sind. Wenn der Lebenslauf nicht makellos ist - kurze Studienzeit, interessante Praktika und gute Noten -, kann dies schnell zu einem niedrigeren Einkommen führen.

Doch viele haben die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. So beschwerte sich ein Informatikabsolvent ganz vehement darüber, dass einer seiner Kommilitonen mit 51000 Euro Jahresgehalt eingestiegen ist, während man ihm bei jedem Vorstellungsgespräch immer weniger als 45000 Euro angeboten habe. Er wollte nicht einsehen, dass die Arbeitgeber sein Lebensalter von 32 Jahren nicht unbedingt als ein Plus an Erfahrung honorierten.

Fakt ist, dass in puncto Entlohnung die Bäume schon längst nicht mehr in den Himmel wachsen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Kandidaten sich um eine Stelle bewerben, umso höher muss die Qualifikation sein. Und eine Garantie, die Spitzengehälter der letzten drei Jahre erreichen zu können, gibt es schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Vor allem Quereinsteiger müssen sich auf niedrigere Gehälter einstellen. Personaler sprechen von einem Minus von zehn bis 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die aktuelle Towers-Perrin-Studie hat die Einstiegsgehälter in den verschiedenen Unternehmensbereichen unter die Lupe genommen und auch einen europäischen Vergleich gezogen. Die Einkommen der Einsteiger in Deutschland stagnieren auf hohem Niveau, nachdem sie noch im vergangenen Jahr beim Zielgehalt um acht Prozent und beim Grundgehalt um fünf Prozent gestiegen waren. Jetzt sind es 41000 Euro Grundgehalt und 44000 Zielgehalt.

Eine gute Nachricht gibt es doch: Sie betrifft vor allem die IT-Dozenten und die Mitarbeiter aus dem Bereich Recht. Diese legten im Vergleich zum Vorjahr auf 41000 Euro Grundgehalt beziehungsweise 46000 Euro Grundgehalt zu. Sie sind laut Towers-Perrin-Untersuchung die eigentlichen Sieger im diesjährigen Gehaltspoker, weil das Wachstum beim Grundgehalt rund fünf bis zehn Prozent ausmacht.

Starker Ausleseprozess

Für Dirk Ewert, dem Vergütungsprofi von Towers Perrin, ist dieses Ergebnis keine Überraschung - vor allem was die IT-Trainer betrifft. Denn die Gehaltsspanne zwischen Beratern und Entwicklern einerseits sowie IT-Lehrern und Multimedia-Fachleuten andererseits war in den vergangenen Jahren besonders groß und machte bis zu 50 Prozent aus. "In der Branche hat ein starker Auslese- und Professionalisierungsprozess stattgefunden, der auch das Gehaltsgefüge beeinflusst", weiß Ewert. Studienabbrecher, die sich am Arbeitsplatz oder zu Hause ihr Wissen beigebracht hatten, mussten zum Teil die Firmen verlassen und tun sich heute schwer, ohne fundierte Kenntnisse unterzukommen.

Die folgenden Zahlen beziehen sich, wenn nicht anders erwähnt, auf das Grundgehalt, das in der Regel etwa zehn Prozent unter dem Zieleinkommen liegt. Ewert weist darauf hin, dass sich bei den Einsteigern der variable Anteil bei weitem nicht so stark im Gehalt niederschlägt, als dies bei den Profis der Fall ist. Der Hinweis ist insofern wichtig, als sich eigentlich der Trend eindeutig in Richtung variabler Vergütung abzeichnet, dieser sich aber bei Einsteigern weniger bemerkbar macht.

Weniger Geld für Vertriebler

Gut im Rennen liegen die Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung mit 43000 Euro Grundgehalt (45000 Euro Zielgehalt). Damit liegen sie gleichauf mit den IT-Consultants, die nur ein kleines Plus von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen. In der Spitzengruppe mit 42000 Euro Jahreseinkommen (Grundgehalt) befinden sich die Marketiers und der technische Kundendienst. Beide Berufsgruppen verharren auf Vorjahresniveau, nachdem die Techniker zuvor einen Sprung von acht Prozent gegenüber 2003 verzeichnen konnten.

