Quartett um Microsoft strebt Entmachtung von Sun an

Gefecht um Java-Standard geht in eine neue Runde

19.09.1997

In dem Schreiben an Suns Vice-President Jim Mitchell erklärte die Wintel-Allianz, sie sei besorgt darüber, daß Sun eine zu starke Kontrolle über eine Sprache habe, die sich gegenwärtig zu einer tragenden Säule des gesamten Internet-Geschäfts entwickle. Die Hersteller um Microsoft schlagen deshalb vor, die Sprache komplett in die Obhut der International Standards Organisation (ISO) zu übergeben. Der Name Java ist nach Meinung der Sun-Wettbewerber für die gesamte Branche freizugeben.

Das Schreiben der vier Anbieter erreicht Sun zu einem Zeitpunkt, in dem die Company einen erneuten Anlauf unternimmt, Java zu einem ISO-Standard nach eigenen Vorstellungen zu machen. Der Hersteller möchte vor allem das Warenzeichen behalten und Modifikationen der Sprache selbst kontrollieren.

Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht

Sun hatte dem Joint Technical Committee (JTC-1) der ISO bereits Mitte des Jahres einen Vorschlag zur Standardisierung von Java unterbreitet. Darin sah sich der Hersteller zum Entsetzen des Wettbewerbs in der Rolle eines "Publicly Available Specification (PAS) Submitters", der allein über Vorschläge zur Erweiterung oder Veränderung der Sprache befindet und die Ergebnisse an die ISO weiterreicht. Dies wäre ein Sonderfall in der Geschichte der Standardisierung, da bisher nur Non-Profit-Organisationen einen solchen Status erhalten hatten. Nachdem der Antrag abgelehnt wurde ("No with Comments"), muß Sun binnen 60 Tagen einen korrigierten Entwurf vorlegen, über den das ISO-Gremium erneut befinden soll.

Die Gruppe um Microsoft versucht jetzt, öffentlichen Druck auf Sun zu erzeugen. Sie forderte das Unternehmen auf, Pflege und Weiterentwicklung der Java-Plattform komplett an die ISO oder eine andere Standardisierungs-Organisation zu übertragen. Diese müsse auch über die Einhaltung definierter Java-Spezifikationen wachen. Allerdings führt das Quartett diesen Vorschlag gleich wieder ad absurdum, indem es empfiehlt, jeden Anbieter selbst prüfen zu lassen, ob seine Produkte dem Java-Standard entsprechen oder nicht. Der Vorstoß der Wettbewerber ist für Sun insofern inakzeptabel, als das Unternehmen mit seinen Zertifizierungsprogrammen "100% pure Java" und "Java compatible" die Kontrolle über das Marktgeschehen hat und natürlich interessiert ist, daß die Sprache nicht in - möglicherweise bessere - herstellerspezifische Varianten zersplittert wird. Die Ablauffähigkeit von Java-Programmen ohne Änderungsaufwand auf allen Plattformen gehört zu den zentralen Vorteilen des Systems, die Sun auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht aufgeben möchte.

Microsoft, Intel, Compaq und Digital hingegen wollen unter allen Umständen verhindern, daß der Kontrahent bezüglich der Durchsetzung und Einhaltung eines internationalen Standards ein Veto-Recht behält. Mit einer schnellen Lösung des Konflikts ist nicht zu rechnen, da die 27 JTC-Mitglieder den erneuten Standardisierungsvorschlag von Sun, der in diesen Tagen von der ISO in Ottawa diskutiert wird, 45 Tage lang prüfen können.