Projekt-Management

Gartner fordert einen Masterplan für BI

17.02.2006 von Sascha Alexander
Eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung ist ohne Business-Intelligence-Tools für Berichte und Analysen nicht mehr denkbar. Doch fehlt es oft an einer klaren Strategie bei ihrer Einführung.

Wenn Unternehmen heute sagen sollen, welche Bedeutung Software und Verfahren für Business Intelligence (BI) für sie haben, so verleihen sie ihnen gern das Attribut "strategisch". Dennoch bleiben viele BI-Lösungen Stückwerk. Sie erfassen und beurteilen nur einen Teil der vorhandenen Geschäftsinformationen, die Unternehmen brauchen, um auf Marktbewegungen und finanzielle Fehlentwicklungen reagieren zu können.

Hier lesen Sie …

  • warum eine BI-Infrastruktur nicht nur ein Kostenblock ist;

  • welche Erfahrungen Unternehmen bei der Umsetzung einer zentralen BI-Organisation gesammelt haben;

  • wie sich der BI-Markt entwickelt.

Frank Buytendijk, Research Vice President Gartner: Wer im Geschäft bleiben will, kann auf BI nicht mehr verzichten.

Firmen, die BI nicht systematisch angehen, setzen ihre geschäftliche Grundlage aufs Spiel, mahnten jetzt die Marktforscher von Gartner auf dem siebten "Business Intelligence Summit" in London. Fortschrittliche Unternehmen nutzen BI als Treiber für Innovationen - so die Botschaft an die rund 700 Teilnehmer aus Industrie und Anwenderunternehmen.

Obwohl Anwender mehr in BI investieren wollen und die Lizenzumsätze der Hersteller entsprechend steigen (siehe Kasten "CIOs favorisieren Business Intelligence") ,vermisst Frank Buytendijk, Research Vice President bei Gartner, in vielen Unternehmen eine konsistente und von allen involvierten Mitarbeitern verstandene BI-Strategie. So wollten CIOs vor allem eine Infrastruktur schaffen, die die Organisation und das Geschäftsmodell unterstützt. Finanzvorstände verlangten hingegen Instrumente und Funktionen zur Unternehmenssteuerung. Fachabteilungen interessierten sich in erster Linie für analytische Anwendungen, die ihnen bei ihrer täglichen Arbeit helfen. Als Folge dieses Interessenkonflikts entstanden die oft bemängelten Insellösungen, die wenig Transparenz in unternehmensweite Zusammenhänge bringen und als Kostentreiber gelten.

CIOs favorisieren Business Intelligence

Laut einer internationalen Umfrage von Gartner unter 1400 Chief Information Officers (CIOs) will die Mehrheit von ihnen dem Einsatz von BI-Technik 2006 die höchste Priorität einräumen. Damit verbunden sei eine Aufstockung des Budgets um durchschnittlich 4,9 Prozent. Zudem gehen die Analysten davon aus, dass in den nächsten Jahren auch die weltweiten Lizenzumsätze mit BI-Software weiter steigen. Sie würden sich bis 2009 um durchschnittlich 7,8 Prozent pro Jahr erhöhen. Für 2006 erwartet Gartner ein Umsatzvolumen von 2,5 Milliarden Dollar. Das wären sechs Prozent mehr als im Vorjahr.

Ein Ausweg ist der Aufbau einer durchgängigen BI-Infrastruktur, die vorhandene und künftige Lösungen mit Daten und standardisierten Prozessen unterlegt. Dabei entständen relativ hohe Einmalinvestitionen, um die vorhandene Infrastruktur aufzuräumen beziehungsweise auszubauen. Doch nur so ließen sich auf Dauer Kosten senken und Systeme konsolidieren, sagte Buytendijk im Gespräch mit der computerwoche.

Data Management Expo 2006

Das Business Application Research Center (Barc) aus Würzburg und die computerwoche laden zur Data Management Expo nach Frankfurt am Main ein. Im Mittelpunkt der zweitägigen Fachkonferenz stehen Praxisvorträge und Diskussionen zu neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Datenintegration, zu Data Warehousing sowie zur Datenqualität.

Termin: 8. - 9. Mai 2006;

Ort: Messe Frankfurt, Congress Center;

Preise und nähere Auskünfte:

Herr Tim Erben,

Telefon 0931/8806510,

ilid_23terben@barc.de

Nicht nur an den RoI denken

Eine Berechnung des unmittelbaren Return on Investment (RoI) einer BI-Infrastruktur hält Buytendijk für sinnlos, weil es ohnehin keine Alternativen gebe. Außerdem lohne sich beispielsweise die Einführung eines Data Warehouse als zentrale Datenbasis für BI zunächst einmal in aller Regel nicht. Die Kosten kämen frühestens wieder herein, wenn das Data Warehouse mindestens vier Abteilungslösungen, die als Data Marts implementiert werden, ersetze oder verhindere. Obwohl ein Data Warehouse also erst auf längere Sicht etwas einbringe, sei es unverzichtbar: "Unternehmen müssen die Informationsverwaltung endlich als ebenso fundamental betrachten wie die Steuerung ihrer Geldflüsse und den Betrieb eines lokalen Netzwerks."

