Gartner: Veränderungen durch IT sind vergleichbar mit Industrieller Revolution

18.05.2006
Die Analysten nennen vier zentrale Trends, die rasante Veränderungen für Unternehmen zur Folge haben.

Gartner hat auf seinem gegenwärtig stattfindenden Frühjahrssymposium ITxpo in San Francisco vier Trends ausgemacht, die IT-Organisationen stark beeinflussen werden. Die Marktforscher sprechen von einem "unaufhaltsamen Wirbelsturm der Veränderungen", von dem nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatpersonen sowie die gesamte Gesellschaft erfasst würden. Laut Gartner sind die Einflüsse ähnlich gravierend wie die der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert (siehe auch: CIOs bangen um ihre Existenz).

"In den kommenden 30 Jahren werden wir beobachten, wie die Technik weiter in das Business vordringt. Doch das eigentlich Neue wird die Art und Weise sein, in der sie uns als Individuen erreicht und sowohl unsere Arbeit als auch unser Privatleben erfasst", sagte David Willis, Research Vice President bei Gartner. "Wenn es in den vergangenen 30 Jahren darum ging, Unternehmen mit Technik auszustatten, so wird in den kommenden 30 Jahren die Technik das Leben jedes einzelnen Menschen verändern."

Gartner macht vier wesentliche IT-Trends aus. Den ersten bezeichnen die Marktforscher mit

1. "Commoditization und Consumerization"

Immer größere Teile der IT werden demnach zur austauschbaren Massenware. Bei PCs, Speicher und Netzwerk-Bandbreite ist der Prozess längst in vollem Gang. Käufer beziehen Produkte, die sich preislich und von der Ausstattung her angleichen. Gartner erwartet, dass diese Entwicklung auch im Software- und Servicesegment weiter um sich greift (siehe: Festpreise lösen aufwandsbezogene Abrechnung ab).

Damit wird Informationstechnik insgesamt billig und für jedermann zugänglich - weshalb sie auch die Privathaushalte stärker durchdringt als je zuvor. Entwickler, Technologieanbieter und Unternehmen werden sich darauf einstellen und die Verhaltensweisen und Interessen von Privatanwendern zunehmend berücksichtigen - das meinen die Marktforscher, wenn sie von Consumerization sprechen.

"Letztendlich steht hinter beiden Trends die Tatsache, dass IT für jedermann erschwinglich wird. Anwender nutzen sie und beeinflussen damit ihre Lebensumstände und ihr Konsumverhalten", so Gartners Chefanalyst Steve Prentice. Diese Veränderungen hätten wiederum Auswirkungen auf Gesellschaft und Unternehmen. Es werde darum gehen, ob und wie schnell sich Hersteller den veränderten Kundenwünschen öffnen könnten.

2. Virtualisierung und "Tera-Architekturen"

Beim zweiten Trendpaar geht es darum, dass sich IT-Ressourcen in Pools zusammenführen lassen. Ihre physikalische Natur wird versteckt und die Grenzen zu User-Endgeräten werden unsichtbar. In der Serverindustrie zeigt sich den Marktforschern zufolge längst, welchen immensen Einfluss der Virtualisierungstrend auf IT-Infrastrukturen hat. Immer häufiger entständen auf einzelnen physikalischen Einheiten diverse virtuelle Maschinen oder Partitionen. Das betreffe vor allem Server, die schlecht ausgelastet sind. Virtualisierungstechnik erlaubt laut Gartner Auslastungsraten von bis zu 80 Prozent.

"Anwendungen sind nicht länger an einen Rechner gebunden", erklärt Martin Reynolds, Vice President und Gartner Fellow. Sie ließen sich den Rechenressourcen individuell zuteilen. Damit könnten IT-Manager schnell und flexibel auf sich verändernde Anforderungen reagieren und ihre Rechenressourcen besser nutzen. Gartners Vision ist eine IT-Infrastruktur, die aus granularen, sich gegenseitig erkennenden Rechenressourcen aufgebaut ist. "Dieser skalierbare, Zero-Management-Ansatz führt zu einer neuen Tera-Architektur", so Reynolds. Zu vertretbaren Kosten könne in einfach skalierbaren Umgebungen ein Vielfaches an Rechenleistung erzielt werden.

3. Software-Delivery-Modelle und Entwicklungsstile

Die Art, in der Software entwickelt und beschafft wird, ändert sich laut Gartner grundlegend. "Die Kontrolle über den Entwicklungsprozess wandert vom Programmierer zu jedermann", führte Daryl Plummer aus, Group Vice President und Chief Gartner Fellow. Seinen weiteren Ausführungen zufolge entwickelt sich der Softwaremarkt in Richtung Mietmodell (Software as a Service = SaaS). Unternehmen würden ferner anstelle großer Applikationen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen anschaffen. Ähnlich hatten sich die Analysten bereits auf der CeBIT geäußert.

Insbesondere im SaaS-Modell sehen die Analysten Potenzial. Dieser Ansatz, der von Unternehmen wie CRM-Anbieter Salesforce.com verfolgt wird, ermögliche Flexibilität und mache Firmen beweglicher. IT-Verantwortliche bekämen durch entsprechende Angebote eine Vielfalt an Optionen an die Hand, die sie vorher nicht hatten. Sie könnten das Business entscheiden lassen, welche dieser Möglichkeiten genutzt werden sollen.

4. Community und Collaboration

Gartner mahnte die Konferenzteilnehmer zu mutigen Veränderungen. Ihre Mitarbeiter und Kunden nähmen auf individueller Ebene längst an virtuellen Communities teil - deshalb sollten die Firmen dasselbe tun. Die Analysten haben ausgerechnet, dass der durchschnittliche Wissensarbeiter bereits in durchschnittlich zehn virtuelle Gemeinschaften involviert ist. Binnen zehn Jahren werde 80 Prozent der Arbeit, die von Angestellten geleistet wird, nicht mehr im Alleingang sondern in kollaborativen Teams erbracht.

Wer heute in ein Arbeitsverhältnis eintrete, sei in hohem Maße auf Collaboration und Communities ausgerichtet. Absolventen von Schulen und Universitäten fühlten sich in Social-Networking-Communities zuhause. Unterhielten sich Gartner-Analysten mit Anwendern, zeige sich aber immer wieder, dass entsprechende Technologien nicht als zwingende Investitionen empfunden würden.

"Bis heute sind Community und Collaboration in vielen Unternehmen zweitrangige Themen", beobachtet Kathy Harris, Vice President und Topanalystin bei Gartner. "Von heute an sollten diese Techniken vorne stehen, wenn die IT-Investitionen neu priorisiert werden." Die neueste Generation an Internet-Technologien, zu der Gartner insbesondere Web-2.0-Techniken und Service-orientierte Architekturen (SOA) zählt, werden laut Gartner das Potenzial und die Skalierung von Communities und Collaboration auf eine neue Stufe stellen (siehe: Ajax verleiht Webanwendungen Flügel). Es gehe hier um weit mehr als um irgendwelche "coolen Mätzchen", die bei den Mitarbeitern gerade en vogue seien. (hv)