Kleinere Brötchen backen müssen die Mitarbeiter aus den Bereichen Neue Medien, Vertrieb und Key-Account-Management: Ihr Grundgehalt beträgt zwischen 36000 und 37000 Euro. Kleiner Trost für die Verkäufer und Key-Accounter: Wenn sie sich anstrengen, können sie ein um bis zu einem Viertel höheres Zielgehalt erreichen, also mit rund 45000 Euro nach Hause gehen. Der Wermutstropfen dabei: Sie liegen im Schnitt etwa zehn Prozent unter dem Vorjahr.

Mit diesen Gehältern rangiert Deutschland in Europa neben der Schweiz in der absoluten Spitzengruppe. Ewert begründet die allgemein hohen Gehälter auch damit, dass sich der Begriff des Berufseinsteigers leicht verändert hat. Früher versuchte aufgrund der besseren Arbeitsmarktlage jeder Absolvent, möglichst schnell nach dem Studium unterzukommen. Wegen der schwierigeren Situation am Arbeitsmarkt zögern die jungen Leute heute hingegen ihr Studium hinaus, sei es, dass sie promovierten, ins Ausland gingen oder durch Praktika und zusätzliche Werkstudentenzeiten ihre Qualifikationen verbesserten, wodurch sie automatisch höher einsteigen können.

Schweiz bleibt vorne

Die Frankfurter Vergütungsberatung hat nun zum Vergleich die Einstiegs-Saläre aus den Ländern Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien, Holland, England und Spanien hinzugezogen. Es fällt auf, das selbst innerhalb Westeuropas die Unterschiede sehr groß sind; sie machen teilweise über 50 Prozent aus. So müssen sich die Italiener mit 23000 Euro Grundgehalt begnügen, während die Nachbarn in der Schweiz sogar 49000 Euro im Jahr erreichen. Dabei ist Osteuropa in dieser Statistik noch gar nicht berücksichtigt.

Nach Ewerts Berechnungen liegen die Einstiegsgehälter in den neuen EU-Ländern Ungarn, Tschechien und Polen im Durchschnitt bei 10000 bis 12000 Euro im Jahr. Zu beachten sei allerdings, dass die Zuwächse überdurchschnittlich seien. Vor allem international agierende Konzerne mit osteuropäischen Niederlassungen zahlen in der Regel zehn Prozent und mehr über dem jeweiligen Landesdurchschnitt und sorgen damit für eine zwar ganz langsame, aber kontinuierliche Angleichung der Einkommen mit Westeuropa.

Europas Top-Verdiener bleiben die Schweizer, die im Durchschnitt ein Grundgehalt von 49000 Euro (Zielgehalt 55000 Euro) erhalten. An zweiter Stelle rangieren die Deutschen mit den bereits genannten 41000 Euro. Im Mittelfeld liegen die Österreicher, Holländer und Engländer mit 33000 bis 34000 Euro Grundgehalt (36000 bis 37000 Euro Zielgehalt) sowie Frankreich mit 31000 Euro Grundgehalt (35000 Zielgehalt). Zur Schlussgruppe zählen die Spanier mit 26000 Euro Grundgehalt (28000 Euro Zielgehalt) und die Italiener mit 23000 Euro Grundgehalt (26000 Euro Zielgehalt), was den Zahlen des Vorjahres entspricht.

In Österreich liegt die Bandbreite der durchschnittlichen Gehälter zwischen 28000 Euro Grundgehalt (29000 Euro Zielgehalt) bei Forschern und Entwicklern und 35000 Euro im IT-Training und im Vertrieb, wobei die Verkäufer aufgrund ihrer leistungsbezogenen Komponenten bis zu 43000 Euro erhalten können und damit die Spitzenverdiener sind. In Italien bewegen sich die Einkommen zwischen 22000 und 23000 Euro für IT-Dozenten und bis zu 24000 Euro Grundgehalt (Zielgehalt 33000 Euro) für das Key-Account-Management. Auch in den anderen Ländern liegen die Key-Accounter ganz vorne: In Spanien führen sie die Einkommensliste mit 34000 Euro Grundgehalt (38000 Euro Zielgehalt) an, in Frankreich erhalten sie 33000 Euro Grundgehalt (40000 Euro Zielgehalt), in den Niederlanden 34000 Euro Grundgehalt (46000 Euro Zielgehalt) und in England 37000 Grundgehalt (43000 Euro Zielgehalt).