Competence Center entstehen

Mit der Schaffung der technischen Grundlage für BI-Anwendungen ist es allerdings nicht getan. Es muss auch eine Organisation aufgebaut werden, die dafür sorgt, dass alle BI-Aktivitäten koordiniert und gemäß der Strategie angegangen werden. Gartner hatte für diese Vermittler- und Kontrollfunktionen bereits vor einiger Zeit den Aufbau von "Business Intelligence Competence Centern" postuliert. Doch erst jetzt setze sich dieser Ansatz langsam durch, sagte Buytendijk. So habe kürzlich eine Umfrage bei Großunternehmen in den USA und Europa gezeigt, dass immerhin 20 Prozent von ihnen bereits ein Competence Center etabliert haben. 30 Prozent dieser Steuerstellen seien der IT, 70 Prozent dem CFO unterstellt. In Europa hätten 22 Prozent aller befragten Konzerne entsprechende Teams im Einsatz, 72 Prozent seien mit ihrem Aufbau beschäftigt. "Dies ist wirklich ein Trend geworden: Die Infrastruktur ist etabliert, die Tools sind vorhanden, jetzt kann mit der Organisation begonnen werden."

Doch bis die Schaltstelle funktioniert, sind viele organisatorische Hürden zu nehmen. "Die größte Herausforderung ist es, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen und nicht mit Informationen zu überfrachten", sagte Marianne Faro, European IT Manager bei Nike Europe. Als Mitglied des "SAP Best Practices Council" von Gartner berichtete die Managerin gemeinsam mit anderen europäischen Kollegen auf der Veranstaltung, wie sie mit der Standardisierung und Konsolidierung ihrer ERP-Landschaft auch eine BI-Strategie implementierten. So steuert bei Nike Europe mittlerweile ein Kernteam sämtliche BI-Aktivitäten in den Ländern und koordiniert diese mit der Konzernzentrale in den USA. Dabei mauserte sich das ursprünglich von der IT getriebene Projekt zu einer strategischen Aufgabe, die heute vor allem durch den CFO gesponsert wird. Um eine weitere Standardisierung zu erzielen, arbeitet der Sportartikelhersteller derzeit an einheitlichen Vorgaben in Form von "BI Blueprints".

Konsens statt Verordnung

Doch die richtige Methode zu finden, um IT und BI zu verbinden, ist leichter gesagt als getan, weiß Tom Andriola, Manager Global Application Shared Services bei Philips Medical Systems. Sein Unternehmen arbeite immer noch an einer integrierten Lösung aus ERP-Systemen und BI-Software. Sie lasse sich nicht von oben nach unten verordnen, sondern brauche einen Konsens zwischen den Beteiligten. Dazu schuf Philips die Position eines Architekten, der das BI-Portfolio überblickt, bewertet und entscheidet, wie Lösungen implementiert werden sollen. Dieser steht mit der Programmorganisation im engen Kontakt, mit der er die Prioritäten bei der Umsetzung der BI-Lösungen klärt. Neben den zentralen Stellen sollten zudem auch die bisherigen Prozessverantwortlichen in die Planung einbezogen werden und als "Data Stewards" vor Ort fungieren. Vor allem die durch eine heterogene Systemlandschaft entstandenen Probleme mit der Datenqualität machten ihre Hilfe erforderlich.

Nicht zu vergessen bei der täglichen Arbeit eines Competence Centers ist die Betreuung der einzelnen Anwender. So seien viele immer noch an Listenberichte aus ihrem ERP-System sowie an Excel als Frontend gewohnt. "Alte Systeme lassen sich oft nicht einfach ersetzen", sagte Andriola. Dies bestätigte auch Katja Kümmel, Leiterin IS/IT Strategy & Program Management bei Hydro Aluminium: "Der Umstieg von manuellen Berichten zu automatisierten Reports war für die Abteilungen eine größere Sache." Anders als der CFO oder der Vorstand, der laut Kümmel einfach die richtigen Zahlen erwartet, ließen sich Fachanwender von den allgemeinen Vorzügen der BI-Lösung für das Unternehmen wenig beeindrucken. Erst wenn man ihnen die Konsequenzen erkläre, die fehlende oder fehlerhafte Informationen für sie hätten, würden sie aufmerksam.

Skeptisch beurteilt Myron Hrycyk, IT Director bei Unipart Automotive Logistics, die Analystenempfehlung, BI-Lösungen allen Benutzern bereitzustellen und ihnen dabei auch noch Selbstbedienungsfunktionen anzubieten. Dies könne die Datenintegrität gefährden. Um die Wünsche und Begehrlichkeiten der Fachanwender zu kanalisieren, versuche deshalb das Team um Hrycyk, am Frontend zu "evangelisieren". Doch nicht nur IT-ferne Mitarbeiter müssen hinzulernen, ergänzte Nike-Managerin Faro: "Auch IT-Spezialisten müssen sich zu BI-Experten und Knowledgeworkern wandeln."