BPO-Partnerwahl

Gartner rät zur Vorsicht

16.10.2009 von Jan Schulze
Gartner geht davon aus, dass sich der Markt für Business Process Outsourcing (BPO) in den kommenden Jahren stark verändern wird. Viele Anbieter wird es bis 2012 nicht mehr geben. Unternehmen sollten potenzielle Dienstleister daher streng unter die Lupe nehmen.

Für die Analysten von Gartner wird sich der Markt für BPO (Business Process Outsourcing) in den kommenden Jahren drastisch verändern. Bis 2012, so die Prognose, wird ein Viertel der heutigen Top-Anbieter nicht mehr als eigenständige Organisationen existieren. Die Wirtschaftskrise, unrentable Verträge und Schwierigkeiten bei der Einführung standardisierter Delivery-Modelle sind für Robert H. Brown, Research Vice President bei Gartner, die Gründe dafür, dass viele Dienstleister in ihrer jetzigen Form nicht überleben werden: "Einige werden übernommen werden. Einige werden komplett vom Markt verschwinden und durch neue, dynamische Marktteilnehmer ersetzt werden, die BPO als automatisierte Utility-Dienste anbieten."

Das hat auch Auswirkungen auf die Anwender. Gartner rät, BPO-Anbieter streng unter die Lupe zu nehmen und auf Warnsignale zu achten. Die Marktforscher haben sechs Eckpunkte ausgemacht, die Hinweise auf die anstehende Marktbereinigung und betroffene Kandidaten liefern können:

Einblick in laufende Verträge

1. Chronisch unprofitables Vertragsportfolio

Manche BPO-Dienstleister schleppen unprofitable Verträge im Portfolio mit sich herum. Der Grund ist oft, dass zu viele Geschäfte zu früh abgeschlossen wurden - ohne dass ausreichend darüber nachgedacht wurde, wie die Leistungen in standardisierter, rationaler und profitabler Form erbracht werden können. Anwender sollten sich bei der Auswahl eines BPO-Dienstleisters Einblick in dessen Verträge verschaffen, um die Profitabilität des Anbieters einschätzen zu können. Die meisten Dienstleister werden mit diesen Informationen allerdings sehr zurückhaltend sein. Anbieter mit guten Zukunftschancen hingegen sind sich dessen bewusst, dass BPO eine Partnerschaft ist und ein offener Umgang mit dem Thema Profitabilität das langfristige Risiko für beide Parteien senken kann.

2. Kein Neugeschäft und kein Wachstum

Ob ein Dienstleister neue Geschäfte abschließen kann, ist für Gartner ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Dabei sollte ein angemessener Zeitraum von zwei bis drei Jahren betrachtet werden. Der gleichzeitige Umgang mit mehreren Deals ist im Outsourcing-Geschäft Alltag. Als Kunde müsse man sicherstellen, dass der potenzielle Dienstleister nicht nur den Bedarf eines Vertragspartners befriedigen kann. Fehlt es an geschäftlicher Aktivität, könne dies in Indiz dafür sein, dass der BPO-Outsourcer zu kämpfen hat.

Referenzkunden suchen und Erfahrungen abfragen

3. Wichtige Kunden wechseln zu Mitbewerbern

Bei einigen BPO-Providern kann der Verlust wichtiger Kunden ein Indiz für Probleme sein. Das gilt besonders, wenn das verbleibende Geschäftsportfolio überschaubar ist. Im Rahmen einer sorgfältigen Prüfung sollten Unternehmen nach Referenzkunden suchen und deren Erfahrungen mit dem Dienstleister abfragen.

4. Kapitalisierung vereitelt neue Geschäfte

Manche fremdfinanzierte oder wenig risikofreudige Dienstleister sind unter Umständen nicht in der Lage, die notwendigen Investitionen vorzunehmen, um bei neuen Aufträgen mitzubieten. Zu den Kosten für Angebote müssen große BPO-Anbieter häufig erhebliche Summen vorfinanzieren. Um dieses zu umgehen, investieren viele Dienstleister in einen plattformintensiven BPO-Ansatz. Diese jedoch zwingt Kunden dazu, die vorhandenen Plattformen und Service Level Agreements zu akzeptieren. Fremdfinanzierte Anbieter, die diese "Lift and Shift"-Strategie einsetzen, werden wahrscheinlich auf Schwierigkeiten stoßen, wenn es um weitere Finanzierungen geht.

5. Fokussierung auf die Finanzbranche

Rund ein Drittel des weltweiten BPO-Marktes geht auf das Konto der Finanzbranche. BPO-Anbieter, die auf dieses Segment spezialisiert sind, mussten als erste unter der Wirtschaftskrise leiden. Wegen der darauf folgenden Zusammenschlüsse und Übernahmen im Bankenbereich nahm die Nachfrage nach BPO ab. Viele BPO-Anbieter könnten somit auch langfristig gefährdet sein Auch wenn eine Fokussierung auf die Finanzbranche auf keinen Fall als böses Omen gewertet werden darf, sollten Unternehmen, deren BPO-Dienstleister mehr als 85 Prozent seines Umsatzes mit Banken macht, die potentiellen Effekte im Hinterkopf behalten.

Strategien für den Ausstieg

6. Anstieg von Insourcing und Vertragskündigungen

Laut der jährlichen "BPO Buyer Suvey" von Gartner stieg die Zahl der vorzeitigen Vertragsauflösungen im Jahr 2008 im Vergleich zum Vorjahr deutlich an. Gartner rät den BPO-Anwendern, möglichst vor dem Abschluss Strategien für den Ausstieg in die Verträge mit aufzunehmen und auch Rücklagen dafür zu bilden. Denn die Kosten für einen Dienstleisterwechsel können erheblich sein. Somit ist es laut Gartner wichtig, die Eskalationsmechanismen der Verträge zu kennen und sicherzustellen, dass im Falle eines Falles alle Optionen genutzt werden, bevor Kündigung und rechtliche Schritte zur Debatte stehen.